Bibliomanische FAB / [A]


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Ackroyd Peter: Zwischen Bücherfreunden

  Schon beim ersten Schritt in den Laden stieg Charles aus den Einbänden der alten Folio- und Quartausgaben ein leicht muffiger Geruch in die Nase. Was er hier einatmete, war der Staub des Wissens, ein ganz besonderer, köstlicher Duft. An zwei Seiten des Raums verlief ein hölzerner Ladentisch, auf dem Manuskripte, lose Blätter und Pergamentrollen ausgebreitet waren. In den Regalen entdeckte er die gesammelten Werke von Drayton, Drummond, Hawthornden und Cowley. "Je besser ein Buch ist", sagte der junge Mann, der seinen flüchtigen Blick bemerkt hatte, "umso weniger Ansprüche stellt es an den Einband. Ein kräftiger Buchrücken und eine saubere Bindung, das ist alles, was ein Band benötigt." "Und eine prächtige Ausstattung käme erst an zweiter Stelle?" "Wenn überhaupt. Ich heiße Ireland, Mr Lamb. William Henry Ireland." Sie gaben einander die Hand. "Ich würde beispielsweise keine Journalreihe als Franzband gestalten. Und ein aufgetakelter Shakespeare- Band ist sinnlos." Die Fachkunde des jungen Mannes überraschte Charles. "Sie haben völlig recht, Mr Ireland. Der wahre Bücherfreund wünscht abgegriffene Seiten und einen Einband mit Benutzerspuren." "Ich kenne den Unterschied, Mr Lamb, und weiß, welche Seiten mit echter Begeisterung umgeblättert wurden und welche nur aus Pflicht." (Peter Ackroyd: Wie es uns gefällt)


Ackroyd Peter: Büchergeruch

  Schon beim Betreten stieg mir ein leichter Geruch nach altem Papier in die Nase, der auf mich genauso erfrischend wirkt wie irgendein Kraut oder eine Pflanze. Was ist schon süßer Blumenduft im Vergleich zum kräftigen Aroma von abgestandenem Bücherstaub? (Peter Ackroyd: Wie es uns gefällt)


Adorjan, Johanna: Genau so!

  Es ist eine dieser Geschichten, die so oft erzählt werden, daß es irgendwann gar nicht mehr anders gewesen sein kann als ganz genau so. (Johanna Adorjan: Eine exklusive Liebe, S. 24)


Agrippa von Nettesheim: Des Geistes Demut

  Wisset derowegen, dass nicht durch langen Fleiss, sondern durch des Geistes Demut und Gebet und Reinigkeit des Herzens, nicht durch einen kostbaren Vorrat vieler Bücher, sondern durch einen reinen Verstand und Schlüssel der Wahrheit die Wissenschaft muss erlanget werden; denn die Menge der Bücher beschweret den Leser und machet ihn nichts klüger, und wer vielen Autoribus folget, der irret mit vielen. (Agrippa von Nettesheim)


Aira, Cesar: Bücher warten und schweigen

  Ich glaube, dass die Literatur immer eine minoritäre Angelegenheit gewesen ist und sein wird. Bücher besitzen eine wunderbare Höflichkeit. Sie warten auf die Leute. Das Buch ist da, wartet und schweigt. Es macht nicht dieses Geschrei, von dem wir umgeben sind. Das Buch steht schweigend da, und ich finde, so soll es sein. Ein Buch muss man suchen gehen. Wer es finden will, findet es. Wer nicht, eben nicht. Literatur nützt zu gar nichts, außer um etwas über Literatur zu erfahren. Umso weniger, minoritärer, wir sind, die die Literatur praktizieren, umso mehr Freiheit werden wir haben. Je weniger Macht und Einfluss wir auf die Gesellschaft haben, umso mehr werden sie uns in Frieden lassen. (Quelle: taz, 30.11.2004)


Aitmatow, Tschingis: Bestimmung der Kunst

  Die Literatur muß selbstlos ihr Kreuz tragen, sie muß in die Kompliziertheit des Lebens eindringen, damit der Mensch alles Gute und Würdige in sich selbst, den anderen und der Gesellschaft kennt, liebt und behütet. Darin sehe ich die eigentliche Bestimmung der Kunst. Und ich bin überzeugt, daß es immer so bleiben wird, denn der Mensch sucht in der Kunst die Bestätigung seiner besten Bestrebungen und die Ablehnung alles Bösen und Ungerechten, das seinen sozialen und sittlichen Idealen widerspricht. Das geht nicht ab ohne Kampf, Zweifel und Hoffnung. Und das wird wohl immer so bleiben. Deshalb hat die Kunst ständig die Aufgabe, dem Menschen von der Kompliziertheit und Schönheit des Lebens zu erzählen.


