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[Mimik] Barry steht anzüglich grinsend neben dem Telefon und kneift seine Augen zu Ziegenmösen zusammen. Eileenas Augenbrauen scheinen heute mittag ebenfalls hoch zu Roß zu sitzen, soweit ihre Holzschnitzfrisur das zuläßt. Ich weiß ja nicht, wie's woanders ist, aber hier bei uns signalisiert man moralische Überlegenheit mit den Augenbrauen. (DBC Pierre: Jesus, von Texas, S. 98)

[Getroffen] Der Sheriff atmet mir eine Säule Verwesung ins Gesicht. (DBC Pierre: Jesus, von Texas, S. 16)

[Selbsteinschätzung] Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr ich mir wünsche, Jean-Claude Van Damme zu sein. (...) Schaut mich doch an: büschelweise störrische braune Haare, Wimpern wie von einem Kamel und ein überdimensioniertes Welpengesicht, als hätte mich Gott unter 'ner beschissenen Lupe gemacht - ein Blick, und man weiß, daß ich niemals der Held des Films bin, sondern nur der Typ, der sich auf die Füße kotzt und es höchstens mit einer Krankenschwester zu tun kriegt. (DBC Pierre: Jesus, von Texas, S. 14)

[Hoffnung] Ich bewahre die Ruhe, versteht ihr? Auf dem Boden meines Schmerzes leuchtet Gelassenheit, weil ich weiß, daß am Ende immer die Wahrheit siegt. (DBC Pierre: Jesus, von Texas, S. 13)

[Mutterschelte] Ganz ehrlich, wäre meine alte Dame mit Gebrauchsanweisung geliefert worden, hätte garantiert dringestanden, daß man ihr am Ende einen Tritt in den Arsch geben soll. (DBC Pierre: Jesus, von Texas, S. 9)

[Fische] Robby hatte seit längerem ein großes Aquarium. Dafür haßte ich ihn. Es gab nichts, was langweiliger war als dieses Aquarium. Ich wunderte mich jedes Mal, warum die blöden Fische nicht einfach aus Langeweile starben. Wie hielten sie das nur aus? Schwimmen, fressen, doof glotzen - den ganzen Tag. Ab und zu jagten sie sich mal, aber nicht zu lange. Das war ihnen wahrscheinlich zu aufregend. (Michael Tetzlaff: Ostblöckchen, S. 98)

[Erkenntnis] In meinem schönen Kleid, mit von Kaffee geröteten Wangen und dem neuen, überdrehten Gefühl im Bauch entdeckte ich auf einmal, daß ich durch bedeutungsvolles Lächeln, gurrendes Lachen und intensives Wimperngeklappere auch beachtet wurde. Mein Gott, warum hatte ich das nicht dreißig Jahre früher kapiert. (Ingrid Noll: Der Hahn ist tot, S. 28)

[Strebend] Ich hatte den Ehrgeiz einer Beinah-Akademikerin. (Ingrid Noll: Der Hahn ist tot, S. 9)

[Bestandsaufnahme] Ich verdiene gut, ich halte mich gut. Mit meinen zweiundfünfzig Jahren sehe ich besser aus als in meiner Jugend. Mein Gott, wenn ich die Fotos von damals sehe! Gute zwanzig Pfund zuviel, eine unvorteilhafte Brille, diese plumpen Schnürschuhe und der Bordürenrock. Ich war die Frau, mit der man angeblich Pferde stehlen kann und die schließlich selbst einem Pferd immer ähnlicher wurde. (Ingrid Noll: Der Hahn ist tot, S. 7.)

[Vorzug] "Es ist die seltenste, die schönste aller Verbindungen", sagte Frederick, "eine Frau zu sein und die Loyalität eines Mannes zu haben." (Elizabeth von Arnim: Verzauberter April, S. 266)

[Taktik] Die Leute wurden tatsächlich raffiniert, sobald sie auf etwas fixiert waren. (Elizabeth von Arnim: Verzauberter April, S. 158)

[Von Stimme] Mrs. Fisher hatte eine tiefe Stimme, ähnlich wie die eines Mannes, denn sie war von jener eigentümlichen Männlichkeit eingeholt, die manchmal die Frauen während der letzten Lebenswindungen begleitet. (Elizabeth von Arnim: Verzauberter April)

[Wohlhabend] Mrs Fisher war wohlhabend, und ihr Begehren ging nach all den Bequemlichkeiten, die ihrem Alter gemäß sind, aber sie mochte keine Ausgaben. So wohlhabend war sie, daß sie bei Belieben in einer reichen Gegend Londons hätte wohnen und sich im Rolls-Royce hätte herumkutschieren lassen können. Doch nichts dergleichen. Sich um ein Haus in reicher Umgebung und einen Rolls-Royce kümmern hätte größerer Umtriebigkeit bedurft, als zu wahrer Bequemlichkeit paßte. Sorgen waren mit solchem Besitz verbunden, alle möglichen Sorgen, die Rechnungen zuoberst. (Elizabeth von Arnim: Verzauberter April)

[Lernfähig] Damit aus mir mal etwas werden würde, brachte mir Oma Lisbeth an meinem zweiten Geburtstag die binomiscvhen Formeln bei. (Michael Tetzlaff; Ostblöckchen. Neues aus der Zone, S. 13)

[Wundermittel] Kathy hatte noch immer eine lebensgefährliche Laune. "Der Bus hat uns sicher nach Yumy gebracht", sagte ich, "und wenn wir ihn angemalt und eingerichtet haben, wird das Ding eine Sensation, eine Sehenswürdigkeit." Sie antwortete nicht. Ich ging zum Supermarkt und kaufte zwei gekühlte Sixpacks irischen Starkbiers, eine Rechnung, die aufging, da Kathy bereits nach der zweiten Flasche deutlich entspannter wurde: Entfrosten der Gesichtszüge, langsames Wiedereinsetzen der Mimik, Aufnehmen keiner Aktivitäten wie Kofferauspacken etc. (Michael Schulte: Die endgültige Spülbürste, S. 28f.)

[Verborgen] Ein Ereignis kann seiner Herkunft wie seinen eigenen Mitteln nach klein und nichtig sein, kann aber dennoch, dem Auge nähergebracht, in seinem Innern unendliche und strahlende Perspektiven eröffnen, weil sich ein höheres Dasein in ihm auszudrücken versucht und gewaltig in ihm funkelt. (Bruno Schulz: Die Zimtläden und andere Erzählungen, S. 146)

[Sommerende] Es kommt mitunter vor, daß der August vergeht und der alte dicke Stamm des Sommers aus Gewohnheit noch weiterzeugt, aus seinem Moder diese gelben und idiotischen Tagwildlinge und Tagwucherungen treibt und als Draufgabe, umsonst, Tage wie abgenagte Maiskolben, leer und ungenießbar, hinzufügt - weiße, erstaunte, unnütze Tage. (Bruno Schulz: Die Zimtläden und andere Erzählungen, S. 113)

[Der Cousin] Emil, der älteste meiner Cousins, mit einem hellblonden Bart und einem Gesicht, von welchem das Leben jeden Ausdruck abgewaschen hatte, spazierte im Zimmer auf und ab, die Hände in den Taschen der faltigen Hosen. Sein eleganter und wertvoller Anzug trug das Brandmal der exotischen Länder an sich, aus denen er zurückgekehrt war. Sein Gesicht, welk und fahl, schien eine weiße, leere Wand mit einem blassen Netz von Äderchen zu werden, auf denen, wie Linien auf einer verwaschenen Landkarte, erlöschende Erinnerungen an ein stürmisches und vergeudetes Leben umherirrten. (Bruno Schulz: Die Zimtläden und andere Erzählungen)

[Einstellung] War es möglich, daß Einsamkeit nichts mit den Verhältnissen zu tun hatte, sondern nur mit der Art und Weise, wie man sich ihnen stellte? (Elizabeth von Arnim: Verzauberter April, S. 101)

[Femme fatale] Da kam mit Trippelschrittchen, behindert von der Schleppe ihres Kleides, eine gewisse Frau Magda Wang heraus und bekundete durch die Höhe ihres Dekolletes, daß sie aller männlichen Standhaftigkeit und Grundsätzlichkeit spottete und daß ihre Spezialität darin bestand, selbst die stärksten Charaktere zu brechen. (Bruno Schulz: Die Zimtläden und andere Erzählungen, S. 141)

[Anzeichen] "Wenn du wissen willst, ob du in einer reichen Gegend bist oder in einer armen, dann schau dir die Mülltonnen an. Siehst du weder Müll noch Tonnen, dann ist sie sehr reich. Siehst du die Tonnen und keinen Müll, dann ist sie reich. Siehst du den Müll neben den Tonnen, dann ist sie weder reich noch arm, sondern von Toursiten überlaufen. Siehst du den Müll ohne Tonnen, dann ist sie arm. Und leben Menschen am Mülll, dann ist sie sehr, sehr arm." (Eric- Emmanuel Schmitt: Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran, 81)

[Dimensionen] Sie wohnten in einer großen Wohnung, nicht weit vom Reichstagsufer. Die Wohnung bestand aus zehn Zimmern und war so groß, daß Pünktchen, wenn sie nach dem Essen ins Kinderzimmer zurückkam, meist schon wieder Hunger hatte. So lang war der Weg. (Erich Kästner: Pünktchen und Anton, S. 14)

[Hoffnung] Ihre einzige Tochter, die das Unwissen, die Unverschämtheit und den Stolz ihrer Eltern geerbt hatte, besaß jene Art Schönheit, die sie unverhältnismäßig eitel machte, und galt ihren Eltern als unwiderstehliches Geschöpf, von dem sie erwarteten, daß es in künftigen Zeiten mittels einer prachtvollen Heirat die Würde wiederherstellen werde, die durch ihre eingschränkten Mittel und dadurch, daß Mr. Dudley eine Pfründe auf dem Land hatte annahmen müssen, so beträchtlich geschmälert worden war. (Jane Austen: Die drei Schwestern und andere Jugendwerke, S. 149)

[Ratschlag] "Ich erwarte von meinem Ehemann, daß er guter Laune und heiteren Gemüts ist, daß er bei all seinem Tun mein Glück berücksichtigt und daß er mich ehrlich und treu liebt." Mr. Watts sah sie erstaunt an. "Dies, meine junge Dame, sind wahrhaftig höchst wunderliche Vorstellungen, von denen Sie sich befreien sollten, ehe Sie heiraten, andernfalls Sie sich gezwungen sehen könnten, es hinterher zu tun." (Jane Austen: Die drei Schwestern und andere Jugendwerke)

[Eingestellt] "Nun gut" (sagte Mary in verdrießlichem Ton) "dann nehme ich Sie, wenn es sein muß". "Wahrhaftig, Miss Stanhope, man sollte meinen, daß Sie Ihren Neigungen nicht groß Gewalt antun müßten, um sich so vorteilhaft etabliert zu sehen, wie ich es Ihnen bieten kann." Mary murmelte etwas, was ich, die ich ihr nahe saß, mit etwas Mühe als die Worte "Was nützt das schönste Vermögen, wenn die Männer ewig leben?" entziffern konnte. (Jane Austen: Die drei Schwestern und andere Jugendwerke, S. 18)

[Begrifflichkeit] Es heißt, er sei geizig, wir wollen es Umsicht nennen. (Jane Austen: Die drei Schwestern und andere Jugendwerke, S. 14)

[Unbesonnen] Keine von uns versuchte, unsere Mutter in ihrem Entschluß wanken zu machen; ich bedaure, sagen zu müssen, daß sie ihre Entschlüsse fast immer so entschieden verficht, wie sie sie unbesonnen faßt. (Jane Austen: Die drei Schwestern und andere Jugendwerke)

[Beschreibung] Ihr blondes Haar war sehr blond, ihre lieblichen grauen Augen waren sehr lieblich und sehr grau, ihre dunklen Wimpern sehr dunkel, ihre weiße Haut sehr weiß, ihr roter Mund sehr rot. Sie war ungewöhnlich schlank - ganz mädchenhaft, auch wenn es da nicht an den kleinen Rundungen unter ihrem leichten Kleid fehlte, wo kleine Rundungen sein sollte. (Elizabeth von Arnim: Verzauberter April, S. 70)

