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[Eine Lücke] Sorgenvoll stützte er sein Haupt in die durchgeistigte Hand. Zum Glück waren keine Unerwachsenheiten, will sagen, Kinder vorhanden. Anderseits bedeutet Kinderlosigkeit eine Lücke, die Ausfüllung erfordert, ähnlich wie Löcherchen in Strümpfen gestopft, das heißt ausgebessert zu werden wünschen. (Robert Walser: Liebesgeschichten, S. 221)

[In Unkenntnis] Doch ich spreche mit des Lesers Erlaubnis einstweilen von etwas ganz anderem, nämlich von einem lebensmüden Lebenskünstler samt seiner Gattin, die noch sehr lebenslustig war, weil sie zu vermeiden wußte, das Leben kennenzulernen. (Robert Walser: Liebesgeschichten, S. 221)

[Effekte] Diejenigen, die man verlästert, haben meistenteils gewonnen, wo man geglaubt hat, ihnen den Gnadenstoß zu versetzen. (Robert Walser: Liebesgeschichten, S. 152)

[Frauen] Ich habe stolze und schöne Frauen gesehen, denen die Ängstlichkeit, daß ihre Schönheit verblassen und mithin ihr Stern sinken könnte, aus den Augen herausflackerte. (...) Ich sah bildhübsche Frauen auf den Wind und den Regen zornig werden, die es wagten, im Haarheiligtum einige Unordnung zu verursachen, und es mag vorgekommen sein, daß ich Gelegenheit hatte, Frauen vor Zorn über des weiblichen Nebenmenschen frische Reize mit den Zähnen klappern zu sehen. (Robert Walser: Liebesgeschichten, S. 31)

[Je nachdem] Wenn die Einsicht vorhanden ist, daß mit Reden etwas Gutes, Liebes und Vorzügliches zerstört, dementsprechend mit Schweigen nicht das geringste Schädliche und Üble angerichtet wird, so schweigt man gern. (Robert Walser: Liebesgeschichten, S. 83)

[Beschreibung] Das Hotel International war ein ziemlich kleines Gasthaus mit sechs oder acht Betten; und es gestattete sich draußen nicht mehr als zwei Metalltische für die Durchreisenden oder ein, zwei Gäste. Die ganze Einrichtung deutete auf geringen Optimismus. Das Gasthaus erwartete wenig von der menschlischen Gesellschaft, über die es ziemlich eindrucksvolle Ansichten hegte. (Wyndham Lewis: Rache für Liebe, S. 316)

[Männer] Nach ein paar Tagen ging es Jack wieder besser. Er konnte einer Frau nie lange grollen, nicht länger als einem Möbelstück, das ihm auf den Fuß gefallen war. (Wyndham Lewis: Rache für Liebe, S. 193)

[Mangel] Fledermausaugen, Fledermausaugen! Er erkennt am hellichten Tag den eigenen Nabel nicht, er würde ihn für ihn eine Pockennarbe halten. (Wyndham Lewis: Rache für Liebe, S. 25)

[Frauen] Meine Unwissenheit, was Frauen anging, war beträchtlich - warum waren Frauen solche Heimlichtuer? Ich wußte, daß meine Mutter und meine Schwester in so gut wie allem, was sie Männern gegenüber taten, etwas vortäuschten, aber warum? Ihre Gereiztheit, ihre Gutwilligkeit, ihr Unglück, ihr Glück waren fast immer vorgetäuscht - aber warum? Ich verstand nicht, woher das Bedürfnis nach so viel Täuschung kam. (Harold Brodkey: Unschuld. Nahezu klassische Stories, S. 372)

[Jugend] Mit dreizehn ist man in einem Alter, in dem Dramen aufziehen: es ist eine Gefängniszelle von einem Alter, in dem man durch das Einsetzen der sexuellen Kräfte von der Kindheit ageschnitten ist und durch einen Rest von Unschuld getrennt von dem Leben, das einem noch bevorsteht. (Harold Brodkey: Unschuld. Nahezu klassische Stories, S. 341)

[Metapher] Der Rücken tat mir weh, in den Beinen hatte ich bald keine Kraft mehr; wenn Schweiß Sperma gewesen wäre, hätten wir ausgesehen wie schmelzende Schneefelder. (Harold Brodkey: Unschuld. Nahezu klassische Stories, S. 293)

[Vergleich] Ich bemerke, daß er sie so ansieht, als unterstriche jemand eine Passage in einem Buch. (Harold Brodkey: Hofstedt und Jean und andere)

[Zum Glück] Logik ist nichts für Frauen, und das ist auch gut so. Wenn sie logisch denken würden, warum sollten sie sich dann damit zufriedengeben, mit einem Mann wie mir verheiratet zu sein. (Harold Brodkey: Unschuld. Nahezu klassische Stories, S. 165)

[in extremis] In Extremsituationen bringe ich meine besten Leistungen, wozu meine zweite Frau einmal bemerkte, das sei für alle sehr anstrengend und werfe ein völlig neues Licht auf die Frage, ob es sich lohne, nach hervorragenden Leistungen zu streben. (Harold Brodkey: Unschuld. Nahezu klassische Stories, S. 159)

[Modus] Es ist mir egal, was du sagst, solange du es elegant sagst. (Harold Brodkey: Unschuld. Nahezu klassische Stories, S. 45)

[modus operandi] Ich habe noch nie mit Büffeln fischen gesehen, nur dort. Da befindet sich neben deinem Haus ein Teich, in den man an die zwanzig Büffel hineingetrieben hat, die den Teich aufwirbeln, und die Leute holten mit bloßen Händen die vielen Fische aus dem Schlamm, die Ärmsten konnten nämlich in der Dreckbrühe nicht mehr schwimmen - Fischfang auf Türkisch. (Kelemen Mikes: Briefe aus der Türkei, S. 94)

[Typologie] Er liebte es, wenn man ihm widersprach, denn dann geriet er in Feuer und übertrieb und fand unerwartete Argumente. Die heftigen Diskussionen, in denen man sich anschreit und beleidigt, weiteten seine verstopfte Galle, aktivierten Verdauung und Atmung und sorgten so für großes Wohlbefinden. Er diskutierte aus hygienischen Gründen: diese Gymnastik von Stimmbändern und Gehirn erleichterte sein Leben. (Emilia Pardo Bazan: Das Gut von Ulloa, S. 201)

[Politik] Was, Sie haben keine politische Meinung? Das können Sie einem andere erzählen, Pater Julian. Alle Vögel mit schwarzem Gefieder fliegen rückwärts. (Emilia Pardo Bazan: Das Gut von Ulloa, S. 201)

[Echoträger] Don Pedro gehörte zu denjenigen, die ihre Handlungen und Veränderungen für bedeutsam und eines Kommentars würdig befinden - eine Schwäche der Egoisten - und die dafür ständig einen Unterlegenen oder Untergebenen bei sich haben müssen, damit auch er ihnen außerordentlichen Wert beimißt. (Emilia Pardo Bazan: Das Gut von Ulloa, S. 117)

[Unabhängigkeit] C. war von Kind auf traumatisiert durch die verbalen Eröffnungen jeder nur denkbaren Obrigkeit ... zu einem wesentlichen Teil verdankte er dies seinem Großvater, der über Drohungen lachte und dem bei jedem Heilsversprechen der Angstschweiß auf die Stirn trat. (Wolfgang Hilbig: Das Provisorium, S. 67)

[Schrift] Seine Handschrift auf dem Luftpostumschlag sah aus, als habe er jeden Buchstaben neu erfinden müssen. Die meisten lehnten wie Betrunkene aneinander, andere schwebten über der schiefen Reihe, als wollten sie davonfliegen. (Ingomar von Kieseritzky: Kleiner Reiseführer ins Nichts, S. 169)

[Physiotherapie] Diese Person mit der Aura eines Lazarus nach einer mißglückten Geschlechtsum- wandlung nahm sich nun mit gesträubtem Schnurrbart - wohl zu viele männliche Hormone - meines armen Vaters an, zog ihm die Pfühle vom Leib weg, rollte ihn auf den Bauch, krempelte sein Nachthemd zum Nacken und begann, ihn mit großer Sanftheit und Zärtlichkeit bis zu den Vogelknochen seiner Schulterblätter zu massieren. (Ingomar von Kieseritzky: Kleiner Reiseführer ins Nichts, S. 143)

[Übung] Im Garten sang eine junge Amsel, die ihr Repertoir noch nicht richtig kannte. (Ingomar von Kieseritzky: Kleiner Reiseführer ins Nichts, S. 117)

[Trauer] Der Schmerz war so umfassend, daß ich mir eine Getränkekette des Vergessens auf dem Schreibtisch aufbaute - einer Flasche Port folgte ein Glas Gin, dann wieder Port uswf. -, bis die Flaschen leer waren. Ich trauerte systematisch, Glas nach Glas. (Ingomar von Kieseritzky: Kleiner Reiseführer ins Nichts, S. 13)

[Gewißheiten] Sie glaubte an seine Untreue wie ein Christ an die Existenz Gottes. Bloß glaubt ein Christ an Gott in der vollkommenen Gewißheit, diesen niemals zu Gesicht zu bekommen. Über der Vorstellung, Klima heute mit einer fremden Frau zu sehen, verspürte sie das gleiche Entsetzen wie ein Christ, dem der Herr telefonisch mitteilt, er werde zu ihm zum Mittagessen kommen. (Milan Kundera: Abschiedswalzer, S. 148f.)

[Hunde] Jakub hielt das Lenkrad, und auf dem Beifahrersitz saß Bobesch, der ihm immer wieder den Kopf zuwandte und ihn leckte. (...) Jakub streichelte Bobesch, der zufrieden in die Gegend guckte, und er dachte, daß Gott Hunden gegenüber barmherzig gewesen war, weil er keinen Schönheitssinn in ihre Köpfe gelegt hätte. (Milan Kundera: Abschiedswalzer, S. 134)

[Definition] Ein blumiger Stil ist mir zuwider, wenn er herhalten muß, um irgendeinen Mangel zu verdecken, wenn nichts dahinter steckt. Kommt er aus dem Überschwang, hab' ich noch niemals etwas dagegen gehabt. Dann ist etwas nicht blumig, sondern nur stark in der Farbe. (Willa Cather: Das Haus des Professors, S. 43)

[Kinder] Warum also bin ich allein geblieben und habe keine Kinder? Diese Frage ist kein Trugschluß! Beruflich mache ich meinen Weg, das steht fest, aber privat - was hab ich da vorzuweisen? Auf dieser Erde sollten Kinder spielen, die mir ähnlich sehen! Warum nicht? Warum hat jeder Stinker mit Spiegelglasfenstern und einer eigenen Garage Nachkommenschaft und ich nicht? Das ist absurd! Wenn ich daran denke: das halbe Rennen ist gemacht, und ich stehe immer noch am Start. (Philip Roth: Portnoys Beschwerden, S. 224)

[Sprache] Mein Gott! Die Sprache ermöglicht also eine Verständigung! Ein Gespräch ist nicht bloß ein Kreuzfeuer, in dem man schießt und beschossen wird! Bei dem man sich ducken muß, um sein Leben zu retten, und scharf zielt, um zu töten! Worte sind nicht bloß Kugeln und Granaten - nein, sie sind kleine Geschenke, die einen Sinn enthalten! (Philip Roth: Portnoys Beschwerden, S. 217)

[Momente] So wie damals in meinem Apartment in Yellow Springs, an jenem warmen Frühlingsabend, in Halbrock und Büstenhalter, mit Mehl in den Ohren und feuchtem Haaransatz - weißt du noch? Um mir, trotz der Hotze, zu zeigen, wie richtiges Brot schmecken soll? Du hättest mein Herz mit hineinkneten können - so weich war es vor Rührung! (Philip Roth: Portnoys Beschwerden, S. 213)

[Elite] "Das ganze Unglück liegt darin", fuhr Skreta nach einer langen, nachdenklichen Pause fort, "daß der Mensch von Idioten umgeben ist. Kann ich denn in dieser Stadt jemanden um Rat bitten? Ein intelligenter Mensch wird in eine absolute Verbannung hinein geboren." (Milan Kundera: Abschiedswalzer, S. 120)

[Angewohnheiten] "Gedichte kann ich überhaupt erst richtig vorlesen, wenn ich so ganz leicht=ä - illuminiert bin : Ihr wißt, ich saufe strategisch." (Arno Schmidt: Der Sonn' entgegen)