Albath, Maike: Bücher statt Karriere

  Man stelle sich zum Beispiel vor, daß ein alter Freund von mir, der erste wirklich gebildete Mann, den ich in meinem Leben kennen lernte, bei der Post angestellt war - er wollte ganz einfach seine Ruhe haben, er hatte keine Ambitionen auf eine große Karriere, und in all den Jahren hinter seinem Postschalter konnte er sich bis zu seiner Pension mit seinem Gehalt eine schöne Vier-Zimmer-Wohnung kaufen, eine großartige Bibliothek mit einigen tausend Bänden und zahlreichen Kunstbänden einrichten... (Maike Albath: Der Seelenbegleiter. Über den großen Triestiner Intellektuellen Roberto Bazlen und seinen ungeschriebenen Roman)


Alberti, Leon Battista: Bleich & schlaff

  Wir sehen sie, vom Knabenalter an der Literatur ergeben, an die Lektüre von Manuskripten gekettet und zu Einzelhaft verurteilt: Derart zermürbt von der Regel und von ihren Lehrern, von der Mühsal des Lernens, dem unablässigen Lesen und Wiederlesen und Arbeiten, dass sie völlig erschöpft sind. Oftmals scheinen sie von kälterem Blut, als es bei Buben normal ist. Dann kommt die Jugendzeit: Ihre Gesichter werden dir zeigen, wie schön und freudvoll sie die finden. Sieh dir an, wie bleich sie sind, wie schlaff ihre Leiber, und wie niedergeschlagen sie wirken, wenn sie aus ihrer langen Haft im Gefängnis ihrer Schulen und Bibliotheken herauskommen. (Leon Battista Alberti: Über die Vorzüge und Nachteile der Literatur, 1428)


Albrecht, Christoph: Bücherbordelle

  Sie reißen ihnen die schützenden Hüllen vom Leib und legen sie nackt vor sich hin. Sie besudeln sie mit ihren schmierigen Besitzstempeln. In einer demütigenden bürokratischen Prozedur erfassen sie ihren Geburtsort und -jahr, ihren Namen und den ihrer Erzeuger und stellen sie in einem Katalog aus. Sie brandmarken sie mit einer Nummer. Nein, es geht nicht um osteuropäische Mädchenhändler. Sie stellen sie der Reihe nach auf, damit jeder, den danach gelüstet, sie befingern oder gegen eine pauschale Gebühr zu sich nach Hause mitnehmen kann. Bibliotheken, die das vornehme "Gedächtnis der Menschheit" bilden, sind Bordelle, in denen wir Unzucht mit Abwesenden oder gar Toten treiben. Bibliothekare, deren wir uns bei unserem Tun bedienen, sind die Zuhälter des Geistes, und wir sind seine lechzenden Freier.


Amanshauser, Gerhard: Nihal

  Dann wieder blieb Nihal lange Tage allein, arbeitete im Garten oder ging lesend spazieren. Bald setzte er sich dahin, bald dorthin, lehnte in einem Fenster, einem Torbogen oder an einem Baum. Fast niemals las er ein Buch von Anfang zu Ende. Er schlug es irgendwo in der Mitte auf, las sehr langsam einige Seiten, wobei er in der Mundhöhle unsichtbar artikulierte. Das Lesen allein mit den Augen hatte er niemals erlernt. (...) Indessen hatte der Wind das Buch verschlagen. Wo er stehengeblieben war, las Nihal weiter. Ihn beschäftigten nur solche Bücher, bei denen der Gang der handlung nicht wesentlich war und die fast an jeder Stelle, wo man sie aufschlug, ihre eigenartige Substanz enthüllten. (Gerhard Amanshauser: Schloß mit späten Gästen, S.85f.)


Amery, Carl: Das Taschenbuch

  Was immer man gegen die spezifischen Konsumphänomene unserer Zeit ins Treffen führt, es gilt fürs Taschenbuch am allerwenigsten. Das Taschenbuch ist kein Statussymbol und niemals der Gegenstand eines Prestige- Kaufes. Gerade mit ihm ist in einer Welt des Scheins, in der an Neuerwerbungen ein jeder wetteifert mit dem Nachbarn... nicht die mindeste Ehre einzulegen. Ganz gewiß stiftet das Taschenbuch... keinen Schaden. Es lärmt auch nicht wie der Transistor-Apparat, es verletzt nicht das Geschmacksgefühl des Passanten mehr als eine Kleidermode, es verunreinigt nicht die Luft, noch gefährdet es irgend jemandes physische Sicherheit. Das Allerschlimmste, was sich von ihm sagen ließe ist, daß es keinen Nutzen bringt.


Ammann, Egon: Frühe Faszination

  Wenn ich mich frage, wie ich zu diesem Verleger-Beruf gekommen bin, kann ich zuerst einmal keine schlüssige Antwort finden. Wenn es in der Kindheit Anfänge gibt, die ein späteres Leben bestimmen, dann vielleicht diese: Schon sehr früh muß mich die Faszination des Alphabets gepackt haben, noch vor dem Lesen-können, die Begeisterung für Buchstaben, gedruckt auf raschelndes Papier, die zu Wörtern formiert Geschichten erzählen, und Geschichten habe ich, als ich des Lesens kundig wurde, verschlungen, wie ich alles verschlungen habe, was geschrieben war. Eine frühe Liason mit Sprache also, wahrgenommen als Bilder, die zu Lauten werden und mir etwas erzählen, mir ganz persönlich. Eine ganz seltsame Intimität kam da zustande. Und neben diese Faszination trat eine weitere hinzu, diejenige nämlich, ein Buch in Händen zu halten. Es war und ist für mich eines der schönsten und sinnlichsten Erlebnisse, ein gutes Buch - vom Inhalt her, das muß schon sein und ist Voraussetzung-, ein gutes Buch also in den Händen zu wiegen und zu wägen, es rundum anzufassen, beinahe schon zu liebkosen und zwischen meinen Fingern sorgfältig zu beugen und zu drücken. (aus: Verleger, was für ein Beruf)