[Theorie & Praxis] Die beiden Jungen gaben nach und trabten in die Schneelandschaft hinaus. (..) Es war hundekalt. Der Schnee knirschte mit den Zähnen. "Ich weiß nicht recht", sagte Matthias nach einer guten halben Stunde, "aber in Büchern wirkt das Herumstiefeln im Schnee wesentlich schöner, als wenn die Stiefel einem selber gehören. (Erich Kästner: Zwei Schüler sind verschwunden)

[Zufrieden] Als Mrs. Wilkins am nächsten Morgen aufwachte, blieb sie einige Minuten lang im Bett liegen, bevor sie aufstand und die Fensterläden öffnete. Was würde sie von ihrem Fenster aus sehen? Eine strahlende Welt oder eine verregnete Welt? Aber schön würde sie sein, wie immer sie auch aussehen mochte. (Elizabeth von Arnim: Verzauberter April, S. 62)

[Gerade so] Lady Caroline hatte ihnen mitgeteilt, daß sie achtundzwanzig war-, doch nicht so alt, daß sie aufgehört hätte, geistig rege zu sein. (Elizabeth von Arnim: Verzauberter April, S. 39)

[Tüchtig] Sie hatte einen traurigen Gesichtsausdruck, war aber offensichtlich tüchtig. Diese Verbindung verwunderte Mrs. Wilkins immer wieder, denn Mellersh pflegte ihr an Tagen, wo sie bloß Scholle erwischt hatte, zu sagen, daß man bei Tüchtigkeit nicht niedergeschlagen sein konnte und daß man, wenn man seine Arbeit gut machte, automatisch nur so strahlte und sprühte. (Elizabeth von Arnim: Verzauberter April, S. 11)

[Anblick] Danach schaute sie Mrs. Arbuthnot mit einem Kettenhundblick an.(Elizabeth von Arnim: Verzauberter April, S. 13)

[Zusammenhang] Nach erotischen Niederlagen, so vermutete Nihal, wird die Moral gestärkt, und Arbeitsmoral geht vielleicht überhaupt auf erotische Niederlagen, jedenfalls aber auf Enttäuschungen zurück. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen)

[Anpassung] Die Gegenwart eines Förderers verleitet den Künstler dazu, die mäßigen Züge seines Wesens über die unmäßigen zu stellen und sich der Lebensart seines Mäzens anzugleichen. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.136)

[Mangel] Nihal, dessen Hintern zu schmächtig war, um eine gute Polsterung zu ersetzen, rutschte auf dem harten Sessel hin und her... (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.131)

[Widerspruch] Hinter der Tür des Kulturamts klapperte die Kultur, hinter der des Pfarramts die Religion. Er starrte die Aufschrift Kulturamt an, die, wie selbstverständlich, zwei einander widersprechende Begriffe vereinigte. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen)

[Routiniers] Sprach Nihal mit einem Beamten, der meistens so freundlich und so entgegenkommend war wie ein routinierter Geistlicher (alle ungefährlichen Funktionäre entwickeln diesen Ton)... (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.121)

[Tagesabschluß] Als Marianne eingeschlafen war, schlich er sich deshalb im fremden Pyjama, der um ihn schlotterte, aus dem Zimmer des Schloßherrn und stieg durch das verwahrloste Treppenhaus zu seiner Kammer hinauf. Dort las er, anstelle des Nachtgebets, einige Abschnitte aus einem Buch und zog sich schließlich, mit einer Aufwallung von Zufriedenheit, die Decke über die Ohren. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.98)

[Sommer] Die Nässe des Sommers, die jegliche Art von Korrosion begünstigt und den Garten in eintönigem Grün erstickt hatte, trocknete langsam aus. Die Blätter wurden farbiger, die Stengel filigraner. Fäden des Altweibersommers strichen um die Stirn. Stechmücken starben in der Nachtkälte oder flüchteten sich ins Haus, wo sie ohnmächtig an den Wänden dösten. Auch Heuschrecken kamen herein, und Grillen zirpten nachts in den Zimmern. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.89)

[Rache] Ausruf des von seinem Kind gestreßten Vaters: "Pokemon, das ist Japans Rache am verlorenen Krieg." (Steffen Mensching: Jacobs Leiter, S. 195)

[Gourmets] Ein Dessert aus elf verschiedenen, delikaten Einzelbestandteilen, unter denen, trotz der Berauschtheit, in die sechzehn Flaschen erlesenen Weins uns versetzt hatten, uns ein Pfirsischkompott von erhabenem, wunderbarem Wohlgeschmack aufgefallen ist. (Honore de Balzac: Ein Lebensbeginn)

[Skepsis] Die zweiundzwanzigjährige Madame Husson heiratete in ihrer ausweglosen Lage einen Beamten namens Clapart, einen jungen Mann von siebenundzwanzig Jahren, der, wie es hieß, zu Hoffnungen berechtigte. Gott bewahre die Frauen vor schönen Männern, die zu Hoffnungen berechtigen. (Honore de Balzac: Ein Lebensbeginn)

[Auf den Boden] Madame Moreau plusterte sich auf und schwebte im siebten Himmel, aber da wurde sie auf die Erde zurückgerufen wie ein Kinderdrachen durch Anziehen der Schnur. (Honore de Balzac: Ein Lebensbeginn)

[Ausstrahlung] Die Mischung von erloschenem Glanz früherer Tage, von verblichener Schönheit, von Zärtlichkeit, die sich ins Elend schickt, von Hoffnungen auf den Sohn, von heroisch ertragenen Leiden machte aus dieser Mutter eine der wundervollen Gestalten, die in Paris die Blicke des Beobachters reizen. (Honore de Balzac: Ein Lebensbeginn)

[Bewunderung] Wir lassen Brooklyn links, Queens rechts liegen. Als die Skyline auftaucht, vergesse ich die Todesgefahr. Wow. Yeah, it's really big apple. Mein Kidnapper grinst wohlgefällig, als habe er an jedem Wolkenkratzer mitgebaut. (Steffen Mensching: Jacobs Leiter, S. 8)

[Gestalten] Clapart trug einen schäbigen kleinen Gehrock und ausgetretene Hausschuhe, hatte immer eine grüne Brille auf und zeigte, wenn er seine schauderhafte, fünf Jahre alte Mütze abnahm, einen spitzigen Schädel; von diesem hingen dünne, schmutzige Strähnen herab, denen sogar ein Dichter den Namen Haar verweigert haben dürfte. (Honore de Balzac: Ein Lebensbeginn)

[Blut geleckt] Nun der Verwalter einmal von der köstlichen Frucht "Besitz" gekostet hatte, blieb sein Handeln dem Augenschein nach stets das redlichste von der Welt; aber fortan ließ er sich keine Gelegenheit mehr entgehen, sein heimliches Vermögen zu vermehren, und das Interesse seiner drei Kinder mußte dazu herhalten, das Aufbegehren seiner Ehrlichkeit zum Erschlaffen zu bringen. (Honore de Balzac: Ein Lebensbeginn)

[Vom Bauen] Die Bausünden der Alten, meinte Stockhammer, hätten überhaupt, wie auch ihre anderen Fehltritte, einen ganz bestimmten Reiz. Heute gebe es keine Bausünden mehr, sondern nur noch monströse Entgleisungen, und selbst das Ausgewogene sei reizlos, weil man das Gewicht des Unbekannten vergesse. Die alten Baumeister dagegen konnten sich in aller Ruhe kleine Verfehlungen leisten, genauso wie sich ein Bischof eine Mätresse leisten konnte, ohne daß deshalb eine besonderes Unordnung entstanden wäre. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.73)

[Aus der Art] Jede alte Familie bringt einmal, in dem meist vergeblichen Bemühen, ein Genie zu erzeugen, irgendeinen Sonderling hervor. Und selbst wenn die Mitlebenden ihn verfluchen, werden doch die Nachkommen ihn umhegen, weil er über das Zweckmäßige hinausgeht und so der ganzen Famile, sei's auch nur durch eine Verrücktheit, eine höhere Rechtfertigung verschafft. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.23)

[Anschein] Stockhammer, der Sohn eines einfachen Ingenieurs, erweckte, ohne es direkt zu sagen, gerne den Eindruck, aus einem mysteriösen Uradel zu stammen, der durch widrige zeiten profaniert worden war. (G. Amanshauser: Schloß mit späten Gästen)

[Benennung] Nur das Geburtsjahr konnte ich herausfingern und sonst noch paar Fakten und Vermutungen, was Journalisten Hintergrundmaterial nennen. (Günter Grass: Im Krebsgang, S. 13)

[Zuflucht] Wenn in Zukunft sich alles in spiegelnden Maschinenparks abspielt, wo durch Röhrenwerke die gerechte Güterverteilung gesichert ist, so wird es irgendwo im Schatten, in einem vergessenen Winkel, ein defektes Rohr geben, aus dem Nährbrei entweicht. Im Dunkel, wo die Speise herabsickert, wird man zuweilen huschende Gestalten bemerken. Würde Nihal dann noch leben, so müßte man dort nach ihm suchen. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.13)

[Quertreiber] An jedem Ort gibt es verschiedene Arten loser Partikel, die von der konformen Menge abspringen und herumtreiben. Sie erfinden sich Wechsel und Schlupfwinkel, Futter- und Vergnügungsplätze, die manchmal auf ingeniöse Weise die Brutstätten des saturierten Betriebs durchsetzen. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.13)

[Zufällig] Wer ohne bestimmten Plan spazierengeht, der erwartet immer, sei es auch unbewußt, eine interessante Überraschung. Theoretisch wäre es möglich, daß ein Meteor ihn träfe; er aber erhofft sich einen angenehmeren Treffer. Aus Zufällen entstehen Unterhaltungen, Schicksalsschläge und Bücher. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.10)

[Entziehen] Unter den vielen Methoden, unangenehme Gespräche zu vermeiden, hat Herr Müller die sicherste gewählt: nicht da zu sein. (Günter de Bruyn: Neue Herrlichkeit, S. 207)

[Beeindruckend] Ein Mädchen, das zum erstenmal Gelegenheit hat, ihre Bedrückung zu äußern, wird immer eindrucksvoll sein. (G. de Bruyn: Neue Herrlichkeit)

[Folgen] ...starke Verdunklung unseres Gemüts durch Leistungsdruck. (Günter de Bruyn: Neue Herrlichkeit)

[Roman Leben] Den Seufzer, der eine Pause füllt, deutet der Zuhörer mit Recht als Auftakt zu einem Lebensbericht. Er hört ihn sich in der Hoffnung an, durch ermunternde Fragen hinterher einen kürzeren zu hören, der ihn mehr interessiert - eine Erzählung, keinen Roman. Einen solchen nämlich nennt Olga ihr Leben. Einer, der flink mit der Feder ist, sagt sie, braucht ihn nur aufzuschreiben und ist, weil traurige Bücher am bestehn gehen, schon ein gemachter Mann. (Günter de Bruyn: Neue Herrlichkeit, S. 56)

[Gestalten] Miss Wiley war eine leicht irr wirkende kleine alte Dame mit eingefallenem Gesicht. Sie trug eine schwarze Krauhaar-Perücke, die aussah, als sei sie jahrelang an ein Scheunentor genagelt gewesen. (Kurt Vonnegut: DIe Sirenen des Titan, S. 81)

[Vergleich] Die Innenfläche von Rumfoords Hand war schwielig, aber nicht verhornt wie die Hand eines Mannes, der all sein Lebtag zu einem einzigen Handwerk verdammt war. Die Schwielen waren vollkommen glatt, durch die tausend frohen Mühen einer Klause entstanden, die sich aktivem Müßiggang hingab. (Kurt Vonnegut: DIe Sirenen des Titan, S. 22)