[Kompliment] Wenn ich ein Blitz wäre, würde ich immer nur in Sie schlagen! (Arno Schmidt: Schwänze)

[Good Guy] Warum muß die kleinste Abweichung von den konventionellen Anstandsregeln mir solche Höllenqualen bereiten? (Philip Roth: Portnoys Beschwerden, S. 123)

[Gebote] Nun, vielleicht lag es am Hummer. Vielleicht hat die Verletzung dieses Tabus, die so leicht und einfach vor sich ging, der glitschig-selbstmörderisch-dionysischen Seite meines Wesens den Rücken gestärkt; es mag mir plötzlich klar geworden sein, daß man, um ein Gebot zu brechen, nichts anderes zu tun braucht, als hinzugehn und es zu brechen! (Philip Roth: Portnoys Beschwerden, S. 80)

[Jüdisch] Aber du bist ein Jude, sagt meine Schwester. Du bist ein jüdischer junge, jüdischer, als dir bewußt ist, und machst dich mit deinem Treiben bloß unglücklich; du tust nichts anderes, als gegen den Wind zu brüllen... Durch meine Tränen sehe ich sie am Fußende meines Bettes sitzen und mir mein Dilemma erläutern. Ich bin vierzehn, sie ist achtzehn und absolviert ihr erstes Jahr am Städtischen Lehrerseminar, ein großes, dickes Mädchen mit kränklicher Gesichtsfarbe, das aus jeder Pore Melancholie ausdünstet. (Philip Roth: Portnoys Beschwerden, S. 77)

[Normalität] Mutter befürchtete, daß er ein sonderbares Kind sei, obwohl sie dieses Gefühl niemandem mitteilte, nicht einmal Vater. Jedes Anzeichen dafür, daß an ihrem Sohn nicht außerordentlich war, machte ihr neuen Mut. (E.L. Doctorow: Ragtime, S. 90f)

[Anforderungen] Alles, was er konnte, war, sein Leben dem ihren zu widmen und sich zu bemühen, ihr jede Laune zu erfüllen. Sie liebte ihn, aber sie wünschte sich jemanden, der sie schlecht behandelte und den sie schlecht behandeln konnte. Sie sehnte sich nach einer Herausforderung ihrer Intelligenz, sie sehnte sich danach, ihren Ehrgeiz wieder gereizt zu finden. (E.L. Doctorow: Ragtime, S. 72)

[System] Vater wahrte die Kontrolle über sich, indem er sein Tagebuch führte. Auch das war ein System, das System von Sprache und Begriffsbildung. Es beruhte auf der These, daß Menschen mit dem Akt des Zeugnisablegens die Grenzen von Zeit und Ort, in denen sie ihr Leben verbrachten, überschritten und sich in anderen Zeiten und an anderen Orten Gegenwärtigkeit sicherten. (E.L. Doctorow: Ragtime, S. 10)

[Stufe] Er hatte jenes Alter an Wissen und Weisheit erreicht, das Erwachsene bei Kindern nicht erwarten und folgloch übersehen. (E.L. Doctorow: Ragtime, S. 10)

[Erfolg] Das Fernsehpublikum war, wie immer bei religiösen Themen, schließlich in zwei Lager gespalten, ein sicheres Zeichen für den Erfolg einer Sendung. (Muriel Spark: Symposium, S. 7)

[Qualitäten] Chris hatte einen Zettel mit Notizen zu dem geplanten Dinner in der Hand, denn wie immer planten sie dieses sehr gründlich. (...) "Wer steht sonst noch fest?" fragte Hurley. "Roland Sykes." "Ach, der schwermütige Schwule." "Aber auf Partys gut zu gebrauchen", sagte sie. "Du kannst ihn neben einen Baumstamm setzen, und er wird ihn unterhalten." (Muriel Spark: Symposium, S. 36)

[Ehe] Seine zwei vorherigen Ehen und Scheidungen waren vorbeigefegt wie Stürme auf ehedem bewegter See. (Muriel Spark: Symposium, S. 7)

[Unkenntnis] Alles in allem: er war ahnungslos und zufrieden. Beides sollte ein Dichter nie sein. Er war unbesorgt aus Unwissenheit. "Wenn ein Leiden unbekannt ist", sagte die geistreiche Marcelle Sauvageot in ihrem Büchlein 'Kommentar', "hat man mehr Kraft, ihm zu widerstehen, weil man seine Macht noch nicht kennt... Aber wenn man es kennt, möchte man sehr um ein Erbarmen flehen..." (Heimito von Doderer: Die Merowinger, S. 137)

[Genießen] Doch gibt es ja nichts Doppeldeutigeres als das menschliche Genußleben, das auf allen seinen Ebenen oder Stockwerken am besten versinnbildlicht werden könnte durch die Figur eines Menschen, der köstlichen Käse speist und sich dabei die Nase zuhält. (Heimito von Doderer: Die Merowinger, S. 134)

[Statistik] Horn war im Wesentlichen, seiner geistigen Veranlagung nach, Statistiker. Die Statistik als Methode kann, infolge einer dabei immer bestehenden Gefahr der Haarspaltung, sehr leicht zur Geisteskrankheit führen, ja manchen behaupten, sie sei überhaupt schon das Symptom einer solchen. Dieses wird sich dann vornehmlich darin zeigen, daß jemand nicht mehr das Notwendige und das Überflüssige auseinanderzuhalten vermag (im großen kann man das innerhalb jedes totalen Staates beobachten). (Heimito von Doderer: Die Merowinger, S. 113)

[Modifikation] Sas hatte sich ein metaphysisches Weltbild erarbeitet, aus dem er die Metaphysik dann eliminierte, weil er statt an Gott an Konsumgüter glaubte. Demzufolge lebte er selbst in einem Jammertal - allerdings aus freien Stücken. (Imre Kertesz: Fiasko, S. 120)

[Entstehung] Ich bin die Verdinglichung des Liebesaktes von zwei Menschen, die sich nicht liebten; vielleicht die Frucht einer nachgiebigen Nacht. Hipp-Hopp, war ich auf einmal da. Gnade der Natur, bevor es sich auch nur einer von uns hätte besser überlegen können. (Imre Kertesz: Fiasko, S. 111)

[Prinzip] Ich spreche von der wundervollen Überlegenheit, die jeder empfindet, wenn er vor einem Versager steht, der sich gerade offenbaren muß. Man muß beileibe keine Sadist sein, um sich daran zu erfreuen, wie ein anderer zerbricht. Das grundlegende Prinzip unseres Daseins ist der Ausschluß der anderen. Jeder ist ein potentieller Gegener, der einem etwas wegnehmen könnte, also freut man sich, wenn es ihn erwischt. (Georg M. Oswald: Alles was zählt, S.90)

[Schicksal] Die Zwängler hatte zur Feier des Tages einen Fruchtpunsch angesetzt, der kräftig durchgegoren ist. Ich bemerke, daß sich die Gäste beim Trinken vor Widerwillen schütteln, aber natürlich sagt niemand etwas, niemand will der Jubilarin zu nahe treten. Das übrigens scheint überhaupt das Schicksal der Zwängler zu sein, daß ihr niemand zu nahe treten will. (Georg M. Oswald: Alles was zählt, S.79)

[Blicke] Sie sah mir fest in die Augen mit Ernst und mit Härte, als gäbe es da eine Voruntersuchung zum Jüngsten Gericht. (Anna Seghers: Transit, S. 185)

[Irrtümer] Ich hasse Irrtümer von ganzem Herzen, Irrtümer in Begegnungen. Verwechslungen und Irrtümer sind mir zuwider, soweit sie mich selbst betreffen. Ich neige sogar dazu, allen menschlichen Begegnungen übermäßige Bedeutung zu schenken, als seien sie höheren Orts angeordnet, als seien sie unentrinnbar. Im Unentrinnbaren, nicht wahr, darf es keine Verwechslungen geben. (Anna Seghers: Transit, S. 174)

[Harter Brocken] Er warf mir einen raschen Blick zu, dem ich entnahm, wie sehr er mich überschätzte, nur weil er mich für den Freund von Heinz hielt. Der Blick aus seinem Mausegesicht verblüffte mich. Wenn es Heinz wahrhaftig gelungen war, diesen Burschen zu einer uneigennützigen Handlung zu bewegen, dann war das Wasser, das Moses aus dem Felsen geschlagen hatte, die pure Spielerei. (Anna Seghers: Transit, S. 168)

[So wenig] Ich fühlte, daß alle drei mich litten, und ich, ich war dankbar. Man macht ja gewöhnlich viel Aufhebens von dem Beginn einer großen Liebe. Doch eine Geborgenheit von ein paar Stunden, eine unvermutete Geborgenheit, ein Tisch, an dem man für dich auseinanderrückt, das ist es, was einen hält, das ist es, warum man doch nicht zugrunde geht. (Anna Seghers: Transit, S. 54)

[Glück zu leben] Wie ich begriff, daß das, was blau leuchtete am Ende der Cannebiere, bereits das Meer war, der Alte Hafen, da spürte ich endlich wieder nach soviel Unsinn und Elend das einzige wirkliche Glück, das jedem Menschen in jeder Sekunde zugänglich ist: das Glück, zu leben. (Anna Seghers: Transit, S. 38)

[Feindliche Welt] Seine Erzählung war eine Anklage, eine verzweifelte Anklage jener unbegreiflich harten und dunklen Gewalt, von der die Welt regiert wird auf eine Art und Weise, die uns glauben macht, daß sie nichts will als unsere Vernichtung. (Luise Rinser: Eine dunkel Geschichte)

[Anstelle von] Bei der Beerdigung regnete es in Strömen, aber das Wetter hatte nicht vermocht, die Leute abzuschrecken. Die halbe Stadt war gekommen, und viele weinten, auch Männer. Ich glaube, sie weinten nicht so sehr über den Tod des alten Mannes, als über ein Schicksal, das dem ihren glich: sie alle fühlten sich betrogen vom Leben, und als sie den alten Mann begruben, dessen Schicksal sie kannten, da waren sie alle selbst dieser alte Mann, dem das Leben so viel schuldig geblieben war und auf den sie nun schwere Brocken nasser Erde warfen. (Luise Rinser: Ein alter Mensch stirbt)

[Leidenschaft] Dann aber nahm sie Anna den Zirkel aus der Hand und sagte: "Also weißt du, ich will dir etwas sagen: man könnte sich ärgern über dich. Leidenschaft und Liebe sind da, sind einfach da, weder schlecht noch fein. Aber du, du magst nicht menschlich sein, Du genierst dich vor einem ästhetischen Schiedsrichter in dir. Einmal dich aufgeben, einmal eine Überschwemmung riskieren, ist das so schlimm? Das ist doch das Rührende an jedem Menschen, daß er manchmal geschlagen wird und am Ende seiner Kraft zu sein glaubt." (Luise Rinser: Anna)

[Regen] Der kühle, milde Regen rauschte erfrischend über das Land, begoß die Bäume und Pflanzen, platschte auf das Wasser und pladderte auf das Dach. Es ware eine Wassersymphonie. (Felix Timmermans, Pallieter, S. 42)

[Beschreibung] Die Direktorin war eine kleine Frau, von der das Alter gerade noch das übrig gelassen zu haben schien, was unbedingt notwendig war zum Leben, Sprechen und Wollen. (Julien Green: Louisa, S. 204)

[Können] Toni ist raffiniert, und sie hat Persönlichkeit. Früher hat sie Kinderlexika an der Haustür verkauft. Und sie brachte ihn dazu, zu unterschreiben, obwohl er keine Kinder hatte. (Raymond Carver: Würdest du endlich still sein, bitte, S. 275)

[Leben] Das ist das Leben: daß wir es nicht verstehen, daß wir von Tag zu Tag weniger begreifen davon, daß der Haufen der Ungereimtheiten jeden Morgen größer ist, daß wir alternd tiefer und tiefer darin versinken, schnappend nach Luft, nach Lust, daß unsere Augen trüb und stumpf werden, müde, daß wir die Hände über dem Bauch falten und vor uns hindösen, daß wir aus dem Halbschlaf aufschrecken und uns räuspern. (Matthias Zschokke: Der dicke Dichter, S. 13)