Anderson, Sherwood: Forderung einer Briefkultur

  "Stell Dir beispielsweise vor, Ted, daß Du jeden Morgen, wenn Du Dich zur Arbeit an Deinen Schreibtisch setzt, Dein Tagwerk etwa damit beginnst, an jemand, der auf demselben Gebiet arbeitet wie Du, einen Brief zu schreiben. Möglicherweise würden wir auf Grund dieser Mühe in unserer schriftstellerischen Arbeit weniger leisten. Wahrscheinlich wird sowieso viel zuviel zusammengeschrieben. In der augenblicklichen Situation halte ich das für den einzigen Ausweg. Nicht daß ich Dich veranlassen wollte, mir zu schreiben. Ich könnte Dir Namen und Adressen anderer geben, die Dich brauchen und die Du brauchst. Ich halte es für möglich, auf solche Weise ein Netz menschlischer Beziehungen zu knüpfen, das etwas Schriftsteller und Maler und Librettisten usw. usw. einander näher bringt." Sherwood Anderson an Theodore Dreiser, der anderwo noch meint, es wäre von uns alle von Nutzen, zur alten Gewohnheit des Briefverkehrs untereinander zurückzukehren, wie sie zu gewissen Zeiten in der Welt geherrscht hat.


Anonyma 1: Leser als Genießer

  Ein Buch ist wie eine Speise. Es gibt zwar leicht bekömmliche und schwer verdauliche Kost, wie jedoch ein Essen verdaut wird, hängt immer entscheidend von dem ab, der sie zu sich nimmt. Während der eine Karotten für sein Leben gerne ißt, droht der andere daran zu ersticken. Für den einen kann alles nicht scharf genug sein, doch der andere bekommt schon bei einem Pfefferkörnchen Magenkrämpfe. Natürlich ist die Bekömmlichkeit einer Speise immer auch eine Sache der Gewohnheit und vor allem immer abhängig von der jeweiligen Tagesform des Genießers. Auch der Naturkostler hat gewiss mal Heißhunger auf Fastfood, und selbst so mancher Vegetarier kennt die abgründige Lust auf ein dickes, saftiges Steak. So lässt sich wirklich nicht verurteilen, wenn ein Literaturprofessor auch zuweilen Konsalik verschlingt, ein Liebhaber für anspruchsvolle Lyrik sich lustvoll an einem reißerischen Krimi vergreift oder eine "emanzipierte" Frau ab und zu in den romantischen Geschichten Rosamunde Pilchers schwelgt. Wie beim Essen sollte man auch beim Lesen um eine ausgewogene Kost bemüht sein. Aber Vorsicht! Wie sich Kernobst nicht mit Wasser verträgt, könnte der Genuss von Michel Houellebecqs desillusionierendem Roman "Ausweitung der Kampfzone" unmittelbar nach dem Verzehr von Konsaliks Liebesromanen einen bitteren Nachgeschmack nach sich ziehen. (foe, Mannheimer Morgen, 23.4.2002)


Anonyma 2: Der Gefährte Buch

  Bücher sind papierene Gefährten in guten und schlechten Zeiten. Es gibt Einschlaf- und Aufwachbücher, Bewältigungsbücher, Krisen- und Wohlseinsbücher; alte Schwarten, zerlesene Konvolute, aus denen Seiten herausgleiten, nimmt man sie mal wieder zur Hand. Oder Neubücher. Sie stehen im Regal mit der stummen Bitte: Lies mich. Geschenkte Bücher. Die können zu Lieblingen werden. Oder zu Geschenken. Jugendbücher, eselsohrenbehaftet. Man las so was unter der Bettdecke, bis die Taschenlampe verglomm. Es gibt Bücher, die man kennt, ohne sie gelesen zu haben. Oder umgekehrt: Bücher, die man las und vergessen hat. Taschenbücher gibt's, mit ganz kleinen Lettern für große Literatur. Werden sie alt, fängt das Papier an zu gilben und wird spröde. Neu kaufen? Nein. Bücher, die man hat, kauft man nicht neu wie ein Auto. Bücher, viele jedenfalls, sind Besitz und als solcher unersetzbar. Bücher sind eben da, zur Freude der Makler: Wer viele hat, braucht große Wohnungen. Oder wirft auch mal welche weg. In der Altpapiertonne sehen manche Bücher aber regelrecht traurig drein. Besser, man trägt sie zum Antiquar - und bringt für eins zwei andere wieder mit. So wachsen die Bücherwände, und das, was sie tragen, ist Zeugnis gelebten und gelesenen Lebens.


