Ereignisse (1)

Anlässe, Aktivitäten & konkretes Geschehen [^^] [^]


Feiertage (1)
Weihnachten (2)
Kinderglut
Sommer (2)
Beim Essen
Sommer (1)
Weihnachten (1)


Feiertage (1)

Ach, diese Feiertage! Warum hinterlassen sie uns immer etwas Reue? Warum können wir sie in unserm Gedächtnis nicht um eine Woche oder gar zwei zurückschieben, so daß sie mit einem Male in der geeigneten Entfernung stehen, in der man sie entweder mit ruhiger Gleichgültigkeit oder mit dem angenehmen Gefühl der Erinnerung betrachten kann? Warum kleben sie an uns wie der Duft des gestern genossenen Weines mit ihrem Kopfweh, ihrer Schlaffheit und ihren guten Vorsätzen für die Zukunft, die im Geiste das ewige Pflaster eines großen Reiches bilden und in Wirklichkeit nicht länger als bis zum Mittagessen dauern? (Charles Dickens: Der Raritätenladen)  ^


Weihnachten (2)

Über Weihnachten in New York werde ich Ihnen Auskünfte nicht so vollständig geben können, wie Sie sie benötigen. Die optische Belästigung beginnt ungerechtfertigt früh, bis zu vier Wochen vorher. Der Kommerz schlägt als erster zu, nicht nur mit der gezielten Dekoration. Die Kaufhäuser hämmern dem Kunden auch noch akustisch ein, aus welchem Grunde er diesmal sein Geld hergeben soll; Weihnachtsmusik und Unsere garantiert aus Paris importierte Unterwäsche. Auf den Straßen kriecht die Heilsarmee aus den Nestern; Posaune und Klingelglöckchen. Schließlich stellt noch die schäbigste Bar einen elektrifizierten Winzling von Weihnachtsbaum zwischen die Flaschen. (Uwe Johnson: Jahrestage 2) ^


Kinderglut

Es ist der Mittwoch zwischen Weihnachten und Neujahr, also kinderglut. Marie hat dies Wort noch nicht geschrieben gesehen, nur gehört und gesprochen, sie ahnt da nichts von Verwandtschaft mit dem Deutschen. Jedoch kennt sie die Rechte eines Kindes in New York an diesem Tag: das Recht auf Schulfreiheit, auf Toben in der Stadt, durch die Warenhäuser, durch die Ubahn, ein Recht auf Vergnügen, wo es sich finden läßt. (Uwe Johnson: Jahrestage 2) ^


Sommer (2)

Der Sommer, der sich in diesem Jahr wie eine getrocknete Frucht gehalten hatte und dieses ganze Europa in eine schwitzende, stöhnende, sich selbst permanent in Wetterdiskussionen und Wetterklagen verstrickende, sensible Land- und Menschenmasse verwandelt hatte, dieser Sommer also mit seinem Flair des Ewigen, war nun vorüber. Die Menschen taten, als sei das ein Wunder, als hätten sie ernsthaft befürchten müssen, um einen kommenden Herbst betrogen zu werden. Beinahe war es so, daß die hysterische Klimadebatte des Sommers sich dadurch fortsetzte, daß das Doch-noch- Erscheinen des Herbstes als ein mysteriöser Umstand erlebt wurde, als eine nicht erwartete Normalität, die somit nicht wirklich normal war, sondern ebenfalls ein untrügliches Zeichen dafür, daß etwas nicht stimmte. Mit der Welt nicht und mit dem Wetter sowieso nicht. (Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell) ^


Beim Essen

Er spießte seine Blechgabel in die fette Fleischscheibe. Sie gestatten, sagte er, mit Verspätung wie vorhin, und vergaß mich sofort, ich sah's, als er sich über sein Essen hermachte, das Fleisch säbelte, die Kartoffeln in der braunen Kantinentunke zerquetschte, schaufelte und schluckte, nicht gierig, aber hörbar und mit Behagen und Hunger und Lust und allen fünf Sinnen, und eine Lust war es, ihn essen zu sehen, und ich sah ihm zu und stellte mir vor, wie er ein Dutzend Tauben frißt oder gebratene Hühner mit Zähnen und Fingern zerreißt, die Knöchlein knackt, das weiße Brustfleisch abnagt, die kleinen Geruppe über die Schulter schmeißt, die Lippen leckt, während er schon nach dem nächsten Huhn oder Täubchen langt und stumm und herzhaft schwelgt in der Todsünde der Völlerei... (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand) ^


Sommer (1)

Franziska deutete auf den Himmel. "Dort, gegen Süden. Das Licht über der Stadt." Ihre Stimme klang gepreßt. "Es brennt", murmelte Schafheutlin. Die Feuer gehörten zum Sommer wie Mückenschwärme und Fliegen; in den alten Brikettenfabriken brachen Brände aus, Halden schwelten, Sonnenfunken in einer Glasscherbe setzten die dürren Kiefern in Flammen. Er rückte nicht einmal den Kopf. Ein Brand. Bürostunden. Er hörte auf, sich zu sorgen, und er wünschte nur, daß der Augenblick anhielt, die Müdigkeit, ein sanfter Fall, die Ruhe, die er mit dem bitteren Duft einsog. (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand) ^


Weihnachten

Aber Weihnachten war alles anders, Ben, und schon die ganze Woche vorher, wenn wir die Schüsseln voll Honigkuchenteig zum Bäcker schleppten und auf dem warmen mehlbestäubten Mäuerchen neben dem Ofen saßen und auf die Plätzchen warteten, und die Frauen standen herum, die Kuchenbleche auf die Hüfte gestemmt, und schwatzten, und es duftete bis auf die Straße nach Zimt und Nüssen und braunem Zucker. Die Große Alte Dame bekam einen Haufen Pakete, noch im fünften Kriegsjahr, kein Wunder, bei ihren Beziehungen... Marzipan aus Lübeck, Brotlaibe und das Holstentor ganz in Marzipan, und die schwarzen Printen aus Aachen und Nürnberger Lebkuchen in bunten Büchsen, auf denen die Stadttürme und das Bratwurstglöckl abgebildet waren und Burgfräulein mit spitzen schleierbesteckten Tüten auf dem Kopf. Der Schnee auf der Terrasse wurde nicht mehr weggefegt, damit die riesigen Fußstapfen recht einschüchternd wirkten, die Stapfen, die Dr. Peterson machte, jedes Jahr wieder, obgleich Wilhelm mich längst über den Weihnachtsmann aufgeklärt hatte. Am Heiligen Abend kriegte ich aber doch Herzklopfen, auch Wilhelm konnte sich irren, nicht wahr? (Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand)  ^


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