[Beispiel] Wer stellt sich das Leben einer Verkäuferin schwer vor, wer betritt manchmal einen Supermarkt und kauft eine unnütze Kleinigkeit, bloß um in das Gesicht so einer Kassierein schauen und ihre von den Verpackungen schmutzig gewordenen Hände anstarren zu können, die kräftige Figur, auf deren abgebrochenen Fingernägeln der rote Lack in rissigen Plakaten klebt, wer verläßt danach den Supermarkt, in sentimentale Träumerein versunken. (Matthias Zschokke: Der dicke Dichter, S. 59)

[Wie alle] Bei meinem Bäcker links über die Straße habe ich heute früh Pfannkuchen gekauft, weil sich das zu Silvester so gehört. Ich liebe zu tun, was sich gehört. Ich leide, wenn ich nicht weiß, was sich gehört. Meistens weiß ich es nicht, und ich stehe dann da, nage an meinen Lippen, der Schweiß schießt mir unter die Arme. Nun liegen die Pfannkuchen auf dem Fensterbrett. Einen halben habe ich gegessen. Abscheulich. Wohl etwas von den Dingen, die früher besser waren. Ernüchternd. (Matthias Zschokke: Der dicke Dichter, S. 38)

[Alzheimer] Wie es Hans mittlerweile so oft passierte, vergaß der alte Mann mit dem eindrucksvollen weißen Poetenhaar just in dem Augenblick, in dem er etwas erzählen wollte, was er erzählen wollte. Außerdem war er durchaus imstande zu vergessen, daß er der Erzähler war. Er konnte plötzlich die Pose des interessierten Zuhörers einnehmen, wenn seine Zuhörer gerade gespannt auf die Pointe warteten. (Lars Gustafsson: Die dritte Rochade des Bernard Foy, S. 349)

[Vergessen] Es ist keineswegs gleichgültig, in welcher Reihenfolge man vergißt, sagte sich Bernard. Ein einigermaßen systematisches Vergessen ist ebenso wichtig wie das einigermaßen systematische Lernen. Wer in der falschen Reihenfolge vergißt, ist dazu verurteilt, seine Würde zu verlieren. (Lars Gustafsson: Die dritte Rochade des Bernard Foy, S. 20)

[Liebe] Bernard Foy war einst ein zwar nicht großartiger, aber immerhin gründlicher Liebhaber gewesen. (Lars Gustafsson: Die dritte Rochade des Bernard Foy, S. 218)

[Dichter] Da er ein wirklicher Dichter war, brauchen wir nicht eigens zu betonen, welch ein vieldeutiges Verhältnis er zu seinen eigenen Problemen hatte. (Lars Gustafsson: Die dritte Rochade des Bernard Foy, S. 173)

[Befürchtungen] In letzter Zeit, zumal in diesem Winter, litt er unter ganz ungewohnten, merkwürdigen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses (...) Es ging doch hoffentlich nichts ernstlich kaputt in der dünnen, exzentrischen Membran von Nervenfasern, durchtränkt von bizarren Chemikalien und vermutlich tiefgreifend geschädigt von lebenslangem Whiskeytrinken, Nachtwachen und dicken Zigarren, die vorerst noch sein Gehirn war. (Lars Gustafsson: Die dritte Rochade des Bernard Foy, S. 171)

[Gott] Mit achtzig sollte man sich nicht bei Gott beklagen, zumal wenn er gar nicht existiert. (Isaac B. Singer: Meschugge, S. 106)

[Sprache] Ich hatte bei der Paarung von Pferden und Rindern und von Löwen im Zoo zugesehen. Sie taten, was sie tun mußten, und widmeten sich dann wieder ihren üblichen animalischen Beschäftigungen. Das kommt daher, so sagte ich mir, daß Tiere nicht sprechen können - im Gegensatz zu Männern und Frauen, für die die Sprache ein Instrument der Wollust ist. Mit Worten drücken sie ihre Sehnsüchte aus, ihre Bedürfnisse und alles, was schon geschehen ist und was geschehen hätte können. (Isaac B. Singer: Meschugge, S. 88)

[Augenblick] Halte die Zeit! Überwache sie, jede Stunde, jede Minute! Unbeaufsichtigt, entschlüpft sie, dem Eidechslein gleich, glatt und treulos, ein Nixenweib. Heilige den Augenblick! Gib ihm Helligkeit, Bedeutung, Gewicht durch Bewußtsein, durch redlich-würdigste Erfüllung. (Thomas Mann: Lotte in Weimar)

[Rätsel] Was ist Erinnerung? Ein Rätsel wie alles andere. Ich hatte einmal gehofft, im Alter Frieden zu finden, aber ich bin von so viel Rätselhaftem umgeben, daß von Frieden keine Rede sein kann. Beklommen schlafe ich ein, beklommen wache ich auf. Meine Träume sind das allergrößte Rätsel. (Isaac B. Singer: Meschugge, S. 19)

[Liebe] Warum es verleugnen. Ich liebe sie auch. Ich zähle zu den Männern, die sich in jede Frau zwischen zwölf und neunundnachtzig verlieben. (Isaac B. Singer: Meschugge, S. 14)

[Glück] Max Aberdam legte seine Zigarre hin, zog ein Metalldöschen aus der Tasche, nahm zwei Pillen heraus und kippte sie in den Mund. Dann griff er nach einem Glas Wasser, trank einen Schluck und sagte: "Ich lebe von Pillen und vom Glauben - nicht an Gott, sondern an mein eigenes irres Glück. (Isaac B. Singer: Meschugge, S. 12)

[Meschugge] Daß die Juden meschugge sind, habe ich schon immer gewußt, aber daß sie es fertig bringen würden, in China eine Jeschiwa zu gründen, wo sie sich mit Haarspaltereien über "ein Ei, das an einem Feiertag gelegt wurde" abgaben, während ihre Familien in die Gaskammern getrieben wurden - das hätte ich mir nie träumen lassen. (Isaac B. Singer: Meschugge, S. 10)

[Ratgeber] Seit ich mit meiner Ratgeberkolumne begonnen habe, kamen oft recht sonderbare Typen zu mir ins Büro: verzweifelte Ehefrauen verschwundener Ehemänner; junge Burschen mit Plänen für die Erlösung der Welt; Leser, die überzeugt waren, eine erstaunliche Entdeckung gemacht zu haben. Ein Besucher hatte mir vertraulich mitgeteilt, daß Stalin eine Reinkarnation Hamans sei. (Isaac B. Singer: Meschugge, S. 8)

[Unumgänglich] Im allgemeinen habe ich von den Männern eine völlig teratologische Vorstellung. Bedauerlich, aber unumgänglich wie Damenbinden oder Hustenpastillen. (Julio Cortazar: Die Gewinner: S. 286)

[Ritual] "Als kleiner Junge war ich vom Friseur genauso beeindruckt wie in der Kirche", sagte Lopez. §Es war irgendwie geheimnisvoll, wenn der Friseur einen besonderen Stuhl anschleppte, dann das Gefühl einer Hand, die meinen Kopf wie ein Kokosnuß umklammerte und ihn von einer Seite zur anderen drehte... Ja, ein Ritual." (Julio Cortazar: Die Gewinner: S. 29)

[Frauen] "Über Literatur redest du vernünftiger als über Gefühle, was bei Frauen übrigens ziemlich häufig der Fall ist. Ich weiß schon, du wirst sagen, das beweise nur, daß ich nichts von Frauen verstehe. Spar die den Kommentar." (Julio Cortazar: Die Gewinner: S. 235)

[Erinnerung] "Das ist so meine Art von Sentimentalität; ich würde einen Umweg von zehn Häuserblocks machen, um nicht unter den Balkons einer Wohnung durchzumüssen, wo ich einmal glücklich war. Ich fliehe nicht vor der Erinnerung, aber genauswenig pflege ich sie; im übrigen kommt bei mir das Unglück wie das Glück stets auf leisen Sohlen." (Julio Cortazar: Die Gewinner: S. 204)

[Frauen] "Ich weiß, die Männer weichen erschrocken vor den allzu klassischen Frauen zurück", sagte Claudia. "Aber immer nur, bevor sie sie heiraten." (Julio Cortazar: Die Gewinner: S. 160)

[Jugend] Er machte sich konzentriert an die Aufgabe, ein hartgekochtes Ei zu verspeisen, wobei er verstohlen zum Tisch seiner Familie hinüberblickte. Paula beobachtete ihn zwischen zwei Rauchwolken. Weder besser noch schlechter als die anderen; es schien, als mache Jugend sie alle gleich, unterschiedlos starrköpfig, grausam und reizend. (Julio Cortazar: Die Gewinner: S. 110)

[Glück] Es hat mir nie etwas ausgemacht, daß Glück nicht lange dauert, Paulita; der Übergang vom Glück zur Gewohnheit ist eine der besten Waffen des Todes. (Julio Cortazar: Die Gewinner: S. 66)

[Wirkung] "Ist dir schon einmal aufgefallen", unterbrach sich Olinda, "daß die dümmsten Argumente häufig die größte Wirkung zeigen. Ich nehme an durch die Verblüffung, die sie erregen." (Sibylle Mulot: Liebeserklärungen, S. 142)

[Schwächlich] "Ich krieg die verdammte Flasche nicht auf. Ich hasse diese jungen Weine." Sie schob ihn weg. "Laß mich mal, du holst dir ja einen Leistenbruch, wenn du nur an einer Filterzigarette ziehst." (Bjarne Reuter: Am Ende des Tages, S. 188)

[Kinder] Uns fehlt ein Kind, dachte er, ein Kind, das die Geschichte des Lebens noch mal von vorn erzählen darf. Ein kleines Kind mit einer völlig neuen Sprache, das alle Fragen stellen kann, deren Antwort wir bereits wissen. (Bjarne Reuter: Am Ende des Tages, S. 128)

[Sakrileg] "Wir müssen schließlich mit der Zeit gehen, Herr Johansen", hatte der Chefbademeister gesagt, ohne zu wissen, daß er damit die schlimmste aller möglichen Redewendungen benutzt hatte. (Bjarne Reuter: Am Ende des Tages, S. 70)

[Pfeifen] Er pfiff vor sich hin. Ein Mann, der pfeift, hat etwas Unantastbares an sich, eine Mischung aus höchster Konzentration und vollkommener Entspannung. (Bjarne Reuter: Am Ende des Tages, S. 66)

[Die Härtesten] Die Wäscherin Teresita bewies eine Erziehungsphilosophie, die intuitiv von Sparta oder Darwin inspiriert war und darin bestand, ihren Kindern beizubringen, daß sie leben müßten, zu beißen und gebissen zu werden, wenn sie daran interessiert waren, in diesem Dschungel zu überleben. (Mario Vargas Llosa: Tante Julia und er Kunstschreiber, S. 255)

[Alleinredner] Er sprach viel zu ernst, und ich merkte bald, daß es ihm kaum bewußt war, daß ich noch da war, er gehörte zu den Menschen, die keine Gesprächspartner zulassen, sondern nur Zuhörer. (Mario Vargas Llosa: Tante Julia und er Kunstschreiber, S. 47.)