Anonyma 3: Leben mit Proust

  Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Eher ein durch moderne Literaturgeschichten erzwungener Kontakt. Ein notwendiges "Muss" gewissermaßen, wenn man zu den Gebildeten zählen wollte. Doch alle Anläufe scheiterten, nach ein paar dutzend Seiten gab ich erschöpft und verzagt auf. Die Endlossätze in den dreizehn Bänden "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" von Marcel Proust schreckten mich regelmäßig ab. Aber je älter ich werde, desto näher steht mir dieser französische Romancier. Längst schon hat er einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal. Um Proust schätzen und lieben zu können, muss man vermutlich die harte Schule des Lebens durchlaufen haben. Erst wer begreift, dass die menschlichen Wahrheiten manchmal eher im Perfekt als im Präsens zu finden sind, dem wird Proust zu einem unverzichtbaren Begleiter, auf dessen geistreiche Plaudereien und scharfsinnige, oft boshafte Gesellschaftsanalysen er nicht mehr verzichten mag. Bei Proust wird die Welt überschaubar. Plötzlich erscheint das Chaos geordnet, seine schreckliche Fremdheit gemildert. Sanft gleitet der Blick des Lesers relativierend rückwärts, verlässt er die hektische Alltagswelt, um den Umgang mit Menschen in mondänen Salons zu pflegen, die noch das besitzen, was man einst Muse nannte. Sie treffen sich zu musikalischen Matineen, schreiben lange Briefe, durchwandern ausgiebig das Kinderparadies des reinen Lesens und hüten, wie einen kostbaren Schatz, ihren ästhetischen Selbstgenuss. Raum und Zeit sind ihnen offenbar abhanden gekommen. Umso mehr widmen sie ihre Aufmerksamkeit den anscheinend unbedeutenden Dingen der Wirklichkeit, jenem "wahren" Leben, das wir, die Nachgeborenen, angeblich aufgeklärter und moderner, getrieben von Sachzwängen und Erfolgsdenken manchmal bis zu unserem Tod versäumen. (hub, Mannheimer Morgen, 23.4.2002)


Anonyma 4: Bücherfluch

  So Du vom Nächsten dir eyn Buch borgst auß
Verwahr es wohl in deinem Hauß!
Auff daß es sauber bleyb', wie kaum benützt
Insonderheit vor Staub und Licht geschützt;
Auch leg' nicht Butterkrapfen drauff,
Denn eyn Pfund Silber kostet jeder Kauff;
Selbst Dintenflecken streng vermeyd
Damit hat keyn Verborger Freud'.
Ingleichen lasse Esels-Ohren seyn,
Leg' nur ein Pergamentstück eyn!
Vor Allem gib' zurück das Buch!
Ansonsten fällt auf Dich meyn Fluch.
Also hiermit Euch kundgethan
Von Eduard Dillmann Büchermann


Anonyma 5: Ums Einkommen geprellt

  Buchhändler wie Antiquare werden gerade von ihren zahlungsfähigen Kunden oft in einer Weise angepumpt und augebeutet - dadurch, daß diese ihre Bücherrechnungen, je mehr sie sich ansammeln, desto kühler ignorieren und schließlich nach Verlauf einiger Jahre überhaupt vergessen. Dabei tun die Herrschaften viel für die Kunst und Wohltätigkeit, und mit dem Antiquar verkehren sie freundschaftlich. Daß sie den armen Menschen schädigen, ist lediglich Gedankenlosigkeit - an der leider kein Mensch etwas findet. Erzählen Sie von jemandem, er habe sein Ehrenwort gebrichen, so ist er in der Gesellschaft unten durch. Aber sagen Sie von jemandem, er bringt seinen Buchhändler um sein Einkommen, so wird man höchstens mit der Achsel zucken. (Verleger aus dem 19. Jahrhundert)


Anonyma 6: Unruhe verbreitend

  Sie leiden immer wieder oder gar permanent an Schlafstörungen? Dann sollten sie möglichst ganz auf Bücher im Schlafzimmer verzichten. Denn auch Bücher haben eine eigene Energie, die im Raum schwingt und Unruhe verbreiten kann. Gerade auf Personen, die sensibel auf Umwelteinflüsse reagieren, kann die Präsenz von Büchern sehr störend wirken. (Von einem Abreißkalender)


Anonyma 7: Klage eines Scriptors

  "O glücklichster Leser, wasche Deine Hände und fasse so das Buch an, drehe die Blätter sanft, halte die Finger weit ab von den Buchstaben. Der, der nicht weiß zu schreiben, glaubt nicht, dass dies eine Arbeit sei. O wie schwer ist das Schreiben: es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben, der ganze Körper leidet..." (Notiz eines Schreibers im 8. Jahrhundert)


Anonyma 8: Störende Faktoren

Sie leiden immer wieder oder gar permanent an Schlafstörungen? Dann sollten sie möglichst ganz auf Bücher im Schlafzimmer verzichten. Denn auch Bücher haben eine eigene Energie, die im Raum schwingt und Unruhe verbreiten kann. Gerade auf Personen, die sensibel auf Umwelteinflüsse reagieren, kann die Präsenz von Büchern sehr störend wirken. (Von eiem Abreißkalender)