[Gerettet] Er hatte schon immer Höhenangst gehabt, und ihm wurde bereits schwindlig, wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte. Einmal, als er auf einem Stuhl gestanden hatte, um an euin Buch in einem hohen Regal zu kommen, mußte ihn eine Mannschaft durchreisender Philosophen beruhigen, welche die Feuerwehr heragekarrt hatte. (Philip Ardagh: Schlimmes Ende)

[Abseits] Frau N. in ihrer bürgerlichen Anständigkeit weiß nicht, daß Menschen, die der Schwermut verfallen sind, keinen Wert mehr darauf legen, der bürgerlichen Welt zu gefallen. (Luise Rinser: Abenteuer der Tugend, S. 203)

[Fester Glaube] Kleine Kinder liefen unermüdlich immer wieder ins Wasser und leerten ihre Eimerchen in Sandkuhlen, als wären sie beseelt von der unerschütterlichen Überzeugung, daß es irgendwann einmal nicht versickerte. (Harry Mulisch: Das Attentat)

[Ohne dem] Die Kraft des Fotos trat zutage, als sei das Auge des Betrachters die Entwicklerlösung. Das würde viel schneller gehen, meinte Buck, wenn Walter die Bildunterschrift dazu schreiben würde. "Das Haus, in dem Ernest und Lora Cool von ihrem Sohn Buxton Cool erschlagen wurden." "Wenn man sagen muß, worum es bei einer Sache geht", erwiderte Walter, "dann geht es nur noch um das, wovon behauptest, daß es dabei geht." (E. Annie Proulx: Herzenslieder, S.274)

[Klagen] Gott weiß, wie oft ich darüber geklagt hatte, daß ich nicht halb so viel Zeit hatte, als ich gebraucht hätte, um nur die Hälfte der Dinge zu tun, die mich lockten. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wann ich zum letztenmal einen Augenblick für mich gehabt hatte. Oft unterhielt ich mich damit, mir eine Woche vollständigen Müßigganges auszumalen. (William S. Maugham: Lord Mountdrago, S.21)

[Begegnung] Er war einer von jenen Menschen, die man nicht um irgendeiner leuchtenden Begabung willen gern hat (nichts dergleichen konnte dieser pensionierter Geschäftsmann vorweisen), sondern weil jeder Augenblick, den man mit ihnen verbringt, genau zum Maßstab des eigenen Lebens paßt. (Vladimir Nabokov: Das Bastardzeichen, S.103)

[Theorie] Theoretisch gibt es keinen endgültigen Beweis dafür, daß das morgendliche Erwachen (das Sichwiederfinden im Sattel seiner Persönlichkeit) nicht ein noch nie dagewesener Ereignis ist, ein richtiges erstes Geborenwerden. (Vladimir Nabokov: Das Bastardzeichen, S.99)

[Momente] Ein italienisch aussehender Bettler in malerischen Lumpen, der des Guten zuviel getan und ein besonders dramatisches Loch auch an der einen Stelle angebracht hatte, die normalwerweise keins haben konnte - nämlich unten in seinem erwartungsvollen Hut-, stand da und zitterte im Lampenschein fleißig vor Schüttelfrost. Drei Kupfermünzen hintereinander fielen und fielen. Ein Trupp von vier schweigsamen Professoren stieg die Rokokotreppen hinan. (Vladimir Nabokov: Das Bastardzeichen, S.49)

[Situation] Er klopfte sich bloß wichtigtuerisch an die Brust und grinste selbstzufrieden. Er erinnerte mich an eine Katze, die grade den Familienvogel verspeist hat und nichts verraten will, wie sie den Käfig aufbekommen hat. (Paul Auster: Mr. Vertigo, S. 144)

[Initiation] "Mabel war die fetteste, schwärzeste Mama, die man sich nur erträumen kann. Und so riesig, daß ich gar nicht erkennen konnte, wo sie anfing und wo sie aufhörte. Als ob man mit einem Nilpferd ringen würde, Walt. Aber wenn du den Dreh einmal raus hast, besorgt die Anatomie den Rest. Du kriechst als Junge zu ihr ins Bett, und eine halbe Stunde später schreitest du als Mann von dannen." (Paul Auster: Mr. Vertigo, S. 100)

[Vorhaben] Erwachsene waren unergründliche Wesen, und ich gelobte mir, falls ich selbst einer werden sollte, würde ich meinem alten Ich einen Brief schreiben und ihm erklären, warum sie so sind - aber vorläufig hatte ich genug davon. (Paul Auster: Mr. Vertigo, S. 95)

[Befreiung] Sobald es ging, lief sie davon, versteckte sich und befreite sich nach der Art ihres Geschlechts durch Tränen von ihrem Kummer. (Mark Twain: Tom Saywers, S. 146)

[Belästigt] Meyer-Bromberger (...) schaute auf meine Zigarette, als würde meine Zigarette Meyer-Brombergers Krebsprophylaxe durch literweise grünen Tee soeben mit Macht vereiteln, obwohl der Rauch nach links zog. (Birgit Vanderbeke: abgehängt, S. 65)

[Verdächtig] Man sagte auch, der Ort sei nach dem »Mörder« durchsucht (das Volk ist nicht träge, belastende Momente zu suchen und zu einem Urteilsspruch zu gelangen), daß er aber nicht gefunden worden sei. (Mark Twain: Tom Saywers, S. 89)

[Vorlesen] Er galt als wundervoller Vorleser. Bei allen kirchlichen Versammlungen wurde er aufgefordert, Verse vorzutragen, und wenn er damit fertig war, hoben die Ladies ihre Hände und ließen sie wieder in den Schoß fallen und verdrehten die Augen und schüttelten die Köpfe, als wollten sie sagen: Worte können hier nichts sagen, es ist zu wundervoll, zu wundervoll für diese Erde! (Mark Twain: Tom Saywers, S. 40)

[Sonntag] Mr. Walter war äußerst ernsthaft im Aussehen und sehr gutmütig und ehrenhaft vom Charakter. Und er hielt geistige Dinge und Angelegenheiten so sehr in Ehren und wußte sie so streng von allem Weltlichen zu trennen, daß seine Sonntagsschulstimme, ihm selbst unbewußt, einen gewissen Klang angenommen hatte, von dem sie an Wochentagen vollkommen frei war. (Mark Twain: Tom Saywers, S. 32)

[Vergleich] Dieser Bursche war gut gekleidet - zu gut für einen Werktag. Sonderbar. Seine Mütze war zierlich, seine enganliegende blaue Jacke neu und sauber, ebenso seine Hose. Er hatte Schuhe an, und es war erst Freitag! Er hatte sogar ein Halstuch um, ein wahres Monstrum von einem Tuch. Überhaupt hatte er etwas an sich, was den Naturmenschen in Tom herausforderte. Je mehr Tom das neue Weltwunder anstarrte, um so mehr rümpfte er die Nase über solche Geziertheit, und sein eigenes Äußeres erschien ihm immer schäbiger. (Mark Twain: Tom Saywers, S. 9)

[Diplomatie] Während Tom nun seine Suppe aß und nach Möglichkeit Zuckerstückchen stahl, stellte Tante Polly allerhand Fragen an ihn, arglistige und verfängliche Fragen, denn sie brannte darauf, ihn in eine Falle zu locken. Wie so viele gutherzige Geschöpfe, bildete sie sich auf ihr Talent in der höheren Diplomatie nicht wenig ein und betrachtete ihre sehr durchsichtigen Anschläge als wahre Wunder inquisitorischer Verschlagenheit. (Mark Twain: Tom Saywers, S. 6)

[Ermunterung] Und fester umfaßte sie meine Schultern, gab mir einen Kuß auf die Schläfe und murmelte: "Bleib, wie du bist. Ein selbstgewisser Mensch ist ein totes Wesen." (Ralf Rothmann: Flieh, mein Freund! S. 263)

[Unmoralisch] Möchte mal wissen, wie Frauen das hinkriegen, daß man sich ihnen gegenüber so schnell im Unrecht fühlt. Ich meine, daß sie schön sind, ist doch strapaziös genug. Aber daß sie ihre Schönheit dann noch wie etwas Scharfes, Schneidendes gebrauchen, finde ich irgendwie unmoralisch. (Ralf Rothmann: Flieh, mein Freund! S. 239)

[Angespornt] Er hört ihr zu mit derselben hypnotisierten Aufmerksamkeit, die er für alle aufbringt und durch die man das, was man sagen will, meistens um einen Schliff besser formuliert als gewöhnlich. (Ralf Rothmann: Flieh, mein Freund! S. 228)

[Vor/Nachteile] Wohnungen, die zu ebener Erde liegen, haben einen Vorteil und einen Nachteil. Der Vorteil ist: Man muß keine Treppen steigen. Und der Nachteil ist: Auch die Ameisen müssen keine Treppen steigen. (Ephraim Kishon: Der Ameisenkrieg)

[Reisen] "Vergiß es, Kleiner... Reisen muß man allein, mutterseelenallein, sonst geht dir nichts wirklich nah, Sobald du jemandem bei dir hast, ist alles nur noch halber Kram. Du nimmst tausend kleine Rücksichten oder verläßt dich auf ihn, und schon läßt deine Aufmerksamkeit nach und du beobachtest und empfindest viel weniger intensiv und weißt ein Jahr später schon nicht mehr, wo du gewesen bist." (Ralf Rothmann: Flieh, mein Freund! S. 207)

[Vorahnungen] Das Telefon klingelte. Es klang nicht gut. Normalerweise klingelt das Telefon einfach so, und manchmal erschrickt man, weil man mit einer Sache beschäftigt oder konzentriert ist und nicht mit dem Klingeln rechnet, aber manchmal hört man am Klingeln sofort, daß etwas ungut ist. (Birgit Vanderbeke: abgehängt, S. 21)

[Frauen] Ich liebe Frauen, schon allein ihren Anblick; jede hat etwas zauberhaftes, wirklich jede. Ich könnte stundenlang dasitzen und ihnen zusehen. Beim Nägellackieren zum Beispiel, oder wenn sie eine Bohrmaschine reparieren. Solange es Frauen gibt, möchte ich nicht sterben. (Ralf Rothmann: Flieh, mein Freund! S. 54)

[Voraussetzungen] Ein Sohn ohne Abitur, das war schon fast ein behindertes Kind. (Ralf Rothmann: Flieh, mein Freund! S. 40)

[Familie] Meine Eltern sind schon ein Fall für sich. Hätten die mich großgezogen, wäre ich jetzt Alkoholiker oder Junkie oder Skinhead - aus Trotz. Ich glaube, diese Generation ist einfach nicht dazu gemacht, Nachwuchs zu haben. Kinder sind nämlich verdammt konservativ, die wollen klare Verhältnisse, eindeutige Zustände, einen richtig intakten Familienstaat, den sie immer mal wieder aufmischen können. Und keinen, der schon ein Trümmerfeld ist. (Ralf Rothmann: Flieh, mein Freund! S. 37)

[Haudegen] Dem Grafen Bulanow eilte der Ruhm voraus, an vielen geheimen Duellen mit tödlichem Ausgang beteiligt gewesen zu sein, er war bekannt durch seine Liebesaffären mit den allerschönsten, allerunahbarsten Damen der Gesellschaft, durch verrückte Ausfälle gegen hochangesehene Persönlichkeiten sowie durch üppige Gelage, die unweigerlich mit zerrissenen Damenkleidern endeten. (Ilja Ilf; Jewgeni Petrow: Zwölf Stühle, S. 101f)

[Alles in dir] "Und jetzt muß ich dir mal so sagen, daß du hier drinnen in deinem Denken, einfach keine Grenzen hast. Du bist dein eigenes Universum. Dein eigenes Glück. Wenn man dich mit Silbernitrat einfärbt, könntest du deine eigene Fotoplatte sein." (A. L. Kennedy: Gleissendes Glück, S. 132)

[Gewohnheit] Sie drehte sich die Zigaretten - sei es aus Sparsamkeit, sei es aus Gewohnheit - selber, im Krieg Brombeerblättern. Erst viel später, es war fast eine Degenerationserscheinung, rauchte sie vorgefertigte Zigaretten. (Herbert Rosendorfer: Eichkatzelried, S. 122)