[Ehehindernis] Ich habe auch nicht geheiratet, sicherlich deshalb, weil das meine Ordnung gestört hätte. Ich hätte es ganz und gar nicht ertragen, daß meine Frau die Sachen nach ihrem Gutdünken verstaute, daß überall in der Wohnung allerlei Flitterkram und Schminkzeug herumläge. (Jiri Weil: Leben mit dem Stern, S. 163)

[Vergeßlichkeit] Er besaß die Tugend, seine Pläne mit der gleichen Begeisterung zu vergessen, die er gebraucht hatte, um sie zu ersinnen. (Gabriel Garcia Marquez: In diesem Dorf gibt es keine Diebe)

[Aussehen] Sie war älter als er, mit sehr bleicher Haut, und ihre Bewegungen verrieten die geschmeidige Geschicklichkeit von Menschen, die sich im Leben auskennen. (Gabriel Garcia Marquez: In diesem Dorf gibt es keine Diebe)

[Humoristen] Aber es gab einst, und zwar bevor die Menschheit Fernsehen in Überdosis in sich hineinzuschaufeln begann, ein paar sehr geistreiche Kerle. Voltaire, Tucholsky oder sogar Franz Molnár aus Budapest, der sich gerne damit brüstete, daß seine Geliebte zwar mit jedem schliefe, aber für Geld nur mit ihm. Das war die Zeit der großen Humoristen. (Ephraim Kishon: Eintagsfliegen leben länger)

[Reservemann:] Ein Bleistift, den man mit dem besten Werkzeug anspitzt, um schließlich keinen einzigen Punkt mit ihm zu setzen. (Stanislaw Lem: Der Schnupfen)

[Peinlich] ... mir weniger peinlich, ein Kilo Kondome in der Apotheke zu kaufen als eine Bildzeitung am Kiosk. (Joseph von Westphalen: So sind wir nicht, S. 122)

[Verborgen] Übrigens handelt es sich hier um eine Beichte, die niemand kennt. Man würde mich damit ausgelacht haben. Spottet man nicht über die, welche lieben? Denn die Menschen halten das für eine Schande. Aus Scham oder aus Egoismus verbirgt jeder das Beste und Zarteste seiner Seele. Um sich Achtung zu verschaffen, darf man nur seine häßlichen Seiten zeigen; dadurch ist man auf der allgemeinen Höhe. (Gustav Flaubert: November, S. 98)

[Chaos Leben] Da ich das Dasein nicht nutzte, nutzte mich das Dasein ab. Meine Träume ermüdeten mich mehr als schwere Arbeit. Eine ganze regungslose, sich selbst unverständliche Welt lebte ihr dumpfes Dasein unter meinem Leben. Ich war ein schlummerndes Chaos von tausend fruchtbaren Keimen, die nicht ans Licht zu kommen wagten noch mit sich selbst etwas anzufangen wußten. Sie wollten Formen annehmen und warteten auf ihre Gestaltung. (Gustav Flaubert: November, S. 29)

[Trügerisch] Gleichzeitig dachte er sich eine wirksame Art aus, sich am Universum zu rächen, preßte die Hände an das halte Eisengeländer, trügerische Stadt, dachte er, bis ins Mark verottet trügerisch, so viele Häuser und so viele Straßen voller Halunken und Arschlöcher. (Antonio Lobo Antunes: Die Vögel kommen zurück, S. 76)

[Beziehungen] "Bis Sonntag, Mutter", sagte er und dachte, Nie ist es Jetzt zwischen uns, immer ist es bis Sonntag, bis Freitag, bis Dienstag, bis zum nächsten Monat, bis zum nächsten Jahr, aber wir vermeiden es sorgsam, einander gegenüberzutreten, wir haben Angst voreinander, Angst vor dem, was wir füreinander ampfinden, Angst zu sagen, Ich habe dich lieb. (Antonio Lobo Antunes: Die Vögel kommen zurück, S. 21)

[Komplimente] "Sir Godfrey, Komplimente laufen mir nicht so über den Weg, als daß ich es mir erlauben könnte, eins zu ignorieren. Und gerade die Komplimente, die wir theoretisch gar nicht verdienen, gehen uns um so lieblicher ein." (Ivy Compton-Burnett: Männer und Frauen, S. 172)

[Bad News] Anscheinend braucht etwas nur zu passieren, und schon ist es an allen vier Weltecken bekannt. Gute Nachrichten reisen nicht so schnell. Das hätte längst einmal gesagt werden müssen, falls es noch niemand gesagt. Es müßte ein Sprichwort sein. Wenn es noch keins war, dann habe ich also eins geprägt. (Ivy Compton-Burnett: Männer und Frauen, S. 161)

[Selbstmord] "Für mich war es immer ein Beweis für die Gleichheit der Geschlechter, daß Frauen ebensogut Selbstmord begehen wir Männer", sagte Geraldine mit einem Anlauf von Kühnheit. "Ich habe absolut nichts gegen Selbstmord, nur gegen das Hinterlassen von Briefen", sagte Mellicent. "Es ist ungezogen, einen Brief zu schreiben, und sich zugleich dem Risiko einer Antwort nicht zu stellen. (Ivy Compton-Burnett: Männer und Frauen, S. 116)

[Frauen] Kein Wunder, daß Frauen auf andere Frauen eifersüchtig sind, da sie sie so oft glänzen sehen; und Männer haben einen guten Vorwand, sie deswegen zu verachten. (Ivy Compton-Burnett: Männer und Frauen, S. 111)

[Zeichen] Buttermere stand mit dem Rücken zum Licht - eine lebende Illustration seiner diesbezüglichen Erfahrungen. (Ivy Compton-Burnett: Männer und Frauen, S. 5)

[Ehe] Man tötet mit Küssen oder mit Ideen, und dies alles nur, weil man Angst vor dem Alleinsein hat. Oh, dieser lächerliche, gefräßige Irrtum, aus zwei eins machen zu wollen. (Hans Sahl: Die Wenigen und die Vielen, S. 174)

[Der dritte Weg] Moses hat gesagt: 'Auge um Auge, Zahn um Zahn'; Christus hat gesagt: 'Halte deine Wange den Beleidigungen hin und erhebe deine Arme zum Kreuz'. Uns fehlt eine dritte Offenbarung, welche die beiden ersten in Übereinstimmung bringt. Sich rächen heißt, Böses tun, sich ergeben heißt, es rechtfertigen. Man muß ein Mittel finden, zu korrigieren, ohne zu strafen, und mit Waffen zu kämpfen, die nicht verletzen. (George Sand: Nanon, S. 121)

[Aussehen] In früher Jugend mochte sich Eleonora Karpowna durch jene Eigenschaft ausgezeichnet haben, die die Franzosen, wer weiß warum, "Schönheit des Teufels" nennen, durch eine gewisse Frische also. Doch als ich sie kennenlernte, erinnerte ihr Anblick unwillkürlich an ein gutes Stück Rindfleisch, das der Fleischer soeben auf einem sauberen Marmortisch ausgebreitet hat. (Iwan Turgenjew: Erste Liebe, Erzählungen, S. 217)

[Ehe] Nach sechs Jahren Ehe sah ich meine Freundin nicht etwa enttäuscht, denn nie hatte sie Begeisterung gezeigt, sondern außerstande, selbst vor Außenstehenden die Gereiztheit zu verbergen, die uns immer jene einflößen, die in unseren Augen überflüssig sind. (Javier Marias: Als ich sterblich war, S. 19)

[Im Schlaf] Kaplan liebte die unschuldigen Gesichter schlafender Menschen. Es wäre besser um die Welt bestellt, wenn jeder seine Entscheidungen im Schlaf treffen würde, ging ihm durch den Kopf, als er die Tür hinter sich schloß. (Leon de Winter Leo Kaplan, S. 180)

[Dialektik] Ein König hatte zwei Diener. Er befahl ihnen, dreißig Tage lang keinen Wein zu trinken. Da sagte der eine Diener: Warum nur dreißig Tage? Ich bin bereit, den Wein ein ganzes Jahr oder sogar zwei Jahre nicht anzurühren. Doch indem er das sagte, schwächte er den Befehl des Königs ab. Der andere Diener sagte: Wie kann ich auch nur eine Stunde ohne Wein leben? Und damit würdigte er den König. Das ist jüdisches Denken, Kaplan, von dem du keine Ahnung hast. (Leon de Winter Leo Kaplan, S. 176)

[Ehe] In der Ehe mit Evelien hatte Leo als der kleine Junge fungiert, dem die Mama erklärte, wie man über die Straße geht. (Leon de Winter Leo Kaplan, S. 44)

[Fähigkeiten] Wir alle verfügen über die schier unbegrenzte Fähigkeit, uns von unseren Wünschen narren zu lassen, zu hören, was wir hören wollen, und zu sehen, was wir uns unablässig als vergangen und verloren vorstellen - es ist dies ein beinahe allgemeingültiges menschliches Empfinden, das sehr leicht zu täuschen ist infolge seiner Übererregbarkeit und Unbeständigkeit. (Antonia S. Byatt: Besessen, S. 490)

[Müdigkeit] Das Augenlid meines linken Auges wollte die Arbeit für heute beenden. Da ich damit noch nicht einverstanden war, kompromißten wir uns auf weitere 10 Minuten, nach denen ich dann schließlich zu Bett gehen mußte. [X]

[Maslow] Der Teufel hole den ganzen Geßner, wenn Obst und Most mißraten und Milch und Honig rar sind in Arkadien! (Raabe, Wilhelm: Der Hungerpastor, S. 23)

[So und so] Alfred konnte ihr erklären, daß es ein Elternirrtum sei zu meinen, Kinder hätten dankbar zu sein dafür, daß sie geboren worden sind. Genausogut könnten Kinder aus diesem Geborenwordensein den Eltern einen lebenslangen Vorwurf machen. Wahrscheinlich sei es aber dem sogenannten Leben völlig egal, was Eltern und Kinder einander vorwürfen, es braucht Darsteller. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 449)

[Grüßen] Und diese bis zum Zauber grußstarke Frau! Wirklich, wenn die einen grüßte, hatte man das Gefühl, man sei zum ersten Mal gegrüßt worden. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 329)

[Fertigkeiten] In der Schule hatte er die Unterschriften der Eltern seiner Klassenkameraden so gut nachgemacht, daß die Eltern, dank seiner Fälscherfähigkeiten, vor der Peinlichkeit, unangenehme Schulmitteilungen zur Kenntnis nehmen und auch noch unterschreiben zu müssen, bewahrt werden konnten. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 291)

[Planen] Am Programm wollte sie nichts geändert wissen. Sie kannte Alfreds Leidenschaft: etwas Schönes so genau planen, daß man dann nicht nur das Schöne erlebt, sondern auch, wie alles klappt. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 245)

[Schön/Häßlich] Simone Weil zufolge weiß eine schöne Frau: "Das bin ich", wenn sie in den Spiegel sieht, und mit der gleichen Gewißheit weiß eine häßliche Frau: "Das bin nicht ich". (Antonia S. Byatt: Besessen, S. 76)

[Deutung] Pinkwart beantwortete ohnehin jeden Satz so, als habe man eine Aussage über das Geschlechtsleben gemacht. Egal, ob man sagte, man fühle sich mies oder wohl, für Pinkwart hatte es immer mit der letzten oder mit der nächsten Nacht zu tun. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 126)

[Morgens] Wenn er aufwachte, wünschte er, er sei noch nicht aufgewacht, er träume noch, daher werde er aufwachen in einer leichter zu ertragenden Wirklichkeit. Im Spiegel sah er jeden Morgen, daß sein Gesicht so schief und zerdrückt aussah. als sei er nachts mißhandelt worden. Mit viel kaltem Wasser versuchte er, es in eine weniger peinliche Form zu bringen. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 121)

[Dazugehören] Wenn man nicht dazugehört, ist man nicht sicher, wie etwas gemeint ist. Die Sprache setzt, um verständlich zu sein, Zugehörigkeit voraus. Gehört man nicht dazu, weiß man nie, ob nicht das Gegenteil gemeint ist. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 92)

[Verlust] Schon in der ersten Semesterwoche verschwand sein Fülleretui, der Füller selbst war aber da, also mußte das Etui in seinem Zimmer verschwunden sein. Er hatte es, auf Knien durchs Zimmer rutschend, gesucht. Er hatte einen Verdacht. Den mußte er bekämpfen. Er konnte nicht schon wieder auf Zimmersuche gehen. Aber selbst eine solche Kleinkatastrophe wie ein Etuiverlust zielte bei ihm gleich ins Zentrum seiner Existenz. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 78)

[Pessimismus] Er stellte sich vor den Spiegel und sagte: So sieht einer aus, der unter die Räder kommt. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 76)

[Musik] Sobald er Musik hörte, traute er sich wieder etwas zu. Musik ist das Gegenteil von im eigenen Saft schmoren. (Martin Walser: Die Verteidigung der Kindheit, S. 46)

[Anssichtssache] Mein dicker Onkel Hans von Welgck erzählte gern, wie sich der König eines Tages in einem Dorfe rasieren ließ. Der Barbier war so aufgeregt über die Ehre, die ihm widerfuhr, daß ihm die Hände zitterten und er den hohen Kunden in die Backe schnitt. "Das kommt vom vielen Saufen", sagte der König und meinte das Handzittern. "Ja", sagte der Barbier, "davon wird die Haut so spröde." (Ludwig Renn: Adel im Untergang, S. 30)

[Ohne Worte] Herr von ... hatte dort Haare, wo andre sich rühmen, nichts zu haben. (Ludwig Renn: Adel im Untergang, S. 328)

[Familie] Was sind wir doch für eine Familie, in der man so höflich ist, wo aber keiner dem andern anvertraut, wass ihn bedrückt. Wir teilen uns wohl Kleinigkeiten mit, aber über die Hauptsachen wird ein dickes Tuch gedeckt. Und alle in der Famile verhindern verbissen, daß jemand es hebt. - Oder ist das bei allen Leute so? Die Schwätzer klatschen sicher nur deshalb so unaufhörlich, um ihr wahres Innere zu verbergen. (Ludwig Renn: Adel im Untergang, S. 470f.)