Anonyma 9: Leseabsichten

  Es heißt immer, man könne eine Menge über jemanden erfahren, wenn man weiß, welche Bücher er liest. Viel informativer ist aber oft, was derjenige gerne lesen möchte. Meistens handelt es sich um Klassiker, bei denen man davon ausgeht, der Rest der Bevölkerung habe sie gelesen, nur man selbst nicht. Und hat man erst mal die Gesamtausgabe der Werke von Thomas Mann gekauft, ist das schon die halbe Miete. Da stehen die Bücher dann im Regal, sehen hübsch aus und mit der Zeit gewöhnt man sich an sie als Einrichtungsgegenstand. Ich persönlich versuche seit Jahren ein Buch zu lesen, das Einführung in die Philosophie heißt. Ich habe alles probiert – ich hatte es neben dem Bett liegen, neben der Toilette und in der Manteltasche. Ich nahm es in den Urlaub mit. Als einziges Buch. Das führte allerdings nur dazu, dass ich anderen Touristen ihre ausgelesenen Bücher abkaufte. (aus: Oliver Kuhn u.a.: Arschgeweih. Das wahre Lexikon der Gegenwart. Berlin, 2007)


Antunes, Antonio Lobo: Nichts in den Händen

  Ich fühle mich heute weit vom Judaskuss entfernt, damals begann ich meine Bücher immer mit einem sehr detaillierten dramaturgischen Plan, wie und was ich schreiben wollte. Ich hatte noch nicht kapiert, dass ein Buch ein gleichsam lebender Organismus ist. Wenn ich heute ein Buch beginne, habe ich praktisch nichts in Händen, ich bin arm wie die Toten und das Buch schreibt sich dann selbst. Ich möchte das Leben in seiner Gänze zwischen den Buchdeckeln einfangen, mich interessieren nicht wirklich Geschichten und in den besten Augenblicken fühle ich mich wie eine Hand die schreibt, was eine irgendeine Stimme ihr diktiert. Aber für mich sind das keine Bücher über Angola, den Krieg, Afrika oder Lissabon.


Antunes, Antonio Lobo: Verrückt & weiblich

  Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, welche Gefahr ein desktruktiver Arzt darstellt, ein schizophrener Arzt? Ein Psychotiker kann allerhöchstens Straßenfeger werden. Nähen, Bildhauerei, Malen, so was, das ist in Ordnung. Künstlerische Tätigkeiten, ausgezeichnet: Um Künstler zu sein, braucht man keinen soliden Kopf. Mal unter uns, ich habe mehrere behandelt und gesehen, wie sie von innen sind: so empfindlich, daß sie sich bei der kleinsten Schwierigkeit umbringen, Alkohol trinken, Drogen nehmen. Sie haben etwas Weibliches, irgend etwas Verrücktes und Weibliches, etwas zutiefst Morbides. Allein die Tatsache, daß sie schreiben, ist, von nahem besehen, lächerlich: Erwachsene, die sich, hähä, quälen, um Schulausätze, erfundene Handlungen, nutzlose Lügenmärchen zu verfassen. Romane sind dazu gut, vor dem Einschlafen im Bett gelesen zu werden. Man knickt die Seite oben um, macht das Licht aus, und am nächsten Morgen fängt man wieder an, ans Leben zu denken. (Antonio Lobo Antunes: Einblick in die Hölle, S. 170)


Arjouni, Jakob: Protegiert

  Mit wie vielen Kulturministern hatte er bei diversen Empfängen für Sabine nicht schon zusammengesessen! Meistens gähnend langweilige Typen. Und pervers. Immer mit hundert Jahre jüngeren Schauspielerinnen am Arm und trotzdem noch in jeden anderen Ausschnitt glotzen. Der hier allerdings hatte es ja mit einer Schriftstellerin. Na ja, Schriftstellerin. Obwohl: Sie schrieb Bücher, und die wurden gedruckt und wohl auch verkauft, und warum mußte eigentlich jeder billige Feuilletonsschmierer darauf rumhacken, daß sie vielleicht nicht gerade Proust war? Der pure Neid. Weil sich der Feuilletonsschmierer in seiner 3-Quadratmeter- Festangestellten-Zelle natürlich ausmalte, wie die Alte vom Kulturminister von einer Champagnerparty zur nächsten chauffiert wurde, und völlig egal, was sie zwischendurch im Fünftsternehotel ins Diktiergerät lallte, es würde mit Hilfe ihres Mannes auf jeden Fall als Buch herauskommen. (Jakob Arjouni: Idioten. Fünf Märchen, S. 140)


Arnim, Achim von: Beim Bücher sortieren

  Da sitz' ich nun so manchen Tag
ganz müßig vor den Schränken,
weil ich kein Buch mehr lesen mag,
Weil mich die Worte kränken,

Ich hör' kein Wort von ihm und ihr,
Verschlossen ist die Kerkertür.
Ich sehe voll Bewundrung an
Dies schlechte Buch mit Schwanken,

Wie einer so was schreiben kann,
Ich kann's nicht überdenken,
Ich denk' und schreib an ihn, an sie
Und beug' zum Beten meine Knie.

Wie soll ich Ordnung bringen hier
In so viel tausend Bände,
Des Feuers Ungeduld in mir,
Wirft Blicke hin wie Brände,

Es brennt in mir nach ihm, nach ihr,
Verbrennen möcht' ich alles hier.
Ich sprach wie jener Muselman
Von den Bibliotheken,

Was gut, im Koran traf ich's an,
Das andre sind Scharteken:
Was ich nicht find' in ihm, in ihr,
Ist unwert, daß ich's registrier'.