[Die eigene Geschichte] Er ließ noch einen Drink auffahren und erzählte, was er zu erzählen hatte, aber es hörte sich auch beim zweiten Mal nur so an wie ein fernes, fernes Echo der Geschichte, die alle Männer erzählten, seit es Männer gab auf der Welt, weil sie alle fest daran glaubten, nur auf diese eine, ihre, komme es je im Leben an. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 195)

[Vorlieben] Ihr erster Freier an diesem Tag war ein Pakistani - Orientalen standen auf Ellies weichem, blaugeäderten Fleisch, in dem sie mit einer Andacht versanken, als habe sich allein seinetwegen der weite Weg gelohnt. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 193)

[Vergleich] "Wenn es wirklich Ihren Gott gibt, dann muß er jeden Morgen, wenn er aufwacht und sich den Bockmist anschaut, den seine Kinderchen gebaut haben, vor Scham und Schrecken in die Hose machen. Dagegen ich, wenn ich morgens aufwache, was mache ich? Ich fühle mich sogar so gut, daß ich Gott alles verzeihe, was er in der Nacht angestellt hat. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 178)

[Sparsamkeit] Der Mann und das Mädchen mochten beide nicht älter als 30 sein, hatten aber die schweren Bewegungen und apathischen Gesichtszüge von Menschen, die auf ärztliche Anordnung ihre Kräfte so sparsam einsetzen müssen, daß das Ausdrücken einer Zigarette sie zum Atemholen zwingt und eine Bestellung beim Kellner an eine Testamentsänderung beim Familienanwalt erinnert. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 148)

[Gestalten] Der Übersetzer war einige Jahre älter als Harry und erinnerte mit seinem abgetragenem schwarzen Anzug an einen evangelischen Pastor - allerdings von der Sorte, von der man sich lieber beerdigen als taufen läßt. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 144)

[Unverdient] Denen, welche den wenigsten Genuß und Nutzen aus dem, was man gewöhnlich nennt, zu ziehen verstehen, fällt dieses sogenannte Glück sehr häufig in größter Fülle zu: die Geizigen dürfen Geld nach Belieben aufhäufen, die Dummköpfe erhalten die schönsten Frauen und wohlklingendsten Titel, die Murrköpfe erhalten einen weiten Kreis gutmütiger, fröhlicher Menschen, welchen sie nach Kräften die Existenz ungemütlich und zu einer Qual machen dürfen. (Wilhelm Raabe: Drei Federn, S. 142)

[Ein Punkt] ... vor meinem Glück, ... und nahe vor jenem bedenklichen Punkt, hinter welchem jeder Pfad im menschlichen Leben so abschüssig und schlüpfrig wird, daß an ein Umkehren so wenig wie auf dem gläsernen Berge des Märchens zu denken ist. (Wilhelm Raabe: Drei Federn, S. 77)

[Zurechtgebogen] Dieser Radioapparat von 1923 stand noch zu Kriegsende im Erker des erwähnten Speiszimmers und verkündete jetzt von Zeit zu Zeit die immer näher der Heimat erfochtenen Siege Hitler. (Herbert Rosendorfer: Eichkatzelried, S. 9)

[Freischreiben] Ich hatte die Kleinen zu Bett gebracht und benutzte die ruhige Stunde, um an die Schwester Anna zu schreiben, und konnte damit nicht fertig werden, da ich sehr viel weiß, wenn ich einmal angefangen habe. (Wilhelm Raabe: Drei Federn, S. 44)

[Momente] Dann tanzten wir weiter, aller jugendlichen Torheiten, Entzückungen und Schmerzen voll, wahrlich, wir waren sehr jung, sehr dumm und sehr mit uns zufrieden. Könnte man eine derartige gehobene Stimmung durch das ganze Leben konservieren, so würde es sich wohl ertragen lassen. (Wilhelm Raabe: Drei Federn, S. 15)

[Taktik] "Kann ich etwas für Sie tun?", fragte der junge Mann, der auf ihn zukam, in einem Tonfall, der die Frage in eine bejahende Antwort umkehrte und dabei so gesetzt und begütigend war wie der aller Bestattungsunternehmer gegenüber denen, die völlig gebrochen bei ihnen aufkreuzen. (Percy Kemp: Musk, S. 125)

[Unterschied] Francois Becker war mitnichten ein eleganter Mann. Er kleidete sich, um aufzufallen, während der wirklich elegante Mann seine Kleidung so wählt, daß er damit kein Aufsehen erregt. (Percy Kemp: Musk, S. 111)

[Reaktion] Er kickte einen Stein so heftig aus dem Weg, daß an seiner Gemütsfassung kein Zweifel bestand. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 84)

[Krise] Rolf war vor ein paar Wochen dreißig geworden, aber diese Zahl war auch in etwa das einzig Gesicherte an seiner augenblicklichen Lage. Irgendwie war plötzlich alles futsch gewesen. Job, Freundin, Wohnung, Hund, die ganze ausbalancierte Existenz. Wie morsche Pfähle hatte alles nachgegeben, und Rolf hatte aufpassen müssen, daß ihn nicht noch irgendein herabstürzender Balken erwischte. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 81)

[Mediziner] Pannkuch machte sich nicht die Mühe, die Zigarette auszudrücken. Icky war ein Besessener, und je mehr die Patienten qualmten und soffen, desto größer waren seine Chancen, sie an die Maschinen anzuschließen, die er jede Woche aus Baltimore, Chicaco und Sydney einfliegen ließ. Abgesehen davon hatte er, wie die meisten Ärzte, keine Ahnung vom Leben. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 38)

[Beschreibung] Er war ein gutmütiger Mann um die Vierzig, mit den letzten blonden Strähnen unter seiner Batschkapp und freundlichen blauen Augen, in denen immer eine prophylaktische Träne glänzte. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 40)

[Trost] Alles, was lebte, war anders als alles andere. Das war es, was das Leben gerade noch erträglich machte. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 53)

[Strategien] Wie alle Trinker verlegte er das Nahe gerne in die Ferne, nicht um dem notwendigen Unglück zu entgehen, sondern um die Pausen dazwischen zu verlängern. (Jörg Fauser: Mann und Maus, S. 24)

[Trinken] War es ihm je um Genuß gegangen? Er hätte es nicht sagen können. Man trank, um getrunken zu haben. Hatte man genug getrunken, trank man eine Flasche Spiritus auf ex, dann brauchte man nie mehr zu trinken. Und bis dahin trank man nicht bei Bedarf wie die Tiere, sondern wie eben Menschen trinken: aus Gewohnheit, aus Angst, und dann auf der Flucht. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 21)

[Alkohol] "Alkohol ist Tod", sagte Bernadette. "Hör mal, ich bin Barkeeper." "Dann verkaufst du den Tod. Ich hab's ja gleich gewußt." "Na ja, alles stirbt mal, nicht? Mit Alkohol schmeckt es wenigstens." (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 16)

[Einschätzung] Das Mädchen trank einen Schluck Tee, dann sah sie Strozzi an und sagte mit ihrer zarten, etwas heiseren Stimme: "Du siehst aus, als würdest du seit zwanzig Jahren darüber nachdenken, wie das mit der Liebe ist." (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 13)

[Beschreibung] Die Wirtin, eine verblühte Balkanesin mit den Manieren einer kleinstädtischen K.u.K.- Puffmutter, brachte Strozzi sein Weißbier. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 12)

[Tage] Er knallte die Tür zu. Es gab Tage, an denen ein Mann nicht einmal in seinen eigenen vier Wänden auf dem Bett liegen und dem Regen zuhören konnte, es gab Tage, an denen ein Mann nichts mit Frauen zu tun haben sollte. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 11)

[Forderung] Hilde hatte sich ein Handtuch um den Kopf gebunden. Wenn man ihre Haare nicht sieht, überlegte Strozzi, sieht sie fünf Jahre älter aus. Falten am Hals. Und an ihrem Gesicht könnte sie auch mal was machen, Gurken drauftun, die Brauen zupfen, Frauen müßten das doch wissen, wozu haben sie ihre Mütter, ihre Journale, ihre Freundinnen, die Glucken. (Jörg Fauser: Mann und Maus. Erzählungen, S. 9)

[Spannung] Sie sanken unter seinem Blick dahin wie die Fliegen. O Nerven der Frauen! Gäbe es sie nicht, es wäre langweilig auf dieser Welt. (Anton Cechov: Das Leben in Fragen und Ausrufen. Humoresken und Satiren 1880-1884, S. 165)

[Ehefrau] Gerades Näschen, wunderschöner Busen, wundervolle Haare, reizende Äuglein - kein einziger Druckfehler! Ich las sie Korrektur und heiratete. ... die Wimpern nicht diabolisch schwarz, sondern rot. O weh! Eine Ehefrau ist die Braut, die von der Zensur zur Hälfte zusammengestrichen worden ist! (Anton Cechov: Das Leben in Fragen und Ausrufen. Humoresken und Satiren 1880-1884, S. 144)

[Beruhigung] So eine Zigarette besänftigt das ganze System. Eine Weile paffte ich so vor mich hin, und die Nerven, die einen Zollbreit und mit gekräuselten Enden aus meinem Körper herausgestanden hatten, kuschelten sich alle wieder an ihren Platz zurück. Erfrischt und gekräftigt, war ich jetzt in der Stimmung, mich zu unterhalten. (Pelham G. Wodehouse: Bertie in wilder Erwartung, S. 170)

[Beziehungen] "Ich kann dir doch vertrauen, Bertie, nicht wahr?" "Selbstverständlich" "Ich hab's gewußt. Das ist das Schöne, wenn man mal mit einem Mann verlobt war. Wenn alles aus ist, empfindet man so geschwisterlich." (Pelham G. Wodehouse: Bertie in wilder Erwartung, S. 41)

[Personen] Pauline Stoker, ohne Zweifel eine Augenweide, litt unter einem schweren psychischen Defekt, den sie mit so manchen anderen jungen Frauen teilte, die darauf beharren, daß man vor dem Frühstück eine Meile schwimmt, und die einen, kaum daß man sich nach dem Lunch zu einem gemütlichen Nickerchen niedergelassen hat, für muntere fünf Sätze Tennis aus dem Hause jagen. (Pelham G. Wodehouse: Bertie in wilder Erwartung, S. 38)

[Vergessen] Im Whiskyglas läuteten die Eiswürfel dann klirrend diesen überflüssigen Tag aus. Ich hatte nur noch eines im Kopf: einen großen, einen übergroßen Ballantines, der glühend zwischen den verwitterten Klippen meiner Zähne brandete. (Jens Sparschuh: Lavaters Maske, S. 156)

[Freiwillig] "Gefällt Ihnen eigentlich Ihr Beruf?" wollte sie von mir wissen. "Ach - wenn man nicht schreiben muß, ist Schriftsteller schon ein toller Beruf." (Jens Sparschuh: Lavaters Maske, S. 140)

[Einschränkung] Sieh dir die Frauen an, sagt Susanne; wie zwiespältig sie aussehen! Der Blick auf ihren Busen ist zwar anspornend, aber schau dir die traurigen Gesichter darüber an! Der Blick! Die bitteren Lippen! Und schon ist klar, daß die Freude an ihrem Busen nicht groß sein wird. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag)

[Tagträume] Ich dachte daran, wie ich manchmal mit schicksalsschwer eingeknicktem Schritt vom Kontoauszusgdrucker nach Hause kam, müde die Treppen hochstieg und mich oben in der Wohnung, der Gravitationskraft folgend, aufs Sofa fallen ließ, um dort, allein mit mir, einsame Entschlüsse von großer Tragweite zu fassen - die dann allerdings, wenn ich wieder wach war, bisher noch nie so richtig zum Tragen gekommen war. (Jens Sparschuh: Lavaters Maske, S. 119)

[Gestalten] "Ich bin hier am Gymnasium der Deutsch-Pauker", so stellte der Mann sich vor. Er griente dazu schuldbewußt in seinen Bart. Insgesamt machte er einen etwas ikeahaften Eindruck. 68er Spätlese. (Jens Sparschuh: Lavaters Maske, S. 63)