[Diskrepanz] Aber man kann selbst des Besten zuviel bekommen, und immer Unschuld und Wohltätigkeit und nichts als Unschuld und Wohltätigkeit geschildert zu sehen, könnte zuletzt auch dem wärmsten Liebhaber von Unschuld und Wohltätigkeit lästig werden; zumal der Abstich der Menschen, mit denen wir's in unserm ganzen Leben zu tun haben, von den Bürgern dieses herrlichen Landes Nirgendswo gar zu auffallend und schreiend ist. (Christoph Martin Wieland: Das Hexameron von Rosenhain, S. 7)

[Bierernst] Er schwieg mit dem philosophischen Ernst von Bezechten, die schwer über etwas nachsinnen. (Guy de Maupassant: Im Olivenhain)

[Realität] Wenn wir morgens auf die Straße traten, war der Großvater wie jeder Künstler überzeugt, das Leben ist nicht wirklich. Aber das, sagte er, darfst du nicht sagen, da schicken sie dich nach Wermsdorf. Wer die Wahrheit geigt, dem schlägt man die Fiedel auf den Kopf. (Gert Hofmann: Der Kinoerzähler, S. 73)

[Ausgeschlossen] "Was für ein sonderbarer Mensch er ist", dachte Klara mit jenem beklemmenden Gefühl der Einsamkeit, das uns immer überfällt, wenn jemand, der uns teuer ist, sich einem Tagtraum hingibt, in dem wir keinen Platz haben. (Vladimir Nabokov: Maschenka, S. 122)

[Schauspielkunst] In ironischem Ton erteilte Claudia ihm eine Lektion in Schauspielkunst. Ihrer Meinung nach ging alles von den Darstellern ab. Manche seien in der Lage, die Seiten eines Adressbuches aufzusagen und die Zuschauer zum Lachen oder zum Weinen zu bringen. (Elie Wiesel: Die Richter, S. 45)

[Garten] Mir hörte man damals noch, wenn ich zum Beispiel Gaaden sagte, das Hamburger Hafenviertel an. Dagegen sagte der Onkel schon immer: Garrten, man hörte darin das Grün, die Vögel, einzelne Trauerweiden und den Zaun. Gaaden hingegen klingt nach einer Gegend, wo es keine Gärten gibt. (Uwe Timm: Kopfjäger, S. 154)

[Gaben] Während seines siebenjähriges Ehelebens hatte er sich daran gewöhnt, mißtrauisch zu sein, Kombinationen anzustellen, Beweise zu sammeln, und mehr als einmal war ihm der Gedanke gekommen, aus ihm könnte dank seiner häuslichen Erfahrungen ein ausgezeichneter Detektiv werden. (Anton Cechov: Rothschilds Geige, Erzählungen, S. 182)

[Lästig] Belokurov begann, langatmig und das E dehnend, von der Krankheit des Jahrhunderts zu sprechen - vom Pessimismus. Er sprach voller Überzeugung und in einem Ton, als stritte ich mit ihm. Hunderte Verst öder, eintöniger, ausgebrannter Steppe können einen nicht so melancholisch machen wie ein einziger Mensch, wenn er dasitzt und redet und man nicht weiß, wann er weggehen wird. (Anton Cechov: Rothschilds Geige, Erzählungen, S. 300)

[Wohnlage] "Da wo ich daheim bin - kein Mensch kommt dort jemals hin. Spielt ja auch keine Rolle. Die Hühner -", Burschi deutete auf das Skelett des halben Huhnes vor sich auf dem Blechteller und sagte bitter, "- die Hühner müssen bei uns daheim Steigeisen tragen, so steil sind die Wiesen. Und die Erdäpfel müssen auf dem Acker mit Ketten angehängt werden. So eine Gegend ist das." (Herbert Rosendorfer: Ballmanns Leiden, S. 152)

[Zuversicht] Thomas, nun schon volljährig, sollte nächstes Jahr Abitur machen. Es waren Zweifel angebracht, aber Thomas war zuversichtlich. "Auch Hitler", sagte Ballmann einmal, als darauf beim Essen die Rede kam, "war noch Anfang 1945 zuversichtlich." (Herbert Rosendorfer: Ballmanns Leiden, S. 25)

[Anforderungen] Der Münchener Oberbürgermeister darf um Himmels willen kein Antialkoholiker, der Hamburger kein Kostverächter, der Frankfurter wegen der Buchmesse kein Analphabet, der Kölner kein Protestant und der Berliner kein Bayer sein. (Alois Brandstetter: Der Leumund des Löwen, S. 81f.)

[Japan] Nicht alle Japanerinnen sind schön. Aber wenn eine mal schön ist, können alle anderen einpacken. (Amelie Nothomb: Mit Staunen und Zittern, S. 77)

[Stuhlgang] Wir sind nichts weiter als ein Rohrleitungssystem, sagen die Ärzte. Er hofft, daß er nie so weit kommt, sich Gedanken übers Scheißen machen zu müssen. Ma Springer hat gegen Ende über ihren Stuhlgang geredet, als ob es sich bei dem, was sie produzierte, um Familienerbstücke handelte, eins kostbarer als das andere. (John Updike: Rabbit in Ruhe. S. 627)

[Wasserreiche] Piraten von Anbeginn an, seit es Schiffe gibt, das Gesetz endet, wo das Land endet, der Mensch ist nichts da draußen, ein paar Luftblasen, wenn er untergeht in den turmhohen Wellen. (John Updike: Rabbit in Ruhe. S. 622)

[Computer] Ein Computer ist wie ein Franzose. Man hält ihn für intelligent, bis man seine Sprache versteht. Wenn man die Sprache versteht, merkt man, er ist dumm die Bohnenstroh. Schnell, das schon. Aber schnell ist nicht gleich intelligent. (John Updike: Rabbit in Ruhe. S. 462)

[Kinder] Abe trifft Izzy, sie haben sich lange nicht gesehen. Abe fragt: "Wieviel Kinder hast du?" Izzy sagt: "Keine." Sagt Abe: "Keine! Was tust du denn dann, um dir das Leben schwerzumachen?" (John Updike: Rabbit in Ruhe. S. 99)

[Kapitalismus] "Nach acht Jahren Regan hätte ich gedacht, daß mehr Leute sauer sind, stimmt aber nicht", sagt er. "Wenn man je die Armen in diesem Land dazu bewegen könnte, zur Wahl zu gehen, hätten wir den Sozialismus. Aber die Leute denken lieber in Kategorien des Reichtums. Das ist das Geniale am kapitalistischen System: etnweder man ist reich, oder man möchte es sein, oder man denkt, es stünde einem zu." (John Updike: Rabbit in Ruhe. S. 83)

[Zwei Wege] "Es gibt zwei Wege zum Glück", fährt er fort, als er wieder hinterm Steuer sitzt, "dafür arbeiten, Tag für Tag, wie du und ich es gemacht haben, oder eine chemische Abkürzung nehmen. Und so wie die Welt ist, wählen diese Kids die Abkürzung. Der lange Weg erscheint zu lang." "Ja nun, er ist lang. Und wenn du die ganze Strecke hinter dich gebracht hast, wo ist dann das Glück?" (John Updike: Rabbit in Ruhe. S. 80)

[Zweierlei] "Daddy ist sehr beschäftigt mit dem Geldverdienen, damit du all die Sachen haben kannst, die du dir wünschst", sagt Pru ihr im affektierten Ton einer Frau, die mit einer anderen die Geduld verliert. (John Updike: Rabbit in Ruhe. S. 66)

[American Life] "Fahren ist langweilig", gibt Harry kund, "aber wir tun's nun mal. Der größte Teil des amerikanischen Lebens besteht darin, daß man irgendwohin fährt und wieder zurück und sich fragt, warum zum Teufel man eigentlich hingefahren ist. (John Updike: Rabbit in Ruhe. S. 43)

[Dies Theater] Wer fünfzig, sechzig, siebzig Jahre lang gelebt hat und ums Verrecken nicht kapieren will, wer diese Welt regiert und wer sie auch zerfetzen wird, sei's heute oder morgen, dem hätte unser aller Herrgott statt Augen und statt Ohren gescheiter vier Löcher mehr am Steiß gemacht. Oft denke ich: Ist es denn möglich, daß es Leute gibt, die diesen ganzen schauderhaften Schwindel und dies Theater täglich mitverfolgen, ohne zu merken, was gespielt wird? (Markus Werner: Froschnacht, S. 81)

[Farben & Licht] Trübes Licht trübt das Gedächtnis. Rot wirkt auf Lupus. Farben beeinflussen den Charakter der Frauen, wenn sie einen haben. (James Joyce: Ulysses, S. 671)

[Tee] - Aber das muß ich schon sagen, Mulligan, du machst ja den Tee ganz schön stark, was? Buck Mulligan, eben dabei, dicke Scheiben vom Brotlaib zu säbeln, sagte mit der Schmeichelstimme einer alten Frau: - Wenn ich Tee mache, dann mache ich Tee, wie die olle Mutter Grogan sagte. Und wenn ich Wasser mache, dann mache ich Wasser. (James Joyce: Ulysses, S. 19)

[Methodik] Arme Mrs. Purefoy! Der Mann ist Methodist. Wahnsinn, doch mit Methode. Safrankuchen und Milch und Soda als Lunch in der Eductional Dairy. Ißt mit der Stoppuhr, zweiunddreißig Kaubewegungen in der Minute. Aber die Koteletten in seinem Hammelgesicht sind gewachsen. (James Joyce: Ulysses, S. 218)

[Eine Macke] Weißt du nicht, daß der ne Macke hat? Kuck dir doch bloß seinen Kopf mal an. Manchmal morgens muß er sich seinen Hut mit dem Schuhanzieher aufsetzen, verstehst du? (James Joyce: Ulysses, S. 434)

[Weinen] Dieser angespannte Ausdruck auf ihrem Gesicht! Ein nagender Kummer liegt die ganze Zeit schon darin. Ihre ganze Seele liegt in ihrem Augen, und Welten würde sie hingeben, um jetzt in der Abgeschiedenheit ihres vertrauten Kämmerleins zu sein, wo sie die Tränen fließen lassen und sich einmal richtig ausweinen konnte und ihre aufgestauten Gefühle erleichtern. Freilich auch nicht zu sehr, denn sie wußte vom Spiegel, wie weit sie gehen durfte beim Weinen, wenn es noch nett aussehen sollte. (James Joyce: Ulysses, S. 475)

[Glück gehabt] Pünktlich 4.06 Uhr steht er auf Bahnsteig 9 und schaut in Ruhe noch einmal auf den Fahrplan. Der Zug fährt 4.09 Uhr von Bahnsteig 6. Wilfried hört sein Rennen im Tunnel. Er bekommt den Zug. Wilfried kennt es eher so, daß er 4.09 Uhr auf Bahnsteig 6 gestanden hätte, und der Zug wäre 4.06 Uhr von Bahnsteig 9 gefahren. Also wenn sich hier nicht Glück ankündigt! (Wolfgang Rüb: Konzert für Stubenfliege und Orchester, S. 134)

[Geständnis] "Ich habe sogar zu einer gesagt: 'Ich mache jetzt mal ein Teilgeständnis: Ich liebe dich!' Und sie fragt: 'Und der andere Teil?' Und ich darauf: 'Ich liebe noch ein paar andere!'" (Wolfgang Rüb: Konzert für Stubenfliege und Orchester, S. 120)

[Gut geschätzt] Anton: "Ich behandle die Frauen gut, denn ich habe sie schätzen gelernt!" Wilfried: "Ich schätze sie auch sehr!" Anton: "Man muß sie jünger schätzen!" (Wolfgang Rüb: Konzert für Stubenfliege und Orchester, S. 88)