Arnim, Elizabeth von: Bücherwurm in Putbus

  Bestimmt wäre es ein idealer Ort, um einen stillen Winter zu verbringen, wenn man des Lärms und der Geschäftigkeit müde ist, und überhaupt aller anstrengenden Leute, die versuchen, einander Gutes zu tun. Zimmer in einem der geräumigen alten Häuser mit den großen Fenstern nach Süden hinaus, dazu eine Menge Bücher. Wie gern würde ich wenigstens einen Winter meines Lebens in Putbus verbringen, wäre ich eins der zwar bespöttelten, doch glücklichen Lebewesen, Bücherwurm genannt. (Elizabeth von Arnim: Elizabeth auf Rügen. Ein Reiseroman, S. 28)


Askildsen, Kjell: Ein zappelnder Fisch

  1953 veröffentlichte Kjell Askildsen seinen ersten Erzählband, in dem man erotische Passagen findet. Ein Skandal in Askildsens Geburtsstadt Mandal und überhaupt im pietistischen Südnorwegen. Das Buch wurde aus den Bibliotheken verbannt, erfuhr aber schnell eine zweite Auflage. Der Autor: "Ich hatte das Buch meinem Vater und meiner Mutter geschenkt. Ich wohnte damals in einem Nachbarort von Mandal. Mein Vater kam mir im Auto entgegen und hielt an. Mein Vater arbeitete beim Ordnungsamt und war Mitglied in christlichen Organisationen. Er kurbelte das Fenster herunter. Er sagte: 'Ja, Kjell, ich danke dir für das Buch. Aber du sollst wissen: Ich habe es verbrannt!'" In dem Interview, welches das DLR anläßlich seines 2009 erschienenen Erzählbandes Ein schöner Ort mit Askildsen führte, sagte er: "Als Autor kann ich von meinen Lesern nichts erwarten. Ich möchte aber dafür sorgen, dass sie meine Erzählung zuende lesen Als Autor bin ich eine Art Angler. Ich werfe meine Rute aus und möchte den Leser an den Haken bekommen. Und dann muss ich die Angelschnur einholen, ohne dass der Leser sich vom Haken löst. Bei einer gelungenen Erzählung soll der Leser einem Fisch gleichen, der an Land verzweifelt zappelt."


Augustinus, Aurelius: Der gute Leser

  Denn ich konnte von ihm nicht erfragen, was ich wollte, wie ich's wohl wollte, da mich von seinem Ohr und Mund die Haufen geschäftiger Menschen absperrten, deren Schwachheit er diente. War er nicht von ihnen umgeben, was nur vorübergehnd geschah, stärkte er entweder seinen Leib durch die nötig Nahrung oder seinen Geist durch Lektü re. Las er aber, so glitten seine Augen über die Seiten, und sein Herz ergründete den Sinn, Stimme und Lippen aber schwiegen. Oft, wenn wir anwesend waren - es war niemandem verwehrt einzutreten und eine Anmeldung der Besucher nicht üblich -, sahen wir zu, wie er so schweigend las, immer nur schwigend, saßen selber in langem Schweigen da - denn wer hätte dem so Vertieften lästig fallen mö gen? - und entfernten uns dann wieder. Wir vermuteten, in jener kurzen Zeit, die er frei vom Gedränge anderer Geschäfte der Erholung seines Geistes widmete, wolle er nicht abgelenkt werden. Auch fü rchtete vielleicht, sagten wir uns, daß ein eifriger, aufmerksamer Hörer ihn, hätte er laut gelesen, genötigt haben möchte, schwer verständliche Ausführungen des Schriftstellers zu erklären oder über verwickeltere Probleme zu disputieren. Darüber hätte er dann so viel Zeit versäumt, daß er weniger weit, als er gewollt, in dem Buch hätte vordringen können. Auch hatte er Grund, seine Stimme zu schonen, die leicht heiser wurde, und das schon rechtfertigte sein leises Lesen. Doch was auch der Beweggrund dieses Mannes gewesen sein mag, ein guter war er gewiß.


