Brief an seine Eltern

von Christian Dietrich Grabbe


Liebe Eltern! Schnell ergreife ich die Feder, da ich höre, daß meine Vater mit mir nach Meinberg will. Ich habe einen heftigsten Wunsch, Wunsch, sage ich? - die heftigste Begierde, die größte Leidenschaft nach einem Buche. Aber ach, alle meine Wünsche scheitern, meine Ruhe ist dahin auf lange, lange Zeit, es ist - es ist - ich bin verwirrt, ich vermag es nicht zu schreiben, es ist - o Gott - zu teuer.

Zitternd schreibe ich es. wie gern gäbe ich vieles von meiner Kleidung dahin, um es zu erhalten, allein dies würdet ihr nicht erlauben, doch geht es, so erlaub es Vater, liebe Mutter! Bedenkt, bedenkt, daß wahrscheinlich die Ruhe Eures Sohnes auf lange davon abhängt. Abschreiben möcht ich es, aber es sind 14 Bände. Schon seit langer Zeit habe ich mich mit dem Wunsche, es zu erhalten, umhergetrieben, schon lange Wochen nagte innere Unruhe an meinem Herzen. Dies Herz war zu voll, zu besorgt, als daß es hätte hoffen können, es über die Lippen zu bringen oder es zu schreiben. Daher war jener finstere Trübsinn, dem ich ganz nachhing, wo ich überall stand und in mich selbst versunken war. Ihr wolltet ihn vertreiben, allein ich hange ihm jetzt noch in einsamen Stunden nach, dann hoffte ich, ihn in Eurer Gesellschaft zu zerstreuen, durch Frohsinn darin auseinanderzutreiben, aber vergebens, habe ich mich entfernt, so umhüllen wieder finstere Wolken meine sonst so jugendliche, freie Stirn. Darum murrte ich, wenn ich ein Kleid neu bekam; ach dachte ich, du hast der Kleider so viele, hättest du doch das Geld dafür, daß du es zum Buche brauchen könntest.

Ach Gott, wie gern, wie freudig wollte ich auf manches Verzicht tun, wenn ich nur das Buch bekäme. Gibst du es mir, dann will ich wahrhaftig lange kein ander Buch als ein Schulbuch, lange kein neu Kleid haben und Dir, durch kindlichen Gehorsam, soviel ich kann, und was doch meine Schuldigkeit ist, Dein Alter versüßen. Da ich so ungeheure Liebe zur Geographie habe, so habe ich schon eine solche Begierde danach, es ist von dem so berühmten Zimmersmann. Da es wissenschaftlich ist, so kannst du denken, daß ich es zur Unterhaltung nicht verlange. Es heißt: Zimmermann, Taschenbuch der Reisen, bei Gerhard Fischer zu Leipzig mit Kupfern und Karten.

Verscheibst Du es mir, so will ich alles Unnötige verkaufen. O Gott, welch einen Tag habe ich heute wieder gehabt. Ganz genau weiß ich den Preis selbst nicht, frag daher erst die Buchhandlung ja darum, daß sie es dir nicht schicken und es wäre dir zu teuer. Jetzt wollte ich dich warnen, mich mit nach Meinberg zu nehmen, weil dann das Geld, was ich da verzehren würde, besser zum Buche angewandt wäre. Ich will keine Butter mehr essen, Kaffee wenig trinken. Frag doch den Dienstag um den Preis des Buches, und verschreib es danach, wenn du kannst, bedenk, meine Ruhe hängt lange, lange davon ab, jetzt beschließe ich diesen, unter manchen Zähren und Schluchzen geschriebenen Brief. Euer geliebter Christian.


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