[Ehrfurcht] Der Musikwissenschaftler Stückrath hat eine Ehrfurcht vor Papier, daß er den Aufkleber auf seinem Kastenbrot regelmäßig mitfrißt. (Wolfgang Rüb: Konzert für Stubenfliege und Orchester, S. 81)

[Begnadet] Große Stücke auf sich halten zu dürfen, ist schon mehr als eine Gabe. Wenn das Wort "begnadet" nicht schon für die Bisexuellen weg wäre, man müßte es ihm schenken. (Wolfgang Rüb: Konzert für Stubenfliege und Orchester, S. 80)

[Dirigent] Der Dirigent läuft so schnell und zielbewußt ein, als habe er sich die ganze Zeit hinterm Vorhang über einen bestimmte Menschen geärgert und komme jetzt nur, um dem doch noch eine runterzuhauen. (Wolfgang Rüb: Konzert für Stubenfliege und Orchester, S. 72)

[Füttergenie] Bärbel hatte ihm einige Anweisungen für die Tage gegeben. Er wußte gar nicht, daß sie am Kinderzimmerfenster Vögel füttert. Ganz nebenbei und ohne erklärte Naturfreundin zu sein, bringt sie auch noch die Straßenvögel mit über den Winter! Sie ist eben ein Füttergenie. Kakteen kriegt sie nie zur Blüte, weil sie es nicht übers Herz bringt, sie von September bis Februar nicht zu gießen. (Wolfgang Rüb: Konzert für Stubenfliege und Orchester, S 41)

[Weihnachtlich] Tausende von Menschen mit Paketen unterm Arm und traurigen Lebensläufen auf den Gesichtern. Das Zeug ist schwer, er muß absetzen. Die Weihnachtsdekoration in einem Orthopädiegeschäft: Ein Holzbein, aus dem Tannengrün treibt, stapft durch tiefen Watteschnee. Aus der Ferne hört er Musik. Er fragt sich, warum Jungen, die in einem Chor singen, auf einmal wieder "Knaben" heißen ... (Wolfgang Rüb: Konzert für Stubenfliege und Orchester, S 13)

[Eine Art Liebe] Ich liebte diese Kreatur. Ich liebte sie mit Liebe, mit allen Arten der Liebe, mit himmlischer Liebe, mit menschlischer Liebe, mit tierischer Liebe, wie der heilige Antonius die Jungfrau Maria, wie Romeo sein Julia liebte, wie der Ziegenbock sein Weibchen liebt. Sie war dumm; sie war melancholisch. Ich löschte mit Wonne meine Heiterkeit in der Asche ihrer Melancholie, mit unsäglichem Vergnügen begrub ich meine Vernunft im Nebel ihrer Dummheit. (Jose Maria Eca de Queiroz: Stadt und Gebirg, S. 111)

[Diskrepanz] Da Farrokh im Rahmen seiner medizinischen Tätigkeit fast ausschließlich Gutes tat, war er schlecht auf das richtige Leben vorbereitet. Er beschäftigte sich in erster Linie mit Mißbildungen, Deformationen, Verletzungen bei Kindern und versuchte, die ursprünglich vorgesehene Funktionsfähigkeit ihrer kleinen Gelenke wiederherzustellen. Im richtigen Leben gab es kein so klares Ziel. (John Irving: Zirkuskind, S. 276)

[AIDS] ... gelangte zu der festen Überzeugung, daß es sich bei Aids um den gründlich durchdachten Versuch Gottes handelte, die natürliche Ordnung im Universum wiederherzustellen. Wie viele dumme Leute glaubte sie, diese Geißel der Menschheit sei eine von Gott geschickte Strafe für die vom rechten Weg abgekommenen Homosexuellen. Eigentlich war das ein bemerkenswerter Gedanke für eine Frau, die nicht genug Phantasie besaß, um an Gott zu glauben. (John Irving: Zirkuskind, S. 190)

[Stuhlgang] Dann war da noch die Sache mit der Latrine. Ein Heer von Filmkulis - Schlägertypen mit Schaufeln und Spaten - hatten eine Latrine ausgehoben. Aber man kann keinen neuen Platz zum Scheißen schaffen, ohne einzukalkulieren, daß die Leute dort auch hinscheißen. Als allgemein gültige Darmentleerungsregel gilt: Wenn ein paar Leute irgendwo hinscheißen, scheißen auch andere dorthin. Das ist nur recht und billig. Stuhlgang ist in Indien etwas unendlich Kreatives. (John Irving: Zirkuskind, S. 176)

[Anforderung] In der Buchhandlung hatte er einen Weltatlas im Taschenformat gekauft, und als er darin blätterte, versuchte er sich das Land vorzustellen, in dem er gern leben würde. Oder vielmehr das Land, das ihn am wenigsten unglücklich machen würde. (Bruce Chatwin: Utz, S. 89)

[Gedichte] "Gedichte solltest du immer auswendig lernen", sagte sie. "Sie müssen zu deinem Knochenmark werden. Wie Fluor im Wasser machen sie deine Seele unempfindlich gegen die schleichende Karis der Welt." (Janet Fitch: Weißer Oleander)

[Praxis] Seine Theorie vom wesentlichen Leben entstand und wirkte in Opposition zum wirklichen Leben. (Robert Menasse: Selige Zeiten, brüchige Welt, S. 289)

[Macht] Wenn du Macht hast und Erfahrungen, dann hören sich die Aufregungen auf, dann kannst du nichts mehr falsch machen. Mit keiner Dummheit, mit keinem schweren Fehler hast du dann etwas falsch gemacht, weil es immer welche gibt, die sich sofort beeilen, die Bedingungen der Wirklichkeit so zu verändern, daß du dann doch recht gehabt hast. (Robert Menasse: Selige Zeiten, brüchige Welt, S. 169)

[Sprache] Er sprach mit jenem sorglosen Akzent, der aus jeder Sprache der Welt einen deutschen Dialekt zu machen schien. (Robert Menasse: Selige Zeiten, brüchige Welt, S. 158)

[Nichts Ganzes] Ihm war, als hätte er das halbe Leben mit ihr verbracht. Das war das Problem: daß er immer und mit jedem nur zu einem halben Leben fähig war. Nicht einmal zu einem halben. Selbst mit einem Doppelleben hätte er noch immer kein ganzes. (Robert Menasse: Selige Zeiten, brüchige Welt, S. 154)

[Suizid] Er, Stirner, nenne aber die Pädagogenexistenz eine milde Form des Suizids. (Hermann Burger: Der Schuß auf die Kanzel, S. 70)

[Selbstmord] Der Suizidant wählt in der Nacht die Nacht, er verhält sich, der Logik des Todes entsprechend, tautologisch. Er hat den Absprung getan, er befindet sich im Schwarzen Kabinett, wo sich keine Regung mehr vom tödlichen Hintergrund abhebt. Er ist der einzige, der von sich sagen kann: ich bin gestorben. Er erlebt den Tod dreidimensional, indem er tötet, ermordet und stirbt. (Hermann Burger: Der Schuß auf die Kanzel, S. 176)

[Keine Zeit] Wer keine Zeit hat, ist ein Ungeheuer, eine Mißgeburt: er stiehlt irgendwo Zeit, unterschlägt sie. (Wieviel Zeit mußte verschlissen, wieviel gestohlen werden, um die zu Unrecht berühmte militärische Pünktlichkeit so sprichwörtlich zu machen: Milliarden gestohlener Stunden Zeit sind der Preis für diese aufwendige Art der Pünktlichkeit, und erst die neuzeitlichen Mißgeburten, die keine Zeit haben! Sie kommen mir immer vor wie Leute, die zuwenig Haut haben... (Heinrich Böll: Irisches Tagebuch, S. 66)

[Unter Menschen] Warum muß man sich immer und immer wieder einen Freund erschaffen? Gibt es denn keine Möglichkeit, ein Mensch unter Menschen zu sein? Oder man wird zum Verbrecher", fügte er hinzu. "Da man in diese Welt nicht paßt, vielleicht macht man sich diese Welt passend? Auch eine Möglichkeit, vielleicht die kürzeste." (in: Hartmut Lange: Über die Alpen)

[Mond] Über allem aber lag wie ein Grabmal der Mond, und immer wieder war es der Mond, der ihn daran erinnerte, daß diese Welt auch und vor allem durch ihre Leblosigkeit bezaubern konnte. (Hartmut Lange: Über die Alpen)

[Zwanglos] Es gab bei ihnen wenig Zwänge und Regeln, erzählt Hella, und manche hätte sie sogar vermißt. Es sei ihr zum Beispiel vornehmer und feiner vorgekommen, wenn ihre Freundinnen, ehe sie zum Spielen auf die Straße gingen, fragten: "Mutti, darf ich runtergehen?", während sie selbst nur rufen mußte: "Mama, ich geh jetzt" und dabei schon die Wohnungstür hinter sich ins Schloß zog. (Maron, Monika: Pawels Briefe, S. 50)

[Geschäfte] Wenn einer ihrer Brüder seine Freundin erwartete, erbot sich Hella, für den Gegenwert einer halben Sonntagsroulade dem Chaos der Wohnküche eine vorzeigbare Ordnung aufzuzwingen. (Maron, Monika: Pawels Briefe, S. 35)

[Oben und Unten] Sieh dir die Russen an - großzügig, gastfreundlich, herzlich - da können sich die Tschechen verstecken. Und ihre Politiker? Je weicher die Leute, desto härter die Regierung. Zum Kotzen das Ganze. (Libuse Monikova: Die Fassade, S. 386)

[Schleimer] Der Idiot vom Verband, der als offizieller Leiter mit war, (...) konnte zwar kein Wort Italienisch, hätte es aber in jeder Sprache fertiggebracht, sich verständlich anzubiedern. (Libuse Monikova: Die Fassade, S. 243)

[Schocktherapie] "Mir ging's schon besser, aber als mich eine Patientin holte, draußen würde jemand nach mir fragen, verband ich mir den Kopf und taumelte ans Fenster, mit trüben Augen und einer so siechen Stimme, daß meine Mutter wirklich Angst bekam. Hat leider nicht lange vorgehalten. Zu Hause war dann alles wieder beim alten. Man müßte ihnen wohl täglich vor Augen abkratzen, damit sie sich besinnen! Und das würde sich auch abnutzen. (Libuse Monikova: Die Fassade, S. 211)

[Besessenheit] Ich nahm die Karte und blickte in das Gesicht des alten Mannes, auf das seit vierzig Jahren kein Sonnenlicht mehr gefallen war, in das Gesicht einem Mannes, der von der Liebe zum Film besessen war und der der 'Encyclopedia Britannica' jede Filmzeitschrift vorziehen würde. In seinen Augen flackerte seine sanft verrückte Liebe für alte Gesichter auf den Plakaten von gestern. (Ray Bradbury: Der Tod ist ein einsames Geschäft, S. 111)

[Männer] "Also mach eben weiter. Benimm dich wie ein Narr, das macht ihr Männer ja so gern. O Gott, was für ein Leben ist das für uns Frauen, wir müssen zuschauen, wie ihr Dummköpfe euch gegenseitig umbringt, wie die einen Mörder die anderen ermorden, und wir stehen am Spielfeldrand und schreien: 'Schluß jetzt', und keiner hört auf uns." (Ray Bradbury: Der Tod ist ein einsames Geschäft, S. 51)

[Minimum] Das Leben mancher Menschen kann man in so wenigen Worten zusammenfassen, daß es nicht mehr ist als das Zuschlagen einer Tür oder ein mitternächtlicher Husten draußen auf der dunklen Straße. (Ray Bradbury: Der Tod ist ein einsames Geschäft, S. 142)

[Eiskalt] Man hätte sich mit seinem Lächeln die Pulsadern aufschneiden können. (Ray Bradbury: Der Tod ist ein einsames Geschäft, S. 243)

[Klogeschichten] Ich erinnerte mich, daß ich als Kind nie konnte, wenn ich in einem Pissoir, in einer öffentlichen Toilette mit ein paar Männern dastand, mit verweifelt ihr Geschlecht schüttelnden und schlenkernden Prostatikern, mit Betrunkenen, die, ihre Stirn an die Fliesenwand über der Schale gelehnt, in den Knien einknickt und mit geschlossenen Augen sich selbst besprenkelten, manchmal freihändig, und aus ihrem Mund kam ein unverstänliches Geseire. (Norbert Gstrein: O2, S. 16)

[Männer] "Es ist eins von den Zimmern, das die Männer verunstaltet haben, weil sie es für uns Frauen schön herrichten wollten. Die Männer wissen eben nicht, was wir eigentlich wollen-." "Und werden es auch nie wissen." "Da bin ich anderer Meinung. In zweitausend Jahren werden sie's wissen." (E.M. Forster: Wiedersehen in Howards End, S. 352)

[Reue] Die Reue gehört nicht zu den ewigen Wahrheiten. Die Griechen haben recht daran getan, sie zu entthronen. Ihr Wirken ist zu willkürlich, fast als wählten die Erinnyen nur gewisse Menschen und gewisse Sünden zur Bestrafung aus. Und von allen Mitteln zur Läuterung ist die Reue ganz gewiß das unwirtschaftlichste. Sie schneidet mit dem vergifteten auch das gesunde Gewebe heraus. Sie ist ein Messer, das noch weit tiefer eindringt als das Übel selbst. (E.M. Forster: Wiedersehen in Howards End, S. 375)

[Inkonsequenz] Sie haßte den Krieg und liebte Krieger - es war eine von ihren liebenswürdigen Inkonsequenzen. (E.M. Forster: Wiedersehen in Howards End, S. 231f.)