Austen, Jane: Lektüregespräch

  Kitty selbst war eine eifrige, wenngleich vielleicht keine tiefschürfende Leserin, und es war ihr eine große Freude zu erfahren, daß Miss Stanley nicht weniger gern las. Begierig, bestätigt zu finden, daß ihr Geschmack in Büchern der gleiche war, begann sie schon bald ihre neue Bekannte darüber auszufragen, und obgleich sie selbst in neuerer Geschichte wohlbelesen war, zog sie es vor, zuerst über Bücher leichteren Gewichts zu sprechen, Bücher, die allenthalben gelesen und bewundert wurden. "Gewiß haben Sie Mrs. Smiths Romane gelesen?" sagte sie zu ihrer Gefährtin. "Oh, ja!" erwiderte diese, "und ich finde sie ganz reizend. - Sie sind das Entzückendste, was es gibt-" "Und welches hat Ihnen am besten gefallen?" "O Himmel, mich deucht, da kann es gar keine Frage geben - Emmeline ist so viel besser als die anderen-" "So denken viele, ich weiß; aber mir will scheinen, daß kein gar so großes Mißverhältnis zwischen ihnen besteht. Finden Sie, daß es besser geschrieben ist?" "Oh! Davon verstehe ich nichts - aber es ist in jeder Hinsicht besser -. Und außerdem ist Ethelinde so lang-" "Ich glaube, daß ist ein verbreiteter Einwand", sagte Kitty, "obwohl ich gestehen muß, daß ein gut geschriebenes Buch mir immer zu kurz erscheint." "So empfinde ich auch, nur bin ich es satt, bevor es zu Ende ist." "Aber fanden Sie die Geschichte Ethelindes nicht überaus fesselnd?" "Oh, die habe ich alle verfehlt, weil es mir so sehr damit eilte, das Ende zu erfahren. (Jane Austen: Die drei Schwestern und andere Jugendwerke, S. 153)


Austen, Jane: Lediglich eine Novelle

  "Und was lesen Sie, mein Fräulein?" "Oh! es ist nur eine Novelle", antwortete die junge Dame, während sie ihr Buch mit gezierter Gleichgültigkeit und flüchtiger Scham niederlegte. "Es ist lediglich 'Cecilia', oder 'Camilla', oder 'Belinda' - kurz gesagt nur eines jener Werke, in welchem der Welt die allervollkommenste Kenntnis der menschlichen Natur, die fröhlichste Schilderung ihrer Verschiedenheit, der lebendigste Überschwang von Verstand und Humor in wohlgesetzten Worten enthüllt wird. (Jane Austen: Die Abtei von Nordhanger)


Austen, Jane: Nicht in unwürdige Hände!

  "Welch ein Freudentag für Buchändler, Musikalienhändler und Kunsthändler! Sie, Miss Dashwood, würden einen Dauerauftrag erteilen, daß man Ihnen jeden neuen Kupferstich, der etwas taugt, zusendet - und was Marianne betrifft, so kenne ich ihre große Seele: in ganz London wären nicht genug Noten aufzutreiben, um sie zufriedenzustellen. Und Bücher! - Thomson, Cowper, Scott - sie würde sie sich alle mehrfach zulegen, ja, ich glaube, sie würde sämtliche Exemplare davon aufkaufen, um zu verhindern, daß sie in unwürdige Hände geraten, und sie würde sich jedes Buch kaufen, in dem etwas darüber steht, wie man einen knorrigen alten Baum bewundert, (Jane Austen: Gefühl und Verstand)


Austen, Jane: Lesevorlieben

  "Aber Sie lesen wohl keine Romane?" "Warum nicht?" "Ich habe immer gedacht, daß junge Leute Romane überaus geringschätzen. Herren lesen gewiß nur ernste Bücher." "Wer an einem guten Roman keine Freude findet, muß unerträglich dumm sein. Ich habe alle Werke der Radcliffe gelesen, und die meisten mit großem Vergnügen. Die 'Geheimnisse des Udolpho' las ich in einem Zuge, in zwei Tagen, und mein Haar stand die ganze Zeit zu Berge." "Ich erinnere mich nicht", fügte Miß Tilney hinzu, "daß du es mir vorlesen wolltest. Und als ich nur für fünf Minuten abberufen wurde, um einen Brief zu beantworten, hast du nicht auf mich gewartet, sondern das Buch mit zur Einsiedelei genommen; und ich mußte warten, bis du es zu Ende gelesen hattest." (...) "Wir rühmen inzwischen 'Udolpho' mit den Worten, die uns am besten gefallen. Das ist eine sehr anregende Tätigkeit. - Lieben Sie derartige Bücher?" "Um die Wahrheit zu sagen, mehr als alle anderen." "Tatsächlich?" "Das heißt, Gedichte und Schauspiele ebenfalls, auch Reisebeschreibungen sind mir nicht zuwider. Aber Geschichte, wirkliche, feierliche Geschichte! Der kann ich nichts abgewinnen." "Mir gefallen Geschichtswerke gut." "Ich wünschte, mir ginge es ebenso. Ich lese sie aus Pflichtgefühl, aber es ärgert und langweilt mich nur. Auf jeder Buchseite streiten die Priester und Könige mit Krieg und Pestilenz; die Männer sind alle Taugenichts, und von den Frauen ist kaum die Rede - es ist sehr ermüdend. Das meiste davon muß doch erfunden sein. Die Reden, die den Helden in den Mund gelegt werden, ihre Gedanken und Pläne, und gerade Phantasie erfreut mich sonst so." (Jane Austen: Die Abtei von Nordhanger)


