Kafka-Splitter [<<] 

Rund um den Prager Dichter


Wagenbachs Würdigung

Ein genialer Schilderer der Macht (mp3): Der Verleger Klaus Wagenbach würdigt Franz Kafka anlässlich seines 125. Geburtstages.


Eingebrockte Suppe

Kafka bekommt Post von einem Leser "Sehr geehrter Herr, Sie haben mich unglücklich gemacht. Ich habe Ihre Verwandlung gekauft und meiner Kusine geschenkt. Die weiß sich die Geschichte aber nicht zu erklären. Meine Kusine hats ihrer Mutter gegeben, die weiß auch keine Erklärung. Die Mutter hat das Buch meiner anderen Kusine gegeben und die hat auch keine Erklärung. Nun haben sie an mich geschrieben. Ich soll Ihnen die Geschichte erklären. Weil ich der Doctor der Familie wäre. Aber ich bin ratlos. Herr! Ich habe Monate hindurch im Schützengraben mich mit dem Russen herumgehauen und nicht mit der Wimper gezuckt. Wenn aber mein Renommee bei meinen Kusinen zum Teufel ginge, das ertrüg ich nicht. Nur Sie können mir helfen. Sie müssen es; denn Sie haben mir die Suppe eingebrockt. Also bitte sagen Sie mir, was meine Kusine sich bei der Verwandlung zu denken hat. Mit vorzüglicher Hochachtung, ergebenst Dr Siegfried Wolff" Mehr Kafka-Fundstücke auf der Webseite vom Kafkaexperten Reiner Stach.


Zwei Berufe

Abgesehen von meinen Familienverhältnissen könnte ich von der Literatur schon infolge des langsamen Entstehens meiner Arbeiten und ihres besonderen Charakters nicht leben; überdies hindert mich auch meine Gesundheit und mein Charakter daran, mich einem im günstigsten Fall ungewissen Leben hinzugeben. Ich bin daher Beamter in einer sozialen Versicherungsanstalt geworden. Nun könnten diese zwei Berufe einander niemals ertragen und ein gemeinsames Glück zulassen. (...) Habe ich an einem Abend Gutes geschrieben, brenne ich am nächsten Tag im Bureau und kann nichts fertig bringen. Dieses Hinundher wird immer ärger. Im Bureau genüge ich nicht, und jene nichterfüllte innere Pflicht wird zu einem Unglück, das sich aus mir nicht mehr rührt."


Kafka bei Wolff

"Am Nachmittag brachte Max Brod, der schon in Beziehung zum Verlag stand, Kafka in das schäbige kleine Verlagsbureau [...]. Möge mir Max Brod verzeihen, mir, der ich der letzte wäre, seine gar nicht abzuschätzenden Verdienste um den lebenden und toten Freund verkleinern zu wollen - aber ich habe im ersten Augenblick den nie auslöschbaren Eindruck gehabt: der Impresario präsentiert den von ihm entdeckten Star. Natürlich, so war's ja auch, und wenn dieser Eindruck peinlich war, so war das in Kafkas Wesen begründet [...]. / Ach, wie er litt. Schweigsam, linkisch, zart, verwundbar, verschüchtert wie ein Gymnasiast vor den Examinatoren, überzeugt von der Unmöglichkeit, die durch die Anpreisung des Impresarios geweckten Erwartungen je zu erfüllen. [...] Ich atmete auf, als der Besuch vorbei war und nahm Abschied von den schönsten Augen, dem rührenden Ausdruck eines alterslosen Menschen, der damals im dreißigsten Jahre stand, dessen Erscheinung aber zwischen krank und kränker schwankend für meinen Eindruck immer alterslos blieb: man konnte sagen: ein Jüngling, der nie den Schritt ins Mannesalter getan. / Bei der Verabschiedung an jenem Junitag 1912 sagte Kafka ein Wort, das ich nie früher noch nachher von einem anderen Autor gehört habe und das mir daher unverrückbar mit dem einzigen Kafka verbunden blieb: 'Ich werde Ihnen immer viel dankbarer sein für die Rücksendung meiner Manuskripte als für deren Veröffentlichung.'" (Der Verleger Kurt Wollf in seinen Erinnerungen)


Blicke in den Abgrund

Die Menschheit […] hat, um möglichst das Gespenstische zwischen den Menschen auszuschalten und den natürlichen Verkehr, den Frieden der Seelen zu erreichen, die Eisenbahn, das Auto, den Aeroplan erfunden, aber es hilft nichts mehr, es sind offenbar Erfindungen, die schon im Absturz gemacht werden, die Gegenseite ist soviel ruhiger und stärker, sie hat nach der Post den Telegraphen erfunden, das Telephon, die Funkentelegraphie. Die Geister werden nicht verhungern, aber wir werden zugrundegehn." ( (Aus einem Brief, März 1922)