[Herangehensweise] Henry behandelte eine Hochzeit wie eine Beerdigung, Punkt für Punkt, ohne je das Ganze ins Augen zu fassen, und zum Schluß konnte man denn beruhigt ausrufen: "Tod, wo ist dein Stachel" Liebe, wo ist dein Sieg?" (E.M. Forster: Wiedersehen in Howards End, S. 257f.)

[Umgang] Es kam bisweilen vor, daß Charles und sein Vater nicht derselben Meinung waren. Immer jedoch schieden sie in gesteigerter gegenseitiger Hochachtung, und keiner von beiden konnte sich einen tapfereren Kameraden wünschen, wenn es galt, die Klippen der Gefühle für ein Weilchen zu umschiffen. Und so segelten Odysseus' Gefährten an den Sirenen vorbei, nicht ohne einander zuvor die Ohren mit Watte verstopft zu haben. (E.M. Forster) Wiedersehen in Howards End, S. 94f.)

[Liebe] Ich liebte sie einmal so sehr, daß ich einen Sonnenschirm über ihr Grab gespannt hätte, weil ich wußte, wie gern sie im Schatten lag. (Arnold Stadler: Ein hinreißender Schrotthändler)

[Unbedarft] Die Kinderfrage hat sie weit hinausgeschoben; dazwischen Ausflüchte erwogen, zum Beispiel mich: einmal hat sie bei mir angefragt, ob ich hr etwas Samen schenken würde, so wie ein Kind nach einer Kugel Eis fragt. (Arnold Stadler: Ein hinreißender Schrotthändler, S. 70f.)

[Sichtweisen] Onassis und Niarchos haben als Besitzer und Spekulanten auf abzuschießende alte Tanker, auf die hohe Versicherungssummen abgeschlossen waren, begonnen, sagte ich. Wenn es sich nicht um so hohe, hochangesehene Summen handelte, müßte man von Betrug sprechen, sagte ich. Aber bei derart hohen Summen kommt ein Glanz darüber; und das Wort "milliardenschwer" ersetzt das vieldeutige Wort "Kapitalverbrechen", und die Bewunderung ersetzt in solchen Höhen die Verachtung. (Arnold Stadler: Ein hinreißender Schrotthändler, S. 70f.)

[Ressentiment] Daß es den Namen Gertrud im Deutschen gab, mußte ich verschweigen. Ich schämte mich, daß es in meiner Sprache einen solchen gänsehauterregenden Namen gab. (Stadler, Arnold: Ein hinreißender Schrotthändler, S. 18)

[Obsolet] Dabei fällt mir ein: Ich habe seit Jahren keinen Menschen mehr gesehen, der mir die Zunge herausstreckte, nicht einmal ein Kind. Nicht einmal in einem Film. Dieses Lebenszeichen muß doch sehr aus der Mode gekommen sein. Und den Vogel gezeigt hat mir auch niemand, vielleicht aus Rücksicht, was ich nun schon wieder bedenklich finde. (Stadler, Arnold: Ein hinreißender Schrotthändler, S. 18)

[Liebesrauschen] Doch ehe er diese hier kannte, wußte er nicht, was eine Frau ist. Wenn die Victomtesse Olive ihn ihren Freund, ihren süßen Freund nannte, glaubte er im Himmel zu sein, und ihm schien, als ob Sterne in ihrem Haar sich verfingen. (Anatole France: Insel der Pinguine, S. 160)

[Realitäten] Ich habe gelesen, wenn man den Tod nahen fühlt, denkt man als Erstes Dinge wie "Ich kann gar nicht sterben. Ich habe ja noch Opernkarten für die nächste Woche." Warum ist das so? Warum versuchen wir uns angesichts des Unvorstellbaren hinter Trivialitäten zu verschanzen? (Judi Hendricks, Das Brot des Lebens)

[Entwicklung] Ich hatte noch nie versucht, mich als Mutter zu sehen. Warum, wusste ich nicht. Vielleicht lag es an meinem Beruf. Wie oft stand ich in den Pausen im Türrahmen eines Klassenzimmers, des Lehrerzimmers oder der Cafeteria, betrachtete das heillose Chaos um mich herum und fragte mich kopfschüttelnd, warum sich Gehirne so spät der Entwicklung ihres Körpers anpassten - und manchmal auch nie! Warum mussten aus kleinen, entzückenden, Engelchen diese verdrossenen Halbstarken und schwachsinnigen Kicherliesen werden? (Judi Hendricks, Das Brot des Lebens)

[Impressionen] Der Jüngling, der da auf dem Boden lag, störte die Abendgrillen nicht; ein Eichhörnchen kletterte von der nächsten Kiefer herab, um im Bach zu trinken, und trippelte ganz nahe an der menschlichen Gestalt vorbei. Eine Ameiste, vielleicht dieselbe, die er befreit hatte, krabbelte an seinem Bein entlang, andere folgten. Wie lange hätte er wohl unbeweglich liegen müssen, ehe sie sich erkühnten, ihn anzufressen. (Francois Mauriac: Das Geheimnis Frontenac, S. 113.)

[Zauber] Die Augen der kleinen Dubuch waren von einem Glanz, der jeden Beliebigen, auf den sie sich richteten, glauben machte, dieses wunderbare Licht brenne für ihn. (Francois Mauriac: Das Geheimnis Frontenac, S. 107f.)

[Alles Quatsch] Ein Nachteil von Tarotkarten ist, dass man mit ihnen kein Skat spielen kann, kein Poker und auch kein Mau-Mau. Ein weiterer Nachteil von Tarotkarten ist, dass sie nicht einmal die Zukunft voraussagen können. Ist doch alles Humbug. Aberglaube. Schwachsinn! Und auch Kaffeesatzlesen wird dem neugierigen Menschen von Welt nicht verraten können, in welcher Gosse er in ein paar Jahrzehnten gelandet sein und von welcher Katzenfuttersorte er sich dann ernähren wird. (Till Frommann)

[Einfach Dumm] Von der Eisenbahnstation bis zum Dorf fuhr mich ein Bäuerlein, das sich als dermaßen dumm erwies, daß er auf meine Frage nach Altertümern sich anschickte, von einer Großmutter Axinija zu erzählen, die anscheinend noch die Franzosenzeiten erlebt hatte: sie war im vorigen Jahr gestorben, als sie vom Ofen fiel. (Alexej Tolstoi: Lindere meinen Kummer)

[Wissend] Ich schlich aus meinem Zimmer, meine Schuhe in den Händen tragend. In jener Nacht erkannte ich zum erstenmal, was Liebhabern und Dieben bekannt ist: wie unnatürlich laut im nächtlichen Schweigen die Bretter der Fußböden knarren können. (Valerlij Brjussow: Frühe Liebe)

[Ehe & Heirat] Wie die Leute heiraten? Gute Beobachter behaupten, daß es keine zweite Sache gibt, geeigneter den menschlichen Leichtsinn in einem schaudererregendem Maße zum Durchbruch kommen zu lassen, als eben in der Veranstaltung ehelicher Verbindungen. Man sagt, daß sogar die klügsten Menschen mehr Sorgfalt auf den Kauf von Stiefeln verwenden, als bei der Wahl ihrer Lebensgefährden. Und wahrhaftig: es ist gar nicht so selten, daß einzig der blinde und spözttische Zufall diese Wahl bestimmt. (Nikolaij Leskov: Pawlin)

[Klug und schön] Ich sah, daß mein Mädchen gescheit war: das kann nämlich trotz aller Schönheit niemals schaden. (Fedor M. Dostoevskij: Weiße Nächte)

[Eßkultur] Der Kaffee war abgestanden, und das Sandwich schmeckte so saftig wie ein alter Hemdfetzen. Die Amerikaner essen alles, wenn es nur getoastet ist, von zwei Zahnstochern zusammengehalten wird und irgendwo zwei dünne Salatblätter aufweist, am liebsten ein bißchen verwelkt. (Raymond Chandler: Der lange Abschied, S. 333)

[Tage wie diese] Ich wußte, daß würde heute einer von diesen ganz verrückten Tagen. Jedermann hat die mal. Tage, wo kein Mensch reingestolpert kommt außer den üblichen Pechvögeln, den Tölpeln, denen mal wieder jemand das Gehirn geklaut hat, den Seelenklempnern, denen ihre Bekloppten entwischt sind, den Mechanikern, die immer ein Teil übrig behalten. (Raymond Chandler: Der lange Abschied, S. 157)

[Übertreibung] Er gehörte auf eine von diesen Touristen-Ranchen, wo man derart pferdenärrisch ist, daß selbst die Telefonistin bei der Arbeit Reitstiefel trägt. (Raymond Chandler: Der lange Abschied, S. 142)

[Essen] Das ist ein Hamburger auf einer Platte aus gebranntem Holz, umgeben von Kartoffelpüree mit ausgelassener Butter und garniert mit gerösteten Zwiebelringen und einem jener gemischten Salate, die in Restaurants von allen Männern völlig widerspruchslos verzehrt werden, obwohl diesselben Männer vermutlich Schreikrämpfe bekämen, wenn ihre Frauen ihnen dergleichen einmal zu hause vorsetzten. (Raymond Chandler: Der lange Abschied, S. 142)

[Taxieren] Sie hatte ein gußeiseneres Lächeln und Augen, die einen das Geld in der Gesäßtasche zählen konnten. (R. Chandler: Der lange Abschied, S. 116)

[Kerle] Carne war ehemaliger Oberst der Militärpolizei, ein großer, rosig weißer Kerl, so hart wie ein Brett. Er hatte mit einem einen Job angeboten, aber so schlecht war's mir noch nie gegangen, daß ich den angenommen hätte. Es gibt rund hundertneunzig Arten, ein Schuft zu sein, und Varne kannte sie alle. (Raymond Chandler: Der lange Abschied, S. 116)

[Justiz] "... der Staatsanwalt müßte von sich aus aktiv werden, aber die Burschen sitzen auf der faulen Beamtenhaut. Die werden wir wohl zum Jagen tragen müssen. Ich denke, wir werden ihn gerichtlich dazu zwingen können. Aber Sie wissen ja, Willenbrock, vor deutschen Gerichten und auf hoher See sind wir alle Gottes Hand." (Christoph Hein: Willenbrock, S. 274)

[Deutsch] Wäre Gott ein Deutscher, was hätten wir für eine fabelhafte Ordnung auf der Welt. Für jedes Problem, für jede Frage gäbe es ein Gesetz, und wir müßten nur noch nachschlagen, nicht wahr? Adam und Eva und ein deutscher Gott, es wäre nie zum Sündenfall gekommen, auch das wäre streng nach Paragrafen gegangen. Allerdings, was wäre das für ein Paradies geworden? Ich glaube, nur ihr Deutschen hättet euch dort wohl gefühlt. (Christoph Hein: Willenbrock, S. 54)

[Frauen] Er dachte an seinen Großvater, der, wann immer seine Frau mit ihm zürnte, halblaut vor sich hinmeditierte: ein Mann braucht nicht viel, aber Frauen sind nie zufrieden, du kannst ihnen schenken, was du willst, du kannst sie mit Gold und Pelzen überhäufen, einen Tag später knurren sie wieder. (Christoph Hein: Willenbrock, S. 26)