Auster, Paul: Entstehung eines Buches

  Solange er an einem Buch arbeitete, probierte er ständig neue Titel aus und jonglierte damit herum, bis der Stapel mit Titelseiten buchstäblich genauso dick war wie das Manuskript selbst. Er muß täglich acht bis zehn Stunden an seinem Opusa geschuftet haben, und ich erinnere mich, daß ich, wenn er dort gebeugt am Schreibtisch saß, öfter durch die Tür zu ihm hineinspähte und mich fragte, wie jemand so lange stillsitzen und sich mit nichts anderem beschäftigen konnte, als die Feder eines Füllers über ein weißes Blatt Papier zu führen. Es war das erste Mal, daß ich die Entstehung eines Buchs miterlebte, und selbst wenn Äsop mich ins Zimmer rief und mir ausgewählte Passagen aus seinem Werk vorlas, fiel es mir schwer, die nötige Ruhe und Konzentration aufzubringen, um den Geschichten, die ihm über die Lippen kamen, richtig folgen zu können. Wir alle kamen in den Buch vor - Meister Yehudi, Mutter Sioux, ich selbst -, und für mein schwerfälliges, ungeübtes Ohr war das Ganze auf dem besten Weg, ein Meisterwerk zu werden. Bei manchen Stellen lachte ich, bei anderen heulte ich, und was kann man mehr von einem Buch verlangen, als daß es einem solche Wonnen und Schmerzen bereitet? (Paul Auster: Mr. Vertigo, S. 100)


Auster, Paul: Bücher, meine Labsal

  Als ich in seinem Alter war, hatte ich gehofft, einmal einen ähnlichen Weg einzuschlagen wie mein Neffe. Wie er hatte auch ich am College Englisch als Hauptfach gehabt, mit der heimlichen Absicht, danach Literatur zu studieren oder mich als Journalist zu versuchen, hatte aber für beides keinen Mut aufgebracht. Das Leben kam mir in die Quere - zwei Jahre bei der Armee, Arbeit, Ehe, Familienpflichten, die Notwendigkeit, immer mehr Geld zu verdienen, der ganze Sumpf, der uns verschlingt, wenn wir nicht den Mumm haben, unsere eigenen Belange durchzusetzen -, aber mein Interesse an Büchern hatte ich nie verloren. Lesen war meine Unterhaltung und mein Trost, mein Labsal, mein liebster Genuß: Lesen zum puren Vergnügen, wegen der wunderbaren Ruhe, die einen umgibt, wenn man die Worte eines Autors in seinem Kopf widerhallen hört. Tom hatte diese Liebe immer mit mir geteilt, und als er mit fünf oder sechs damit anfing, hatte ich es mir zum Prinzip gemacht, ihm Jahr für Jahr mehrere Bücher zu schicken - nicht nur zum Geburtstag oder zu Weihnachten, sondern wann immer ich auf etwas stieß, von dem ich annahm, es könnte ihm gefallen. (Paul Auster: Die Brooklyn-Revue, S. 20)


Auster, Paul: Papiergrüfte

  Harrys Laden lag in der Seventh Avenue, nur wenige Blocks von Toms Wohnung entfernt, und Tom hatte sich angewöhnt, täglich einmal in Brightman's Attic vorbeizugehen. Er kaufte nur selten etwas, stöberte nur gern vor Schichtbeginn eine halbe oder ganze Stunde in den Büchern im Erdgeschoß herum. Zu Tausenden drängten sie sich da - alles Mögliche, von vergriffenen Wörterbüchern über vergessene Bestseller bis hin zu ledergebundenen Shakespeare-Ausgaben. Solche Papiergrüfte hatten es ihm schon immer angetan; hier konnte er in Stapeln ausrangierter Bücher blättern und den schönen alten Staubgeruch genießen. (Paul Auster: Die Brooklyn-Revue, S. 36)


Auster, Paul: Kein Heilungsbedarf

  Abgesehen von seinen Ausgaben für die dringendsten Grundbedürfnisse leistet er sich nur einen einzigen Luxus: Er kauft Bücher, Taschenbücher, hauptsächlich Romane, amerikanische Romane, britische Romane, fremdsprachige Romane in Übersetzungen, doch am Ende sind Bücher kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, und Lesen ist eine Sucht, von der er keinesfalls geheilt werden möchte. (Paul Auster: Sunset Park)


Aus dem Centifolio Stultorum (um 1700)

  Lesen ist ein schöne, ehrliche, nützliche Lustbarkeit. Durch dieses wird manches sonst vernebelte Hirn aufgeheitert und mancher aus Narrennetzen herausgezogen, in solchen er sonst sich unauslöslich verwickelt hätte. Je bescheidener die Leute, desto mehr sind sie in diese Lust vertieft. Es mischen sich freilich unter die vollen Reihen derer, die aus den Büchern Weisheit schöpfen, viele, welche viele Bücher zusammenkaufen, sie ins Zimmer stellen und nur abstauben. Sie wissen nicht: Bücher lesen ist eine so edle, nützliche und ergötzliche Sache, daß jener, der sich darin begiebt, verliebt und gierig wird, davon nicht mehr ablassen kann. Aber man soll sich hüten, alle Bücher, so man in die Hand nimmt, ohne Unterschied zu verschlingen.


Aus einer Verordnung eines Lesesaals (1835)

  Niemand trete verstohlen ein,
Oder lange selbst in die Schränke.
Fordre ein Buch, Gebrauch' es, halt'
es reinlich, Verschon' es mit Schnitten,
Strichen, Zeichen. Merkblättchen hinein-
zulegenen, Stellen auszuschreiben, ist
unverwehrt; Nur dien' es dir nicht
zu Stützpunkt oder Unterlage...


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