Gespenster

Die leichte Möglichkeit des Briefeschreibens muß – bloß theoretisch angesehn – eine schreckliche Zerrüttung der Seelen in die Welt gebracht haben. Es ist ja ein Verkehr mit Gespenstern und zwar nicht nur mit dem Gespenst des Adressaten, sondern auch mit dem eigenen Gespenst, das sich einem unter der Hand in dem Brief, den man schreibt, entwickelt. (Aus einem Brief, März 1922)


Der Redliche und Unpolitische

In unserem Jahrhundert, sagte ich, ließen sich nicht viele Autoren finden, die sich für Politik und öffentliche Belange so wenig interessiert hätten wie er; außerdem enthalte sein Werk nichts, was an sein Judentum erinnere. Warum Kafkas Oeuvre bei uns unterdrückt werde, habe andere Ursachen. Ich wisse nicht, ob sie sich so einfach eingrenzen ließen, sei aber der Meinung, daß an Kafkas Persönlichkeit seine Redlichkeit als das Anstößigste gelte. (Ivan Klima: Liebe und Müll, S. 58)


Schlaflosigkeit

Schlaflose Nacht. Schon die dritte in einer Reihe. Ich schlafe gut ein, nach einer Stunde aber wache ich auf, als hätte ich den Kopf in ein falsches Loch gelegt. Ich bin vollständig wach, habe das Gefühl gar nicht oder nur unter einer dünnen Haut geschlafen zu haben, habe die Arbeit des Einschlafens von neuem vor mir und fühle mich vom Schlaf zurückgewiesen. Und von jetzt an bleibt es die ganze Nacht bis gegen 5 so, daß ich zwar schlafe daß aber starke Träume mich gleichzeitig wach halten. Neben mir schlafe ich förmlich, während ich selbst mit Träumen mich herumschlagen muß. Gegen 5 ist die letzte Spur von Schlaf verbraucht, ich träume nur, was anstrengender ist als Wachen. Kurz ich verbringe die ganze Nacht in dem Zustand, in dem sich ein gesunder Mensch ein Weilchen lang vor dem eigentlichen Einschlafen befindet. (Franz Kafka)


Einzig wahrer Schriftsteller

"Mit unfassbarer Besessenheit lese ich wieder Kafka, immer und immer wieder die gleichen Parabeln, die gleichen Stellen im Prozess, den Landarzt, den Hungerkünstler, den Bericht in der Akademie. Links und rechts lasse ich all die anderen ungelesenen Bücher liegen. Sie scheinen nur Triviales und bereits Bekanntes zu beinhalten, Kafka hingegen ist immer wieder neu und, man mag mir dieses Wort verzeihen, erfrischend. Kafka, der einzig wahre Schriftsteller." [X]


Kishon über Kafka

"Schau nach bei Kafka. Er hat einige Bücher über die Bosheit der Menschen geschrieben." "Kafka?" "Sicherlich. Kafka war unter anderem ein bedeutender Satiriker, auch wenn er selbst es nicht wußte. Noch die trockensten Stellen in seinen Romanen sind humorvoller als eine ganze Serie von Witzen." (Ephraim Kishon: Eintagsfliegen leben länger, S. 12)


Kafka und das Bureau

"Wie ich heute aus dem Bett steigen wollte", schrieb Franz Kafka im Februar 1911 in einem Entschuldigungsbrief an seinen Chef Eugen Pfohl, "bin ich einfach zusammengeklappt. Es hat das einen sehr einfachen Grund, ich bin vollkommen überarbeitet. Nicht durch das Bureau aber durch meine sonstige Arbeit. Das Bureau hat nur dadurch einen unschuldigen Anteil daran, als ich, wenn ich nicht hinmüsste, ruhig für meine Arbeit leben könnte und nicht diese 6 Stunden dort täglich verbringen müsste. Schliesslich das weiss ich ja ist das nur Geschwätz, schuldig bin ich und das Bureau hat gegen mich die klarsten und berechtigsten Forderungen. Nur ist es eben für mich ein schreckliches Doppelleben, aus dem es wahrscheinlich nur den Irrsinn als Ausweg gibt."


Ein älterer Junggeselle

Die Erzählung Blumfeld, ein älterer Junggeselle kann man im Projekt Gutenberg lesen. Eine Vorstellung und Interpretation findet sich bei Herbert Huber.