[Waldi] Lange nickte er. Dieses Nicken erinnerte mich sehr an Waldi, den treuen Reisebegleiter meiner Kindheit. Das war ein rehbrauner Kunststoffdackel, der auf der Hutablage unseres Autos saß. Für jede Lebenssituation - Vollbremsung, Straßenlöcher, Umleitung - hatte Waldi eine stets passende Antwort parat: stoisches, unendliche wissendes Nicken. (Jens Sparschuh: Lavaters Maske, S. 46)

[Lächeln] Ich lächelte auch, aber im nächsten Moment verging mir das. Ich hatte bemerkt, daß ihr Lächeln einen Ausdruck angenommen hatte, den gehobene Unterhaltungsschriftsteller für gewöhnlich mit den nichtssagenden Wort "vielsagend" bestrafen. (Jens Sparschuh: Lavaters Maske, S. 33)

[Vertraut] Wir gingen nebeneinander her, die Mühle-Gasse hinunter zum Limmat-Quai. Ein kleiner Schweigemarsch. Bald wurde mir das unheimlich. Man muß sich schon sehr gut kennen, um so ausführlich miteinander schweigen zu können. (Jens Sparschuh: Lavaters Maske, S. 25)

[Getroffen] Der Bibliothekar stand an meinem Tisch. Bei ihm war eine junge Frau. Ich sah sie an - und sie mich, augenblicklich verfing ich mich in ihrem Silberblick, der ihre Ausstrahlung wunderbar bündelte, die Strahlen trafen sich genau vor meinem Gesicht, es kribbelte. (Jens Sparschuh: Lavaters Maske, S. 22)

[Relevanz] Ich habe diesen Dünkel von meiner Mutter geerbt. Mit ihr glaube ich, daß es sich nicht lohnt, die Welt ein ganzes Leben lang anzuschauen. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag, S. 79)

[Bestehen bleiben] Auch dann, wenn man Ärmel an Ärmel mit anderen Menschen lebt, braucht man die Unange- fochtenheit eines Mönchs. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag, S. 66)

[Barriere] In ihren hastigen Bewegungen erkenne ich die Blamage, zu oft zum Leben nur gezwungen zu sein. (W. Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag)

[Im Rampenlicht] Die Sonne flutet in die Wohnung und zeigt mir mein verflustes Leben. Im Sommer fühle ich eine zusätzliche Schuld. Um zehn Uhr abends ist es immer noch hell und morgens um fünf schon wieder. Die Tage dehnen sich unverschämt und machen mir klar, wie sehr ich sie verstreichen lasse. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag, S. 45)

[Befürchtung] In Wahrheit überfällt mich immer öfter eine Schweigelust, die mir ein bißchen angst macht, weil ich nicht weiß, ob soviel Schweigen, wie ich es zum Leben brauche, noch normal ist oder vielleicht der Beginn meiner inneren Krankheit. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag, S. 44)

[Geborgen] Unser letzter Versuch eines Beischlafs ist uns auf wunderbare Weise entglitten. Wir lagen eine Weile nebeneinander, ich mit dem Gesicht zwischen ihren Brüsten, was uns so gut gefiel, daß wir nach kurzer Zeit einschliefen. Es war, als hätten wir plötzlich gemeinsam vergessen dürfen, daß es Sexualität gab. Als wir aufwachten, lagen wir eingehenkelt nebeneinander wie ein älteres Ehepaar. Mit Lisa zusammen war es mir möglich, auf eine nachträgliche Genehmigung des Lebens durch mich selber zu verzichten. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag, S. 37)

[Unterschiede] Ein Segelflugzeug am Himmel ist wunderbar, zwei Segelflugzeuge sind schon eine öffentliche Bedürfnisbefriedigung. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag, S. 18)

[Die Genehmigung] Daß ich ohne meine innere Genehmigung auf der Welt bin. Genaugenommen warte ich noch immer darauf, daß mich jemand fragt, ob ich hier sein möchte. Ich stelle es mir schön vor, wenn ich, sagen wir: heute Nachmittag diese Genehmigung erteilen könnte. (Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag, S. 14)

[Versumpft] Herr Keller - ein äußerst unbeständiger Mensch, ein Mensch, dem das Wesen nüchterner Tage schon längst in nebelhafte Ferne entrückt ist. (Fedor M. Dostoevskij: Der Idiot, S. 680)

[Fabulierer] "Ich habe mit ihm, meine Herren, schon des öfteren diskutiert und debattiert, immer über Themata ähnlicher Art; aber meist behauptet er dann solche Absurditäten, daß einem die Ohren vom Anhören welk werden! Nicht für einen Groschen Wahrscheinlich- keit!" (Fedor M. Dostoevskij: Der Idiot, S. 579)

[Animosität] Wenn jemand eine Warze auf der Stirn oder auf der Nase hat, so meint er ja unfehlbar, alle Menschen hätten auf der Welt nichts weiter zu tun, als dieses Warze anzusehen, über sie zu lachen und ihn ihretwegen zu verachten, selbst wenn er Amerika entdeckt hätte. (Fedor M. Dostoevskij: Der Idiot, S. 506)

[Heißsporn] Lisaweta Prokofjewna war eine heißblütige Dame, die sich leicht hinreißen ließ, so daß sie manchmal ganz plötzlich und ganz unbedacht alle Anker lichtete und ins offene Meer hinausfuhr, ohne vorher nach dem Wetter zu fragen. (Fedor M. Dostoevskij: Der Idiot)

[Alkoholiker] Der General war, wie alle Trinker, sehr zartfühlend, und wie alle heruntergekommene Trinker verwand er es nur schwer, wenn man ihn an seine bessere Vergangenheit erinnerte. (Fedor M. Dostoevskij: Der Idiot, S. 378)

[Ausgleich] Alle Menschen sind geistreich, nur ich allein bin es nicht. Als Schadensersatz habe ich dafür die Erlaubnis erhalten, die Wahrheit zu sagen, da doch bekanntlich nur jene die Wahrheit sagen, die nicht geistreich sind. (Fedor M. Dostoevskij: Der Idiot, S. 214)

[Anziehend] Warwara Ardalionowa war ein Märchen von dreiundzwanzig Jahren, mittelgroß, ziemlich mager und mit einem Gesicht, das nicht gerade schön war, dafür aber das Geheimnis in sich barg, ohne Schönheit zu gefallen und bis zur Leidenschaft anzuziehen. (Fedor M. Dostoevskij: Der Idiot, S. 142)

[Wirkung] Strahlend erzählt er mir von seiner Frau und den vier wohlgeratenen Söhnen, und, so nah bei ihm, ist man geneigt, die Welt für heilbar zu halten, ja für gar nicht krank. (Luise Rinser: Kriegsspielzeug. Tagebuch 1972- 1978, S. 72)

[Schön sein] Sie ist eine von jenen Madison-Avenue-Püppchen, die sich ihre Backenzähne ziehen lassen, um ein apartes Gesicht (eingefallene Wangen) zu erzielen. (Saul Bellow: Der Regenkönig, S. 270)

[Gesundung] Sie wissen, wie das bei manchen Menschen ist, wenn sie von zehrenden Krankheiten genesen. Sie werden merkwürdig empfindlich; sie laufen herum und grübeln; die geringsten Beobachtungen erregen sie, sie werden sentimental; in jeder Ecke sehen sie etwas Schönes. (Saul Bellow: Der Regenkönig, S. 261)

[Fähigkeit] Er hatte jene Bewegung der Augen überrascht, die Frauen von Welt erlaubt, alles zu sehen, ohne sich umzuwenden. (Francois Mauriac: Fleisch und Blut, S. 115)

[Dilettant] Edward hob ein wenig die Schultern. Seit Monaten kannte er seine Unfähigkeit. Ewiger Amateur, der er war, spiegelten seine Bilder seine Bewunderungen. Er, der sich ausschließlich für sich selbst interessierte, wie hätte er nicht von seinem Werk angeekelt sein sollen, in dem er nur die anderen wiederfand? Sein maßloser und immer verletzter Ehrgeiz konnte die Teilnahmslosigkeit und die Verachtung der wirklichen Künstler nicht mehr ertragen. (Francois Mauriac: Fleisch und Blut, S. 73)

[Windhauch, alles Windhauch] "Die Schuttmassen vergeblichen Bemühens füllen das Grab und den Sarg", sagte er, "der Staub frißt wieder, was aus ihm gebildet war, und doch fließt der Lebensstrom immer noch. Es gibt eine Entwicklung. Daran müssen wir denken." (Saul Bellow: Der Regenkönig, S. 227)

[Eindrucksvoller] Man sagt, (...) daß das Böse leicht Eindruck macht, Schwung hat oder Bravour und die Seele schneller mitreißt als das Gute. (Saul Bellow: Der Regenkönig, S.161)

[Beschreibung] Romilayu sag sehr kläglich aus, und ich legte meinen Arm um ihn. Der Staub der Unterwerfung hatte sein Gesicht völlig zerfurcht, und sein Pudelhaar starrte vor grauem Pulver; sogar sein verstümmeltes Ohr war weißlich wie ein Zuckerplätzchen. (Saul Bellow: Der Regenkönig, S. 114)

[Vorsicht] May hatte ihn nur darum nicht angesprochen, weil Frau Gonzales umherging, mit ihrer Lorgnette wie mit einer doppelläufigen Flinte bewaffnet. (Francois Mauriac: Fleisch und Blut)

[Beinahe] Es gibt manchmal einfach dieses Gefühl, ganz nahe an etwas Unerhörtem gewesen zu sein. (Paulus Hochgatterer: Über Raben)

[Handicap] Das Diner vom Vorabend machte ihm zu schaffen. Er litt unter Blutdruck. Seine Angst vor dem Tode hielt ihn vor einem jener grauenhaften Wutausbrüche zurück, die ehedem das Haus mit Jammer erfüllten. (Francois Mauriac: Fleisch und Blut, S. 62)

[Einordnung] "Dann bin ich also für Sie intelligent, sympathisch und mißraten?" "Aber nein, aber nein! Sie sind der reife Mann, der der Träumerei nicht entsagt hat. Sie haben all das zu vermeiden gewußt, was mich sonst bei Männern Ihres Alters niederschlägt; das, was man Erfahrung nennt, und alle die berufsbedingten Entartungen." (Francois Mauriac: Fleisch und Blut, S. 55)

[Typus] Ihr Lächeln enthüllte einige Goldzähne. Eine blaue Vene zeichnete sich auf ihrer blassen Stirn ab, wo zwei Schläfenlocken, wie mit dem Pinsel gezogen, Zeugnis davon ablegten, daß die Dame sich ihres spanischen Typs bewußt war. (Francois Mauriac: Fleisch und Blut, S. 17)

[Versäumnis] Ich nahm an der Hochzeit teil und war Charlies Trauzeuge. Weil ich jedoch die Braut nach der Feierlichkeit zu küssen vergaß, entwickelte sich bei ihr eine gewisse Kühle, und schließlich wurde sie mein Feind. (Saul Bellow: Der Regenkönig, S. 41)

[Belohnung] Wer weiß, welche Wonnen dem Schmetterling dieser Berg bereitet, der sich in seinen Augen spiegelt. Nur einige Tage leben, aber man kann nicht feststellen, ob für diese kurze Lebensdauer nicht als Lohn Form- und Farb-Ekstasen gegeben werden, die uns unzugänglich bleiben. (C. Milosz: Tal der Issa)

[Verschleierung] Tante Helena saß neben ihm mit dem sanften Nebel einer Resignation im Blick. (Czeslaw Milosz: Tal der Issa, S. 179)

[Zustände] Wenn Lisa so verdrießlich war, wußte ich, daß sie in Kürze ihre Tage haben würde und dicht an der Weinerlichkeitsgrenze lebte. (Wilhem Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag)