[Niederlage] Ich habe noch allerhand zu tun und zu besorgen. Eigentlich Unsinn; eine Postkarte besorgt es alles viel besser. Aber meine Frau wünscht es. Und was eine Frau wünscht, ist Befehl, sonst ist der Krieg da, worin wir Militärs immer geschlagen werden; je schneidiger, je größer die Niederlage. (Theodor Fontane: Die Poggenpuhls)

[Berliner] Ja, diese Berliner, man mag sie nun lieben oder hassen, amüsant sind sie, und ihnen so zuzusehen ist immer wie ein Schauspiel. Eigentlich ist es auch wirklich so was; denn sie kucken sich immer um, ob sie auch wohl ein Publikum haben, vor dem sich's verlohnt, den Vorhang aufzuziehen. (Theodor Fontane: Die Poggenpuhls)

[Begrenzte Leiden] Gute Miene zu machen zum Unangemessenen und sich mit den Genossen, denen es angemessen ist, auf einen kordialen Fuß zu stellen, ist nicht schwer, wenn man das Wort "vorläufig" dabei im Herzen trägt. (Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstablers Felix Krull, S. 468)

[Kleinster Nenner] Daß viele Tierformen ausgestorben seien, daß es keine fliegenden Echsen und keine Mammuts mehr gebe, hindere nicht, daß neben dem Menschen das gerade schon formbeständige Urtier fortlebe, der Einzeller, das Infusor, die Mikrobe, mit einer Pforte zur Einfuhr und einer zur Ausfuhr aus ihrem Zell-Leib, - mehr brauche es nicht um Tier zu sein, und um Mensch zu sein, brauche es meistens auch nicht viel mehr. (Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstablers Felix Krull, S. 546)

[Gartenarbeit] Der Doktor rasierte diesen Rasen, als handle sich's um das Kinn eines Priesters. (Stephen Crane: Das Ungeheuer)

[Vernichtende Kritik] Diese Buch ist eine solche Karrikatur der Gattung Roman, daß man sich schämt, sich ihrer noch weiter zu bedienen. (Madame de Staël über Juliane von Krüdeners Roman "Valerie")

[Vorbilder] Vom Lehrer der Jugend erwartet man in der Männlichkeit noch den Strahlenreif, der nicht aus ihrem, sondern aus unserem Kopfe kam. (Jean Paul)

[Ent/Getäuscht] Wenige Geschöpfe sind, wenn sie erst über zwanzig sind, noch einer so raschen Zuneigung fähig, nur die Tiere. Die Welt ist nicht das gewesen, was man erwartet hat! Das ist's! Da kriegt man dann eine Fratze! Man hat sich ja getäuscht gehabt! Und man wird schnell selber ein Schweinekerl! Das kann man nach zwanzig Jahren von den Gesichtern lesen. Ein Mißverständnis! Unser Antlitz ist nur ein Mißverständnis! (Celine, Louis-Ferdinand: Reise bis ans Ende der Nacht, S. 233)

[Hauptsache Ordnung] Wer in dieser Gegend um sieben Uhr früh keinen Staub aufwirbelt, würde in der ganzen Straße für einen Schmutzfink gelten. Wenn die Teppiche ausgeschüttelt werden, ist das ein Zeichen von Sauberkeit, eines gut geführten Haushaltes. Das genügt. Man kann dann ruhig aus dem Maul stinken. (Celine, Louis-Ferdinand: Reise bis ans Ende der Nacht, S. 232)

[Ausnahmezustand] So vergingen viele Tage; ich war schon fast gesund, aber in dem Maße wie Delirium und Fieber bei mir abnahmen, steigerte sich auch wieder meine Abenteuerlust und reizte mich zu neuen Unbesonnenheiten. Bei 37 Grad Körpertemperatur findet man wieder alles langweilig. (Celine, Louis-Ferdinand: Reise ans Ende der Nacht, S. 182)

[Vorwärtskommen] Es ist wahr, sein Aussehen nahm nicht für ihn ein; er hatte eine unzweifelhaft beängstigende Mörderphysiognomie, oder, um nicht ungerecht zu sein, er sah aus wie ein unbedachter Mensch, der es unglaublich eilig damit hat, seinen Weg zu machen, was ungefähr aus dasselbe hinauskommt. (Celine, Louis-Ferdinand: Reise bis ans Ende der Nacht, S. 142)

[Täuschung] Mit jeder neuen Erkenntnis beschleicht mich stärker dieses Gefühl, das dich lähmend bei der Gurgel packt, wenn du merkst, daß das Licht am Ende des Tunnels nichts anderes ist als der Widerschein der Hölle. (Yasmina Khadra, Morituri)

[Seele & Leib] "Ich kann nicht sehen, daß es die Religion etwas angeht, wie sich die Leute paaren", sagte der Bezirksvorsteher. "Was kümmert es Jesus, wie die Säugetiere sich vermehren? Doch die Geistlichkeit hat natürlich ihren eigenen Geschmack. Die Theologie kann meinetwegen die Seele in die Geschlechtsteile der Menschen verlegen." (Halldor Laxness: Das wiedergefundene Paradies, S. 100)

[Orgasmus] Der Orgasmus war zwar der Höhepunkt des Genusses, trug aber gleichzeitig dessen Niedergang in sich, die Leere, den Ekel, den Überdruß, die Tristesse. "Nach dem Koitus ist jedes Tier traurig, ausgenommen der Hahn, der kräht." Und selbst aus diesem Krähen war soviel Traurigkeit herauszuhören, daß man sich fragen konnte, ob der Hahn tatsächlich eine Ausnahme von der Regel bildete. (A.F.Th. van der Heijden: Der Anwalt der Hähne, S 166)

[Definition II] Haß war vielleicht ein Fingerabdruck auf dem glatten Glas der sensiblen Seele; nur ein Fettfleck, der verschwand, wenn man ihn in Ruhe ließ. (Salman Rushdie: Die Satanischen Verse, S. 407.)

[Definition I] Nichts währt ewig, dachte er hinter geschlossenen Lidern irgendwo über Kleinasien. Vielleicht ist Unglück das Kontinuum, durch das ein Menschenleben sich bewegt, und Freude nur eine Reihe von Leuchtpunkten, von Inseln im Strom. Oder wenn nicht gerade Unglück, dann wenigstens Melancholie. (Salman Rushdie: Die Satanischen Verse, S. 506)

[Rästelhaft] Als Kind, in einem Alter, in dem Selbstverständlichkeiten zeitweilig wieder rätselhaft werden, hatte er geglaubt aus seinem Namen einen Imperativ herauszuhören. (A.F.Th. van der Heijden: Der Anwalt der Hähne)

[Nachahmungen] Bombays Kultur bestand aus Imitationen. Seine Architektur imitierte den Wolkenkratzer, sein Kino erfand "Die glorreichen Sieben" und "Love Story" unablässig neu, wobei es seinen Helden zur Auflage machte, mindestens ein Dorf vor mordlustigen Banditen zu retten, und all seine Heldinnen verpflichtete, mindestens einmal in ihrer Laufbahn an Leukämie zu sterben, vorzugsweise gleich zu Beginn. (Salman Rushdie: Die Satanischen Verse, S. 71)

[Wünsche] Übrigens, das ist so eine Sache, die ich immer machen wollte, außer Boxer werden: in Bestattungsunternehmen rumlungern. Ich wollte einer von diesen Typen sein, die die Tür aufmachen und sagen: 'Herzliches Beileid.' (Charles Bukowski)

[Schwere] Es gibt einen Moment, da ist nichts mehr einfach, und er sagte mit autoritärer Stimme, ja, das ist der Moment, in dem wir geboren werden. (Zeruya Shalev: Liebesleben, S. 355)

[Frühling] Ich zog die Rolläden hoch und öffnete die Fenster, um den schüchternen Frühling einzulassen, er zögerte, kam aber schließlich doch herei und verteilte sich mit leichten tänzelnden Schritten in den Zimmern. (Zeruya Shalev: Liebesleben, S. 358f.)

[Lebenstragik] Und ich dachte an dieses beschissene Leben, beschissen ist gar kein Ausdruck, denn wenn es einem schon mal zwei Geschenke anbietet, dann muß eines natürlich auf Kosten des anderen gehen.(Zeruya Shalev: Liebesleben, S. 257)

[Tempelgeschichten] Nachdem das Buch einigermaßen gereinigt war, fing ich an zu lesen und konnte nicht mehr aufhören, und plötzlich wurde mir klar, daß ich darüber meine Arbeit schreiben würde, über die Geschichten von der Zerstörung des Tempels, und ich dachte, welch ein Glück, daß es jetzt keinen Tempel mehr gibt, sonst würde ich bei jeder Sache, die ich falsch mache, glauben, er würde meinetwegen zerstört. (Zeruya Shalev: Liebesleben, S. 123)

[Vertrautsein] Mir war es schon immer als die höchste Form der Intimität vorgekommen, als wichtiger Vorteil, wenn man mit jemandem zusammenlebte, daß man aus dem Badezimmer nach einem Handtuch rufen konnte und wußte, daß dieser Ruf den anderen dazu brachte, aus dem Bett zu steigen oder vom Stuhl aufzustehen oder das Blättern in Notizbüchern zu beenden und zum Schrank zu gehen, und das alles durch die Kraft eines Wortes. (Zeruya Shalev: Liebesleben, S. 110)

[Zwei Möglichkeiten] Es ist besser, mitten im Leben in Liebe zu sterben, als bis hundert allein zu leben, flüsterte mir Tirza zu, und ich sah den Neid in ihren Augen. Gibt es nur die zwei Möglichkeiten, fragte ich sie, und sie sagte, zwei ist schon viel, manchmal gibt's noch nicht mal eine. (Zeruya Shalev: Liebesleben, S. 95)

[Kräftemangel] Neulich versuchte ich, den 1800 m hohen Vulkan auf Siau, einer kleinen Insel nördlich von Sulawesi zu besteigen, aber meine Kräfte versagten, was ich vor allem auf meinen Zigarettenkonsum während meines Bierkonsums zurückführe. (Michael Schulte: Wein, Wasser, Blut)

[Selbstbefriedigung] Auf die Frage: Haben Sie vor, einen Roman zu schreiben, während Sie hier sind? antwortete Pursewarden: "Falls mir alle andere Möglichkeiten der Selbstbefriedigung versagt bleiben." (Lawrence Durrell: Balthazar, S. 80)

[Wirklichkeit] Tatsachen sind ihrer Natur nach wandelbar. Narouz sagte einmal, daß er die Wüste liebe, weil dort 'der Wind die Fußspuren ausbläst wie Kerzenflammen'. So, scheint mir, tut es auch die Wirklichkeit. Wie können wie dann der Wahrheit nachjagen? (Lawrence Durrell: Balthazar, S. 75)

[Hoffnungslos] Was immer er versuchte, es ging schief. Wie das Sprichwort sagt: "Wenn er mit Leichentüchern handelt, stirbt niemand. (Isaac B. Singer: Ihr Sohn)

[Kleinigkeiten] Immer sind es solche miesen Kleinigkeiten, plagen einen, ob man sie ignoriert oder sich zur Wehr setzt. Ist ihnen egal. Als würde man Mücken mit dem Finger drohen. (Helmut Krausser: Thanatos)

[Schon damals] Hat man endlich gar durch öfteres anhaltendes Sitzen und durch einseitige Beschäftigung der Seelenkräfte bei unnatürlicher körperlicher Ruhe erst vollends seine Säfte verdickt, seine Nerven geschwächt und zur Ungebühr reizbar gemacht: dann fahre wohl, häusliche Glückseligkeit! (Joachim Heinrich Campe in einer Schrift über Erziehung 1785)

[Bibliotheksorganisation 1] Es muß unmöglich sein, sich innerhalb der Bibliothek irgendwie leiblich zu stärken, und es muß auch unmöglich sein, sich außerhalb der Bibliothek leiblich zu stärken, ohne zuvor alle ausgeliehenen Bücher zurückgegeben zu haben, um sie dann nach der Kaffeepause erneut zu bestellen. (Aus: Eco, Umberto: Wie man mit einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschläge. Hanser, 1993)


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