Kafka als Versicherungsangestellter

Den Schriftsteller Franz Kafka (1883-1924) fernab von Büchern und Weltliteratur will das Schiller- Nationalmuseum in Marbach in den kommenden Wochen präsentieren. Auf dem Motorrad ist er ebenso zu sehen wie als Verfasser der Skizze "Die besitzlose Arbeiterschaft", als Kontrolleur von "Gefahrenklassen" in der Industrie oder als Besucher von Gürtlereien und Feintuchfabriken. Kafka wird als Beamter der Arbeiter- Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag vorgestellt. In der Ausstellung werden die Akten auf seinem Schreibtisch gezeigt und die Fabriken in seinem "Kontroll-Rayon" in Nordböhmen dargestellt, die Maschinen, die Arbeitsschutzein- richtungen, Kafkas Gehalts- und Rangverhältnisse sowie sein Fahrrad. Kafka war von 1908 bis 1917 Angestellter einer Versicherungs gesellschaft, später einer Arbeiter- Unfall- Versicherung. Die Ausstellung ist bis zum 16. Februar 2003 geöffnet.


Das Buch als Axt

Lieber Oskar! Du hast mir einen lieben Brief geschrieben; der entweder bald oder überhaupt nicht beantwortet werden wollte, und jetzt sind vierzehn Tage seitdem vorüber, ohne dass ich dir geschrieben habe, das wäre an sich unverzeihlich, aber ich hatte Gründe. Fürs erste wollte ich nur gut Überlegtes Dir schreiben, weil mir die Antwort auf diesen Brief wichtiger schien als jeder andere frühere Brief an Dich - (geschah leider nicht); und fürs zweite habe ich Hebbels Tagebücher (an 1800 Seiten) in einem Zuge gelesen, während ich früher immer nur kleine Stückchen herausgebissen hatte, die mir ganz geschmacklos vorkamen. Dennoch fing ich es im Zusammenhange an, ganz spielerisch anfangs, bis mir aber endlich so zu Mute wurde wie einem Höhlenmenschen, der zuerst im Scherz und in langer Weile einen Block vor den Eingang seiner Höhle wälzt, dann aber, als der Block die Höhle dunkel macht und von der Luft absperrt, dumpf erschrickt und mit merkwürdigem Eifer den Stein wegzuschieben sucht. Der aber ist jetzt zehnmal schwerer geworden und der Mensch muss in Angst alle Kräfte anspannen, ehe wieder Licht und Luft kommt. Ich konnte eben keine Feder in die Hand nehmen während dieser Tage, denn wenn man so ein Leben überblickt, das sich ohne Lücke wieder und wieder höher türmt, so hoch, dass man es kaum mit seinen Fernrohren erreicht, da kann das Gewissen nicht zur Ruhe kommen. Aber es tut gut, wenn das Gewissen breite Wunden bekommt, denn dadurch wird es empfindlicher für jeden Biss. Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen.

Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? Damit es uns glücklich macht, wie du schreibst? Mein Gott, glücklich wären wir eben auch, wenn wir keine Bücher hätten, und solche Bücher, die uns glücklich machen, können wir zur Not selber schreiben. Wir brauchen aber Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder verstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Das glaube ich. Aber du bist ja glücklich, Dein Brief glänzt förmlich, ich glaube, Du warst früher nur infolge des schlechten Umganges unglücklich, es war ganz natürlich, im Schatten kann man sich nicht sonnen. Aber dass ich an Deinem Glück schuld bin, das glaubst Du nicht. Höchstens so: Ein Weiser, dessen Weisheit sich vor ihm selbst versteckte, kam mit einem Narren zusammen und redete ein Weilchen mit ihm, über scheinbar fernliegende Sachen. Als nun das Gespräch zu Ende war und der Narr nach Hause gehen wollte - er wohnte in einem Taubenschlag -, fällt ihm da der andere um den Hals, küsst ihn und schreibt: danke, danke, danke. Warum? Die Narrheit des Narren war so groß gewesen, dass sich dem Weisen seine Weisheit zeigte. - Es ist mir, als hätte ich Dir ein Unrecht getan und müsste Dich um Verzeihung bitten. Aber ich weiß von keinem Unrecht. Dein Franz. (Franz Kafka: Brief an Oskar Pollak, 1904)