[Treffen] Auf der Treppe begegnet mir Feuilletons- redakteur Schmalkalde, der mich nicht wiedererkennt. Vor neunzehn Jahren sammelte er einmal alles, was anonyme Prospektverteiler ein Jahr lang in seinen Briefkasten steckten. Aus dem Material wollte er eine 'kommunikationskritische Fibel' machen, die jedoch nie gedruckt wurde. Jetzt geht Schmalkalde wie in nie erschienenes Buch an mir vorbei uns schaut auf den Boden. (W. Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag)

[Taktik] Sie wandte verschiedene Listen an, um sich in ihrem Innern zu einem Knäuel zusammenrollen zu können. (Czeslaw Milosz: Tal der Issa, S. 18)

[Zwanghaft] Ist ihr etwas Pikantes auf der Zunge, so muß es heraus, und die Pietät wird zu Grabe geläutet. (Theodor Fontane: Unwiederbringlich, S. 173)

[Moralitäten] Ich weiß wohl, die Menschen sollen tugendhaft sein, aber sie sind es nicht, und da, wo man sich drin ergibt, sieht es im ganzen genommen besser aus als da, wo man die Moral bloß zur Schau stellt. Leichtes Leben verdirbt die Sitten, aber die Tugendkomödie verdirbt den ganzen Menschen. (Theodor Fontane: Unwiederbringlich, S. 170)

[Unscheinbar] Die Pastorin war eine kleine dicke Frau mit aufgesetztem schwarzen Scheitel und roten Backen, überhaupt von großer Unscheinbarkeit, aber nie darunter leidend, weil sie zu den Glücklichen gehörte, die sich gar nicht mit sich selbst und am wenigsten mit ihrer äußeren Erscheinung beschäftigen. (Theodor Fontane: Unwiederbringlich, S. 149)

[Kleine Freuden] Um sieben, so setzte sie zu Holk gewandt hinzu, sei wie gewöhnlich die Teestunde; Pastor Schleppegrell und Frau kämen allerdings etwas früher, um ihr die Hilleröder Neuigkeiten mitzuteilen, worauf sie sich aufrichtig freue; kleinstädtische Vorgänge seien eigentlich immer das Interessanteste, man müsse so herzlich darüber lachen, und wenn man alt geworden, sei das Lachen über seine lieben Mitmenschen so ziemlich das Vergnüglichste, was man haben könne. (Theodor Fontane: Unwiederbringlich)

[Ehe-Ödnis] "Am liebsten freilich behielt' ich die Kinder um mich; sind sie fort, so hab' ich nichts als eine furchtbar vorzügliche Frau, die mich bedrückt. Sie weiß das auch, und mitunter, glaub' ich, wird ihr selber vor ihrer Vorzüglichkeit bange." (Theodor Fontane: Unwiederbringlich, S. 131)

[Vollendung] "Liebesgeschichten dürfen nicht halb sein, und wenn es sich so trifft, daß die mitleidslose Wirklichkeit den Faden vor der Zeit abschnitt, so muß er künstlich weitergesponnen werden. Das verlangt jeder Leser im Roman, und das verlangt auch unsere Prinzessin." (Theodor Fontane: Unwiederbringlich)

[Zerrbilder] "Aber das ist es ja eben, weshalb ich Ihnen die Weiberkenntnis abspreche. Wenn Sie die hätten, so würden sie wissen, daß gerade die, die dies und das auf dem Kerbholz haben, sich durch nichts so sehr verletzt fühlen wie durch ein grobes und unter Umständen selbst durch ein leises Zerrbild ihrer selbst." (Theodor Fontane: Unwiederbringlich, S. 126)

[Frauen] Du bist ein Engel, wie alle schönen Frauen, wenn sie nicht bloß schön, sondern auch gut sind, ein Fall, der freilich selten eintritt, und ich persönlich wenigstens habe nichts Besseres kennengelernt als dich. (Theodor Fontane: Unwiederbringlich, S. 65)

[Gestalten] Als Pentz' Gegenstück konnte Erichsen gelten; wie jener ein Apoplektikus, so war dieser ein geborener Hektikus. Er stammte aus einer Schwindsuchtsfamilie, die, weil sie sehr reich war, die Kirchhöfe sämtlicher klimatischer Kurorte mit Denkmälern aus Marmor, Syenit und Bronze versorgt hatte. (Theodor Fontane: Unwiederbringlich, S. 71)

[Musik] Dann formulierte er die Bemerkung, die Aufforderung, an niemanden im besonderen gerichtet, deren prophetische Kraft, schön und schrecklich, er unmöglich hatte vorausahnen können. Wer über Musik spricht, spricht nun mal auf Umwegen. "Don't play the notes", sagte er freundlich, "just humanize them." (Margriet de Moor: Kreutzersonate, S. 47)

[Aversion] Im übrigen habe ich nichts gegen das Telefon, solange es noch eine Wählscheibe hat. Das Tastentelefon wäre nur dazu gut, die Ingenieure der Firma Siemens zu erschlagen. Wenn ich das Wort "speichern" höre, wird mir übel. Meine Kinder dürfen zu jedem Geburtstag einen Taschenrechner mit dem Hammer zertrümmern. (Joseph von Westphalen: 33 weiße Baumwollunterhosen, S. 68)

[Stolz] Meine Verwandten sind stolz auf mich, weil ich es zu etwas gebracht habe, und ich bin, um ehrlich zu sein, stolz auf sie, weil sie es zu nichts gebracht haben. (Michael Frayn: Wie macht sie's bloß?)

[Durchgefallen] Wenn jemand leidet, dann ich. Ich habe einen Arbeitsplatz, aber keinen Wagen, in dem ich hinfahren könnte, weil die hiesigen Fahrprüfer sich weigern, meinen poststrukturalistischen Fahrstil anzuerkennen. (Michael Frayn: Wie macht sie's bloß?)

[In Vino veritas] Wir saßen irgendwo auf einem Brückengeländer. Es war spätabends. Wir gaben beide lauter Wahrheiten und Weisheiten von uns, wahrscheinlich waren wir blau. (Michael Frayn: Wie macht sie's bloß? S. 100)

[Belebt] Es war eines jener Londoner Stadtviertel, wo man mit ein bißchen Glück innerhalb ein- und desselben Blocks von Rastas ausgeraubt und von Wertpapierhändlern vollgekotzt werden kann. (Michael Frayn: Wie macht sie's bloß? S. 53)

[Gerüche] An einigen Wintertagen hatte er sich vor kurzem noch zur Hochschule fahren lassen, um ein zu bequemer Stunde stattfindendes Kolleg über Kunstgeschichte zu hören; er besuchte es nicht mehr, da die Herren, die außer ihm daran teilnahmen, dem Urteil seiner Gesuchsnerven nach bei weitem nicht genug badeten. (Thomas Mann: Schwere Stunde, Erzählungen, S. 136)

[Müßiggang] Die Zeiteinteilung im Hause war unter dem Gesichtspunkte getroffen, daß der Tag schnell und ohne fühlbare Stundenleere verstreichen möge. Stets rückte rasch die nächste Mahlzeit heran. Man dinierte vor sieben; der Abend, die Zeit des Müßigganges mit gutem Gewissen, war lang. Die Tage entschwanden, und so hurtig kamen und gingen die Jahreszeiten. (Thomas Mann: Schwere Stunde, Erzählungen, S. 136)

[Essen] Essen Sie eigentlich gern? Essen Sie mit Vergnügen? Wo nicht, desto schlimmer für Sie. Mir ist jede Mahlzeit ein kleines Fest. Jemand hat gesagt, das Leben sei doch schön, da es so eingerichtet sei, daß man täglich viermal essen könne. (Thomas Mann: Schwere Stunde, Erzählungen)

[Beim Arzt] Neulich fand ich im Wartesaal eines Arztes in der Brigitte einen dreiseitigen Beitrag über die Quantenmechanik. Die Autorin behauptete darin, dass es laut der Quantenmechanik keine Zeit gibt. Das ist keine erfreuliche Botschaft, besonders wenn man über zwei Stunden beim Arzt im Warteraum sitzt und immer kränker wird. (Wladimir Kaminer: Russendisko)

[Phase] Ein junges Mädchen, das ganz wächsern aussieht und sich in einem gespannten Alter befindet, in welchem man sehr wohl auf delikate Gedanken verfallen kann... (Thomas Mann: Schwere Stunde, Erzählungen, S. 101)

[Potenzial] Fragte man ihn, was in aller Welt er zu werden gedachte, so erteilte er wechselnde Auskunft, denn er pflegte zu sagen (und hatte es auch bereits aufgeschrieben), daß er die Möglichkeiten zu tausend Daseinsformen in sich trage, zusammen mit dem heimlichen Bewußtsein, daß es im Grunde lauter Unmöglichkeiten seien... (Thomas Mann: Schwere Stunde, Erzählungen, S. 32)

[Beziehungen] "Nett von dir, daß du mich besuchst. Möchtest du einen Kaffee?" "Nein, danke." Seit fünfundzwanzig Jahren bietet mir meine Frau Kaffee an, und ich frage mich, ob sie jemals gemerkt hat, daß ich keinen trinke. (...) Für meine Frau empfand ich auch Zärtlichkeit, traute ich aber nicht, es ihr zu zeigen, vermutlich, weil sie es fertiggebracht hätte, über eine derartige Gefühlsregung zu sprechen oder mich dafür sogar noch zu loben. (Ivan Klima: Liebe und Müll)

[Beschwerden] Die Sprechstundenhilfe hatte sich zurückgezogen, ich hörte irgendwo eine Tür leise zuklappen. Ich setzte mich in den Sessel, wo sonst Menschen mit Depressionen, Schwermut, unterdrückten Leidenschaften, mit einen Ödipuskomplex oder gar mit Selbstmordneigungen sitzen. Mir taten nur die Füße weh. (Ivan Klima: Liebe und Müll, S. 55)

[Begegnung] Mit einer Gangart, in der sich flegelhafte Wurstigkeit gepaart mit dem Bewußtsein der eigenen Wichtigkeit ausdrückte, näherten sich uns zwei Polizisten. (Ivan Klima: Liebe und Müll, S. 50)

[Irreversibel] Beklommen machten mich nicht irgendwelche Zweifel an der Richtigkeit meiner Wahl, sondern das Bewußtsein, daß ich mich ein für allemal entschieden hatte. (Ivan Klima: Liebe und Müll, S. 40)

[Begegnung] Es war eine gutaussehende Rothaarige, die zu mir auflächelte. (...) "Ich suche Gloria Westhaven." "Ich bin Gloria Westhaven", sagte sie, schlug die Beine übereinander und zog ihren Rock zurück. Und ich hatte gedacht, man müsse erst sterben, um in den Himmel zu kommen. (Charles Bukowski: Fuck Machine)

[Nur wenig] Im übrigen bedarf es zweifellos eines gewissen Grades von Hohlköpfigkeit, ständig mit sich selbst und allem zufrieden zu sein. Freundliche Stunden aber hat ein jeder. Ein Gefangener sitzt auf seinem Karren und fährt zum Schafott. Auf dem Sitzbrett quält ihn ein Nagel, er rückt zur Seite und fühlt sich behaglicher. (Knut Hamun: Gedämpftes Saitenspiel)

[Kriegswirkungen] Damals waren wir alle mehr oder weniger Waisen von Vatersseite her, denn die Herren Väter waren tot oder an der Front, und diejenigen, die geblieben waren, wirkten herabgemindert und entmännlicht und waren bemüht, sich bei ihren Söhnen in Vergessenheit zu bringen. (Jean-Paul Sarte: Die Wörter, S. 128)

[Verzückt] Augenscheinlich gab es unendlich viele Dinge, die sie mit Liebreiz machen konnte. Er hätte sogar nichts dagegen, Medizin zu schlucken, richtig widerliche Medizin, wenn es Rose wäre, die sich mit der Dosis über sie beugte. (Elisabeth von Arnim: Verzauberter April, S. 224)

[Politik] Es heißt, daß am Ende Moriat die neue Regierung bilden wird und daß er sein Kabinett schon in der Tasche hat. Viviane zufolge will er eine Regierung aus Fachleuten zusammenstellen, die bisher keine politischen Ämter innehatten. Das empfiehlt sich offenbar immer dann, wenn die Öffentlichtkeit jedes Vertrauen verloren hat. (Georges Simenon: Im Falle eines Unfalls)