Über das Vorlesen

Liebste, ich lese nämlich höllisch gern vor, in vorbereitete und aufmerksame Ohren der Zuhörer zu brüllen, tut dem armen Herzen so wohl. Ich habe sie aber auch tüchtig angebrüllt und die Musik die von den Nebensälen her mir die Mühe des Vorlesens abnehmen wollte, habe ich einfach fortgeblasen. Weißt Du, Menschen kommandieren oder wenigstens an sein Kommando zu glauben - es gibt kein größeres Wohlbehagen für den Körper. Als Kind - vor ein paar Jahren war ich es noch - träumte ich gern davon, in einem großen mit Menschen angefüllten Saal -, allerdings ausgestattet mit einer etwas größern Herz- Stimm- und Geisteskraft, als ich sie augenblicklich hatte - die ganze Education sentimentale ohne Unterbrechung soviel Tage und Nächte lang, als sich für notwendig ergeben würde, natürlich französisch (o du meine liebe Aussprache!) vorzulesen und die Wände sollten widerhallen. Wann immer ich gesprochen habe, reden ist wohl noch besser als vorlesen (selten genug ist es gewesen), habe ich diese Erhebung gefühlt und auch heute habe ich es nicht bereut. Es ist - und darin soll die Verzeihung liegen - das einzige gewissermaßen öffentliche Vergnügen, das ich mir seit einem Vierteljahr fast gegönnt habe. [Kafka an Felice Bauer]


Kafka und die Bücher

Ob als Schreiber oder Leser: Kafka ließ sich von seinen Sinnen leiten, war ein vom Detail besessener Realiensammler. Sein Verhältnis zu Büchern war von fast körperlicher Leidenschaft bestimmt: "Lasst mir meine Bücher, ich habe doch sonst nichts." Dabei hatte er nicht einmal das Verlangen, sie zu lesen oder zu besitzen. Für einen Autor seines Ranges besaß er ungewöhnlich wenige Bücher, vielmehr war er getrieben von einer "Gier", wie er es ausdrückte. Sie äußerte sich darin, dass er die Auslagen der Buchläden betrachtete und sich über den vorhandenen Bestand vergewisserte. Er unterhielt gleichsam eine virtuelle Bibliothek und fand besonderes Vergnügen bei der Vorstellung, er könne den Inhalt der Bücher erraten. Bezeichnend ist folgender Brief: "Ich hatte in der Auslage des Buchladens den , Literarischen Ratgeber' des Dürerbundes bemerkt. Beschloß ihn zu kaufen, änderte diesen Beschluß, kam nochmals darauf zurück, währenddessen ich zu allen Tageszeiten vor dem Schaufenster stehen blieb."


Kafka als Leser

Lesen, dieses verzehrende, gierige und vom Buch selbst wie von einem Dämon angetriebene Lesen ist für Kafka nicht die Vorstufe, sondern die andere, physische, mühselig digestive, niederringende Seite des Schreibens: "Mein ganzer Körper warnt mich vor jedem Wort, jedes Wort, ehe es sich von mir niederschreiben lässt, schaut sich zuerst nach allen Seiten um; die Sätze zerbrechen mir förmlich, ich sehe ihr Inneres und muss dann aber rasch aufhören."


Kafka und die Bücher

Es wahrte eine innere Distanz zu seinen Mitmenschen, war aber dennoch selten allein: man muß immer wieder die Rolle der Lektüre in Kafkas Leben betonen. Bücher waren seine wahren Lehrer, seine intimsten Freunde, manchmal allerdings auch seine gefährlichsten Feinde. "Manches Buch wirkt wie ein Schlüssel zu fremden Sälen des eigenen Schlosses", schrieb er 1903 an Oskar Pollak. Er liebte Bücher, liebte es, sie anzufassen oder sie einem Schaufenster ausgestellt zu sehen. Brod berichtet, daß Kafka seines Wissens nach niemals Bücher aus der reichhaltigen Bibliothek der "Lesehalle" ausgeliehen habe, aber die alten kleinen staubigen Buchhandlungen der Stadt gehörten zu seinen liebsten Aufenthaltsorten, und sein ganzes Leben lang suchte er in Verlagsprospekten nach Lektüre, die ihn interessieren konnte. In anderer Beziehung sparsam, manchmal sogar ausgesprochen geizig, ließ er sich zu Extravaganzen hinreißen, wenn es um Bücher ging - und er hatte kein schlechtes Gewissen dabei. Seinen Freunden gegenüber war er ausgesprochen großzügig; er überreichte ihnen gerne einen mit Bedacht ausgewählten Roman oder einen Band Gedichte als Geschenk. Aber er war kein Sammler, seine Gier wurde nicht durch antiquarische Raritäten oder schöne Einbände geweckt, sondern durch den Text, der sich zwischen den Buchdeckeln fand. Er kaufte die Bücher nicht nur, er las sie auch. [...] Brod zählt einige von Kafkas frühen Lieblingsautoren auf: Goethe, Thomas Mann, Hesse und Flaubert, dazu eine Reihe von deutschen Klassikern des neunzehnten Jahrhunderts, Hebbel zum Beispiel, Fontane und Stifter [...] Selbstverständlich wandelte sich Kafkas Geschmack im Laufe seines Lebens und seine Leidenschaft für Schriftsteller wie Flaubert, Hofmannsthal, Dickens, Dostojewkski, später Goethe, Kleist und Kierkegaard, bezeugt sein geistiges Wachstum. (Aus: Pawel: Das Leben Franz Kafkas. S. 184f.)


Hesse & Kafka

Hesse gehörte auch zu den ersten Förderern Franz Kafkas, er war sogar eine Art Entdecker dieses Dichters. Er lobte dessen Werk überschwänglich und sah in ihm einen ganz großen Dichter, als "eines der erstaunlichsten Phänomene seiner Zeit", ein "heimlicher Meister und König der deutschen Sprache" an. "Was ist das wieder für ein seltsames, aufregendes, wunderliches und was für ein beglückendes Buch! Es ist, wie alle Werke dieses Dichters, ein Gespinst aus zartesten Traumfäden, die Konstruktion einer Traumwelt, hergestellt mit so reinlicher Technik und geschaffen mit so intensiver Kraft der Vision, daß eine unheimliche, hohlspiegelhafte Scheinwirklichkeit entsteht welche zunächst wie ein Alptraum wirkt, bedrückend und ängstigend, bis dem Leser der geheime Sinn dieser Dichtungen aufgeht. Dann strahlt Erlösung aus Kafkas eigenwilligen und phantastischen Werken, denn der Sinn seiner Dichtung ist durchaus nicht, wie es zunächst bei der ganz ungewöhnlichen Sorgfalt der Kleinarbeit scheinen könnte, ein artistischer, sondern ein religiöser. Was diese Werke ausdrücken, ist Frömmigkeit, was sie erwecken, ist Devotion, ist Ehrfurcht. So auch der "Prozeß". [aus "Franz Kafkas Nachlass, Berliner Tageblatt 9.9.1925]


Aus dem Abgrund

Mit Kafka, den ich für den grössten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts halte, hatte ich einige Probleme. Nicht, dass ich bei Kafka keinen Humor entdeckt hätte; den gibt es, sogar jede Menge. Aber sein Humor war von solcher Hochspannung, dass ich es nicht ertrug. Das passierte mir weder bei Musil noch bei Döblin oder Hesse, auch nicht mit Lichtenberg, den ich häufig lese und der mir immer wieder Kraft gibt. Musil, Döblin, Hesse schreiben vom Rand des Abgrunds. Das ist sehr verdienstvoll, denn fast niemand wagt, von dort zu schreiben. Aber Kafka schreibt aus dem Abgrund heraus. Genauer: während er stürzt. Als ich die Herausforderung endlich begriffen hatte, begann ich Kafka aus einer anderen Perspektive zu lesen. Jetzt kann ich ihn mit einer gewissen Gelassenheit wiederlesen und dabei lachen, obgleich niemand mit einem Buch von Kafka in der Hand lange gelassen bleiben kann. (Roberto Bolano)


Kafka und die Bücher

Ob als Schreiber oder Leser: Kafka ließ sich von seinen Sinnen leiten, war ein vom Detail besessener Realiensammler. Sein Verhältnis zu Büchern war von fast körperlicher Leidenschaft bestimmt: "Lasst mir meine Bücher, ich habe doch sonst nichts." Dabei hatte er nicht einmal das Verlangen, sie zu lesen oder zu besitzen. Für einen Autor seines Ranges besaß er ungewöhnlich wenige Bücher, vielmehr war er getrieben von einer "Gier", wie er es ausdrückte. Sie äußerte sich darin, dass er die Auslagen der Buchläden betrachtete und sich über den vorhandenen Bestand vergewisserte. Er unterhielt gleichsam eine virtuelle Bibliothek und fand besonderes Vergnügen bei der Vorstellung, er könne den Inhalt der Bücher erraten. Bezeichnend ist folgender Brief: "Ich hatte in der Auslage des Buchladens den , Literarischen Ratgeber' des Dürerbundes bemerkt. Beschloß ihn zu kaufen, änderte diesen Beschluß, kam nochmals darauf zurück, währenddessen ich zu allen Tageszeiten vor dem Schaufenster stehen blieb."


Weiteres zu Franz Kafka

Ist das hier alles zu Kafka? Beileibe nicht! Weiter führt die separate Autorenseite im BücherleiWiki.


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