[Atemlos] Ich habe schon lange keinen Urlaub genommen. Ich bin erschöpft. Obwohl Viviane älter ist als ich, bringt sie es fertig, ein Leben zu führen, bei dem mir die Luft ausgeht. (Georges Simenon: Im Falle eines Unfalls, S. 81)

[Eigenschaft] Sie gehörte zu denen, die sich steigern, wenn sie nervös sind, die es wie ein Privileg erscheinen läßt, daß du ihre Nervosität entdeckst. (Nicholson Baker: Vox, S. 125)

[Entwicklung] "Phantasien unterliegen einem starken evolutionären Druck, nicht?" sagte er. "Wenn es nicht funktioniert und wenn es sich nicht in etwas Funktionierendes verwandelt, dann hält es sich nicht." (Nicholson Baker: Vox, S. 85)

[Taktik] An der Tatsache, daß seine Frau ihm seine Lieblingsspeise - gefüllte Paprikaschoten - vorsetzte, erkannte der Gerichtsvollzieher Hubert Hall, daß sie wieder einmal um Milde für einen seiner Klienten bitten würde. (Heinrich Böll: Ende einer Dienstfahrt, S. 67)

[Gangart] Vor uns Ruth & Felix eingehakt. (Der Letztere mit dem unedlen Gang eines Mannes, dem der Bundgummi der Unterhose geborsten ist... (Arno Schmidt: Die Wasserstrasse)

[Ähnlich] Horn war ein älterer Herr, sauber und würdig gekleidet, weißhaarig und mit jenem Air rotgesichtiger Jovialität ausgestattet, mit dem er gut und gern als emeritierter Prälat hätte durchgehen können. (Heinrich Böll: Ende einer Dienstfahrt, S. 38)

[Geplagt] ... stiere Kühe, von Bremsen geplagt, wie Autoren von Rezensenten (Arno Schmidt: Die Wasserstrasse)

[Statur] Ruth, Vollebüste-Füllebauch, (ein Wüstenscheich hätte 2 Oasen für sie geboten) ... (Arno Schmidt: Die Wasserstrasse)

[Bevorzugung] ... die weißgrau=schweigende Katze auf dem Erlenstumpf : "Ich schätze diese Tiere - doch : Pflanzen auch - fast über Gebühr; allein schon deshalb, weil sie sämtlich Nicht-Kristn sind". (Arno Schmidt: Die Wasserstrasse)

[Natur] 1 verschleierte, sehr hitzige Nachmittagssonne; ('Die Verschleiertn sind die Schlimmstn'). Und doch auch schon die erste Wolke; die es so eilig über den Himmel hatte, daß sie ein Stück verlor... (Arno Schmidt: Die Wasserstrasse)

[Charakteristik] Lord Ingram, ebenso groß wie seine Schwestern, gutaussehend, aber mit dem gleichen apathischen glanzlosen Blick wie Mary, ein junger Mann, dessen Körpergröße nicht über den Mangel an Heißblütigkeit und Willenskraft hinwegtäuschen konnte. (Charlotte Bronte: Jane Eyre, S. 230)

[Bei der Sache] Suppe und Fisch waren im letzten Stadium der Zubereitung, und die Köchin beugte sich über ihre Kessel mit einer Hingabe, daß man fürchten mußte, sie würde sich jeden Augenblick in Flammen auflösen. (Charlotte Bronte: Jane Eyre, S. 221)

[Alter] Wir tranken Wein und sprachen über das Alter, als wüßten wir etwas darüber. Jetzt, vierzig oder fünzig Jahre später, weiß ich, was Alter ist, und ich kann nichts, gar nichts Gutes daran finden. Alles, was Gutes über das Alter gesagt ist, ist dumm oder gelogen; über die Weisheit des Alters zum Beispiel, als könnte man nicht weise werden, ohne bei lebendigem Leibe zu verfaulen. Das langsame Ertauben, Erblinden, Erstarren, Verblöden. (Monika Maron: Animal triste)

[Ausstrahlung] ... die wunderschöne Maddi Canestrini (...); ihr berühmte Busen war niemals in derartiger Vollständigkeit zu bewundern gewesen, und er strahlte - wie jemand bemerkte - in der Menge wahrhaftig wie der Leuchtturm auf dem Kap der Guten Hoffnung. ( (Dino Buzzati: Panik in der Scala)

[Morphologie] Von Ali war nichts zurückgeblieben als Parsifal, ein dackelähnlicher gelber Hund mit einem drahtigen geringelten Schwanz und einem viel zu großen, schönen, eher zu einem Schäferhund passenden Kopf. Es war unmöglich, mit Parsifal eine Straßenbahn zu besteigen, ohne ratlosese Gelächter hervorzurufen, was Pazifal als Zustimmung empfand und mit spastischen Zuckungen seines spiralförmigen Schwänzchens beantwortete. (Monika Maron: Animal triste)

[Erfahrung] Ich neige eher dazu, die Wirklichkeit, wenn sie mir zu schön erscheint, für einen Traum zu halten. Das Glück, sagt Franz, ist flüchtig; das steht in den Büchern, und in unserem Alter weiß man das auch aus Erfahrung. (Monika Maron: Animal triste)

[Kunststück] Dann zelebrierte ich die magischen Riten, die einen Kellner dahin bringen, daß er erscheint. (Guiseppe Tomasi di Lampedusa: Die Sirene)

[Todeskultur] Ein bißchen komisch fand ich alle Beerdigungen, die ich miterlebt habe. Die Übereinkunft zu trauern, ob man den Toten gemocht hat oder nicht, die verschlampten Rituale, die ungenierten Lügen der professionellen Grabredner ließen mir nur die Wahl, diese hastigen Inzensierungen des Abschieds komisch oder peinlich zu finden. (Monika Maron: Animal triste)

[Einbruch] Ich weiß noch nicht einmal, ob Liebe einbricht oder ausbricht. Manchmal glaube ich, sie bricht in uns ein wie ein anderes Wesen, das uns monatelang, sogar jahrelang umlauert, bis wir irgendwann, von Erinnerungen oder Träumen heimgesucht, sehnsüchtig unsere Poren öffnen, durch die es in Sekunden eindringt und sich mit allem mischt, was unsere Haut umschließt. (Monika Maron: Animal triste, S. 28)

[Beim Friseur] Mein Großvater unterhielt sich mit seinem Friseur immer über Fußball, obwohl er gar nichts davon verstand. Er war der Ansicht, daß Friseure sich am liebsten über Fußball unterhalten und daß die Qualität eines Haarschnitts immer nur genauso hoch sein konnte wie das Niveau der Fußballdebatten mit dem Friseur. Für jemanden, der absolut nichts von Fußball verstand, hatte mein Großvater immer einen sehr sauberen Haarschnitt. (Günter Ohnemus: Zähneputzen in Helsinki)

[Figuren] Meine Großmutter hatte eine imposante Figur, stattlich könnte man sagen. Sie hätte gut für die Freiheitsstatue in New York Modell stehen können. Und mein Großvater war ein kleiner Mann. Er war aber nicht so klein, daß die beiden zusammen komisch ausgesehen hätten. Niemand mußte lachen, wenn er sie zusammen sah. Meine Großmutter war gerade um soviel kleiner als meine Großmutter, daß es nicht komisch aussah. (Günter Ohnemus: Zähneputzen in Helsinki)

[Fleisch-Droge] Auf manche Leute hat der Geruch von Gulasch dieselbe Wirkung wie auf andere Leute der Genuß von Alkohol. (Günter Ohnemus: Zähneputzen in Helsinki)

[Wünsche] Es war die Nacht der erfüllten Wünsche. Jedes Kind träumt davon, daß es einmal einen Schneeball in ein Fenster wirft, der Dinge auslöst, die man sonst nur im Kino erlebt. (Günter Ohnemus: Zähneputzen in Helsinki)

[Grenzen] ... in einer zu engen Haut zu stecken, die man das Leben nennt. (Botho Strauß)

[Erkennungszeichen] Wir saßen zu fünft in einem kleinen Fiat 500. Es war eines von den älteren Modellen, bei denen die Türen noch nach hinten aufgingen. Zwei von uns streckten die Beine aus der Dachluke. Daran erkannten uns die Leute immer. Wenn sie einen kleinen weißen Fiat sehen, bei dem vier Füße im Dach steckten, wußten sie, daß wir es waren. Sie hätten uns auch so erkannt, aber sie orientierten sich lieber an den Füßen im Dach. (Günter Ohnemus: Zähneputzen in Helsinki)

[Seltsames Laster] Dieser Junge hatte das das Laster der Tadellosigkeit, das bei Kindern doppelt unheimlich ist. (Hermann Hesse: Das Nachtpfauenauge)

[Lauter Leute] Ich höre jetzt schon seit über zwei Stunden immer wieder dieselbe Platte, Midnight Special von Harry Belafonte ... lauter Lieder von Leuten, die auch nicht ins Bett wollen und die anfangen, Ortsnamen neu zu buchstabieren und die kleine Schwestern haben, die ihnen dauernd Briefe schreiben; lauter Leute, die manchmal so glücklich über einen schönen Tag sind, daß sie einem Maultier ihre Initialien in den Hintern schnitzen könnten. (Günter Ohnemus: Zähneputzen in Helsinki)

[Wie das Leben] Kramer war ein großer, vollblütiger Mann mit weißblonden Haaren, auch seine Augenbrauen und seine Gesichtshaut waren weiß, er war intelligent und zynisch und vollblütig, er war das Leben selbst, und das Leben ist, wie Sie ja wissen, intelligent, zynisch und bluterfüllt. (Alfred Andersch: Die Rote)

[Gemeinsame Bürden] Sie hatte seine Augen aus der Nähe gesehen. Er ist einer, der etwas Schreckliches erlebt hat. Aber das ist ja nichts Besonders. Es gibt fast niemanden mehr in unserem Jahrhundert, der nicht etwas unvorstellbar Schreckliches erlebt hat. (Alfred Andersch: Die Rote)

[Zweigleisig] Ich habe zu lange mit Männern zusammengelebt, bei denen alles, was nicht mit ihrer Arbeit zu tun hat, zu Kitsch geworden ist, alles, was sie nicht scharf zu durchdenken brauchen, weil es nicht mit Geld zu tun hat, lassen sie im Zustand kitschiger Illusion, eine Frau ist ihnen etwas zum Ausruhen oder zur Repräsentation oder zur Perversion, besonders zur Perversion. (Alfred Andersch: Die Rote)

[Höhere Gewalt] Herr Nietschke hatte sich immer einen Enkel gewünscht, aber das Schicksal hatte ihm vor einigen Monaten schon die zweite Enkelin beschert. Er hatte es hingenommen, denn er sagte sich, daß auf diesem Gebiet jegliche Planung sinnlos sei. (Kornel Filipowicz Der Garten des Herrn Nietschke)

[Abgelenkt] Für mich fiel der Konfirmationsunterricht zusammen mit der Zeit der entscheidenden Aufklärungen in den geschlechtlichen Dingen, und trotz gutem Willen war mein Interesse für die fromme Belehrung dadurch sehr beeinträchtigt. (Hermann Hesse: Demian)

[Fähigkeiten] Wenn wir untergehen sollten, wäre ich für einen raschen Untergang. Diese paar Minuten wird man sich doch beherrschen können. Der größte Schwindel war, daß man schwimmen gelernt hatte. Aber so ist es im Leben. Man lernt eine Menge Unbrauchbares. Das ist das Schöne. Wie man sich rasch und schmerzlos erhängt, lernt man nicht. (Martin Walser: Fingerübungen eines Mörders)

[Festmachen] Ich versuchte, mich an etwas Schlichtes und Wahres, etwas Beruhigendes zu erinnern: das Periodensystem der Elemente, das Vaterunser, die Formel zur Lösung quadratischer Gleichungen. (Daniel Kehlmann: Beerholms Vorstellung)

[Refugium] Ob es Plätze gäbe, in die man, obwohl für alle sichtbar, wie in ein Geheimnis flüchten könne? (Hartmut Lange: Die Ermüdung)

[Befindlichkeiten] Er genierte sich, daß er so anmaßend gewesen war, Fehrenmark dessen Gesittung, die ihm jetzt gefiel, vorzuwerfen, als hätte er, Merten, der sich selbst den wohltemperierten Gemütern zurechnete, Grund, sich für die Verstiegenheiten seines Freundes einzusetzen. (Hartmut Lange: Die Ermüdung)

[Physiognomie] Sie hatte fülliges, kräftiges Haar, nur der Nacken war auffallend schmal wie die Hände, und wie jede Physiognomie einen Ort hat, in dem sich die Seele verrät, bei Gerda waren es die Augen. (Hartmut Lange: Die Ermüdung, S. 56)

[Schüchtern] Tom Bagot war erst schüchtern, wie Leute es sind, die sich dabei ertappen, daß sie mehr fühlen als angemessen ist. (Virginia Woolf: Blau & Grün. Erzählungen)

[Determiniert] ... der Rest von Wahlfreiheit, der einem nach 47 Lebensjahren noch bleibt. (gehört im Büchermarkt am 16.11.2004)

[Gezügelt] Mit jener Geduld, die meine natürliche Langsamkeit mir auferlegte, einem Phlegma, das vielleicht richtiger bezähmte Nervosität zu nennen wäre, führte ich die Erzählung fort. (Thomas Mann: Über mich selbst. Autobiographische Schriften)

[Beunruhigt] Es gibt ein gewisses Zartgefühl in Frauen, das ihnen nicht erlaubt, in der Gesellschaft eines Mannes auch nur ruhig zu bleiben, vom dem sie wissen, daß er Absichten auf sie hat, die sie nicht zu begünstigen geneigt sind. (Henry Fielding: Tom Jones)

[Vergleich] Dann zog sie ihre Handschuhe aus und enthüllte vor dem Feuer zwei Hände, die jede Eigenschaft des Schnees besaßen, das Schmelzen ausgenommen. (Henry Fielding: Tom Jones)

[Toleriert] Was die Wirtin anlangt, obwohl sie nicht allzu religiös war, so hatte sie doch keinerlei Abneigung gegen die Lehre von Geistern. (Henry Fielding: Tom Jones)

[Toilette] Diese festliche Entblößung von Schultern und Busen, die Tolstoi als Moralist so heftig mißbilligte und die er als Künstler in "Anna Karenina" mit so tiefer erotischer Begierde beschrieben hat, stand in erstaunlichem Gegensatz zu der alles versagenden Keuschheit des weiblichen Badekostüms, einer Art von volantreicher Spezialtoilette, in der das schöne Geschlecht von 1880 ins Wasser stieg und die selbst in nassem Zustande äußerste Diskretion bewahrte. (Thomas Mann: Über mich selbst. Autobiographische Schriften, S. 12)

[Streitbar] Heute gehören zu einem anständigen nachbarschaftlichen Verhältnis mindestens zwei Anwälte, ein Richter und 50 Meter Akten. Der "Krieg der Gartenzwerge", wie Insider diese Freizeitbeschäftigung bezeichnen, ist längst zum Volkssport ausgeartet. In den Bestsellerlisten stehen Rechtsratgaber, die die einschlägige Gesetzeslage allgemeinverständlich ausleuchten. (Karin Steinberger: Mein Kaktus steht auf Heavy-Metal. Von Spleens, Macken und Obsessionen)

[Antriebe] Sie hatte den Vormittag mit Nähen verbracht. Wählen die Frauen manchmal gerade diese Arbeit, um sich den Anschein der Demut und Tüchtigkeit zu geben? (Georges Simenon: Bellas Tod)

[Draußen] Es gab für ihn eine Welt, die Welt seiner Mutter, eine Welt des Friedens und der Sauberkeit, der Sicherheit und des Ansehens, und diese Welt war geneigt, ihn auszuspeien, wie sie seinen Vater ausgespien hatte. (Georges Simenon: Bellas Tod)

[Bescheidenheit] Er las ruhevoll seine Zeitung, den Kopf auf eine Seite geneigt und ein Glas Glühwein neben sich. Er war so bescheiden in seinem ganzen Wesen, daß er selbst die Zeitung um Verzeihung zu bitten schien, als er sie las. (Charles Dickens: David Copperfield)

[Wie eine Glucke] Es wäre sehr zu wünschen, daß manche Mütter ihre Töchter nach der Heirat in Frieden ließen und nicht so entsetzlich zärtlich gegen sie täten. Sie scheinen zu glauben, sie hätten das Recht, ein unglückliches Mädchen zu Tode peinigen zu dürfen, bloß weil sie es in die Welt gesetzt haben. (Charles Dickens: David Copperfield)

[Trotzdem] "Nun, obgleich ich ein Jurist bin, Master Copperfield", gab er mit leichtem Grinsen zur Antwort, "so meine ich doch jetzt, was ich sage." (Charles Dickens: David Copperfield)

[Konstellation] Mr. Peggotty war nicht so sehr überrascht, mich zu sehen, wie ich erwartet; und ich habe seitdem bei solchen Gelegenheiten immer wieder bemerkt, daß bei der Erwartung eines Todesfalls alle andern Veränderungen und Überraschungen zu einem Nichts zusammenschrumpfen. (Charles Dickens: David Copperfield)

[Unmöglich] In Charles Dickens Roman David Copperfield sagt ein Bestatter: "Das hätte ich Sie selbst gerne gefragt, wenn es nicht so unzart wäre. Das ist so eine von den dunklen Seiten unseres Geschäfts. Wenn jemand krank ist, können wir nicht gut fragen, wie's ihm geht."

[Haudegen] Miss Murdstone hatte uns gesucht. Sie fand uns hier und bot ihre unliebenswürdige Wange, deren kleine Runzeln mit Puder gefüllt waren, Dora zum Kuß. Dann nahm sie Doras Arm und ging so steif zum Frühstück wie zu einem Soldatenbegräbnis. (Charles Dickens: David Copperfield)

[Milchbart] Als das Stubenmädchen früh um acht Uhr an meine Tür klopfte, hereinkam und mir meldete, daß draußen warmes Wasser zum Rasieren für mich bereitstehe, empfand ich es schmerzlich, daß ich dessen nicht bedurfte und errötete darüber im Bett. (Charles Dickens: David Copperfield)

[Faultier] Das Pferd des Fuhrmanns war das faulste Pferd der Welt, kam mir vor. Es trottete mit gesenktem Kopf die Straße entlang, als gefiele es ihm, die Leute, denen es Pakete brachte, möglichst lange warten zu lassen. Ich bildete mir ein, es manchmal deutlich kichern gehört zu haben, aber man sagte mir, es hätte bloß Husten. (Charles Dickens: David Copperfield)

[Erforderlich] Sie leben in einer durch und durch lächerlichen und in Wirklichkeit verkommenen Welt, sagte er. Sie haben die ganze Welt auf einmal zur Karikatur zu machen. Sie haben die Kraft, die Welt zur Karikatur zu machen, sagte er, die Höchstkraft des Geistes, sagte er, die dazu notwendig ist, diese einzige Überlebenskraft, sagte er. (Thomas Bernhard: Alte Meister)

[Auf der Suche] Leute graben ihre Vorfahren aus und wühlen und wühlen in ihrem Ahnenhaufen, bis sie alles durchwühlt haben und erst recht unzufrieden und dadurch doppelt vor den Kopf gestoßen und verzweifelt sind. (Thomas Bernhard: Alte Meister)

[Ausgesorgt] Zur Polizei hatte Irrsigler ja nur gehen wollen, weil ihm mit dem Beruf als Polizist das Kleiderproblem als gelöst erschien. Lebenslänglich in dasselbe Gewand zu schlüpfen und dieses lebenslängliche Gewand nicht einmal selber bezahlen zu müssen, weil es der Staat zur Verfügung stellt, sei ihm als Ideal erschienen. (Thomas Bernhard: Alte Meister)

[Vorsichtsmaßnahme] Irrsigler hatten den lästigen Blick, den Aufseher in den Museen anwenden, um die ja, wie man weiß, mit allen Ungezogenheiten ausgestatteten Museumsbesucher einzuschüchtern. (Thomas Bernhard: Alte Meister)

[Ersatzhandlung] Es kam Henriette nicht in den Sinn, daß ein so streng eingehaltener Ritus etwas Seltsames haben könnte. Gleich allen anderen Wesen, die in der Welt ihr Glück nicht fanden, suchte sie in ihrem Innern die Elemente ihrer Freude. (Julien Green: Treibgut)

[Alter] Das Alter schien aus seiner hohen Gestalt jede Spur von Fett getilgt zu haben. Es hatte ihm nur eine schlaffe, vergilbte Hülle gelassen, de am Kinn in Falten herunterhing und sich auf den langen, schwarzbraun gefleckten Händen runzelte. (Julien Green: Treibgut)

[Egal] "Hier haben wir also", dachte er, als er in den Sessel sank, "auf der einen Seite die Jugend, auf der anderen das Alter. Ein uneingeweihter Zuschauer müßte die Dinge so sehen: auf der einen Seite die neuen Gedanken, Zukunft und Eifer, auf der anderen die hergebrachten Irrtümer und die Schläfrigkeit des Alters. In Wirklichkeit fühle ich mich ebenso müde wie der Vorsitzende der Aufsichtsräte. Wir erleiden alle zusammen Schiffbruch." (Julien Green: Treibgut, S. 120)

[Bestimmung] War sie deshalb, weil sie so lange um das Gute gerungen hatte, auch wirklich besser geworden? Vor allem, war sie überhaupt für das Gute geschaffen? Vielleicht gibt es Seelen, an die der Ruf des Bösen ergeht und die diesem Ruf mit derselben Unschuld folgen, mit der die Frommen ihre Gelübde erfüllen? (Julien Green: Treibgut, S. 105)

[Respekt] Einen gewissen, ehrlichen Respekt hatte er vor anerkannt schwerreichen Leuten, die selbst von den Offizieren zuerst begrüßt wurden, vor Leuten mit furchtbar vielen Nullen, die im Auto vor seinem Geschäft vorknatterten und deren Persianerpelze seinen Garderobenständer demütig erzittern ließen. (Hermann Harry Schmitz: Die Taufe und andere Katastrophen)

[Verblassend] ... der schwindsüchtige Papa, dessen Bild mit Wasser in Wasser gemalt noch zu kräftig werden würde. (E.T.A. Hoffmann: Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza)

[Antriebe] Im allgemeinen quälten ihn solche Gedanken kaum. Da er schwach und etwas träge von Natur war, wurde er nur dann energisch, wenn es sich darum handelte, etwas von sich fernzuhalten, was sein Gleichgewicht stören konnte. (Julien Green: Treibgut)

[Gefühle] Schon während des Essens war sie wütend über sein Schweigen, das sie nicht zu brechen wagte, und hatte mit aller Kraft einen stummen Zorn unterdrückt, einen Zorn von der Art, der Verheerungen in der Seele anrichtet. (Julien Green: Treibgut, S. 14)

[Dienstleistungen] Ein alter Lakai mit einer haarigen, haselnußgroßen Warze auf seiner eingedrückten Tomatennase und dem sehnsüchtigen Blick nach dem Taler Trinkgeld in den treutriefenden Augen empfing die Gäste. Er nahm ihre Garderobe mit schmutzig-weißen Wollhänden entgegen. Er verstand es, die abgelegten Kleidungsstücke sinnvoll durcheinanderzubringen, Hüte an wildfremde Haken zu stülpen und Gummihandschuhe zu entpaaren. (Hermann Harry Schmitz: Die Taufe und andere Katastrophen, S. 93)

[Zu spät] Wenn jemand gestorben ist, weiß ich sofort, was ich ihm sagen wollte, als er noch lebte. (Urs Widmer: Die gelben Männer, S. 52)


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