Mitten ins Herz (1) [>>]


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Beim Lesen stolpert man mitunter auf Stellen, bei denen man mit der Faust auf den Tisch haut: Genau so geht es mir! Das könnte ich so nie und schon gar nicht besser ausdrücken! Neuralgische Punkte des eigenen Bewußtseins oder geistigen Daseins werden, tja, auf den Punkt gebracht. Solche verblüffende Treffer und Übereinstimmungen mit eigenen Befindlichkeiten gilt es zu markieren:


Wie war diese Angst? Ist sie bei anderen Leuten anders? Ich weiß es nicht. Plötzlicher, steigender Schrecken, der einen kalt erwischt; aufwallendes Verlangen zu schreien, was die Hausordnung (wie üblich) verbietet, so daß man mit offenem Mund in zitternder Panik daliegt; vollkommene Wachheit, die erst nach einer Stunde oder so nachläßt; und das alles als Hintergrund für und Symptom der zentralen, halb- visuellen, halb-intellektuellen Vorstellung des Nichtseins. Das Bild endlos zurückweichender Sterne, das sich das Unterbewußtsein - tumb und banal, wie es ist - wahrscheinlich vom Anfang der Universal Pictures Filme geholt hat; das Gefühl absoluten Alleinseins im eigenen pyjama-umhüllten, bebenden Körper; sich inne werden, daß die ZEIT (immer in großen Lettern) ohne einen weitergeht bis in alle Ewigkeit; und das quälende Gefühl, in diesem Zustand gefangenzusitzen, in den man von einem oder mehreren Unbekannten hineingelockt worden ist. (Julian Barnes: Metroland)


Die Tage fingen mit einer Verneinung an und endeten mit einer Kapitulation. (Thomas Melle: Die Welt im Rücken)


... lebte halbfokussiert (...) dahin. (Thomas Melle: Die Welt im Rücken)


...bekam bei alldem eine so monumentale und habituell eingefleischte schlechte Laune... (Stephan Wackwitz: Die Bilder meiner Mutter)


Ich gehöre aber nicht zu denen, die sich damit trösten, dass andere das Glück auch nicht finden. (Willem Frederik Hermans: Unter Professoren)


Tina ist ein ideal gesinnter Mensch, deswegen erträgt sie die fallweise Unzulänglichkeit alles Irdischen nur schwer. (Alex Capus: Das Leben ist gut)


Daß allein jene des Glücks fähig sind, die der Liebe unfähig sein, das ist in der Tat die große Schande dieser Erde. (Andre Gide: Der Griesgram)


Was ich am besten an "meinen Nächsten" verstehe, ist ihre Anstrengung, sich von mir zu entfernen. (Andre Gide: Der Griesgram)


Wenn nur die anderen damit aufhörten, könnte ich anfangen glücklich zu sein. (Andre Gide: Der Griesgram)


Da ich nichts Sonderliches begehrte, erreichte ich alles im engen Kreis meiner Wünsche. (Stefan Zweig: Phantastische Nacht)


... der in den Jahren traurig geworden war, die seine besten hatten sein sollen. (Uwe Johnson: Jahrestage 2)


Die Grundlage des menschlichen Seelenfriedens und des halbwegs erträglichen Zusammenlebens ist eine sanfte Isolierschicht von Stumpfsinn, ohne die unsere Nerven fortwährend aufgerieben würden - viele machen sich das nur niemals klar. (Wilkie Collins: Lucilla)


Sie möchten nicht zufällig meine Gesundheit gegen Ihre tauschen? (Antonio Lobo Antunes: Fado Alexandrino)


Er mochte fünfzig Jahre alt sein und hätte für sein Alter jung ausgesehen, hätte nicht die pausenlose Arbeit seine Züge hart werden und ihn wie eine Maschine ohne Bewußtsein erscheinen lassen. Er hatte ein sehr intelligentes Gesicht, dem es jedoch an natürlichem Ausdruck fehlte. Man hätte ihn als einen nützlichen Mann eingeschätzt, um den man sich anschließlich nicht mehr kümmert: jemand, an den man sich in schlimmen Notlagen wendet, der sich aber nicht zu gewöhnlichen Aufgaben eignet; jemand, den man bitten würde, das Eigentum zu verteidigen, dem man sich aber nur ungern in Liebesdingen anvertrauen würde. Er war eine glanzvolle Erscheinung, wie ein Diamant, und war ebenso schneidend und genausowenig zu beeindrucken. Er kannte jeden, den zu kennen als Ehre galt, aber er hatte keinen Freund, was er jedoch nicht als Mangel empfand; er kannte die Bedeutung des Wortes "Freund" nur in seinem parlamentarischen Sinne. Ein Freund! (Anthony Trollope: Septimus Harding, Vorsteher des Spitals zu Barchester)


Ihn überfiel plötzlich das schwindelerregende Gefühl der Gleichgültigkeit der Welt ihm gegenüber. (Antonio Lobo Antunes: Fado Alexandrino)


Schon das nächste Erwachen brachte wieder das erste leise Anspülen bitterer Fluten... (Wilhelm Raabe: Abu Telfan)


Wenn sich Kathrin an ihre Kindheit erinnerte, sah sie ihren Vater stets wütend oder mürrisch. Sie hatten niemals zusammen gelacht. Bis heute hielt Kron seine schlechte Laune für etwas Besonderes. Am liebsten pflegte er sie in aller Öffentlichkeit. Seiner Meinung nach plagte ihn kein alltäglicher Frust, sondern ein höherer Weltschmerz, der auf speziellen Kenntnissen über die Schlechtigkeit der Menschen beruhte. Kron glaubte, die Leute als Einziger so zu sehen, wie sie wirklich waren. Daraus folgte ein Leiden am Sein, das er seiner Umwelt präsentierte wie eine Trophäe. Da die Menschen sein Elend verursachten, sollten sie gefälligst auch hineinblicken wie in einen Spiegel. Mit anderen Worten, Krons schlechte Laune hatte pädagogische Qualität. (Juli Zeh: Unterleuten)


Wie zieht einen doch (...) die Sorge ums Leben von ebendiesem ab. (Herbert Rosendorfer: Die Kaktusfrau. Erzählungen)


Er kannte das Gefühl, (...): zu Hause sein wollen und nicht zu wissen wo. (Stephan Thome: Fliehkräfte)


Seine mangelnde Begabung zur Unbeschwertheit... (Stephan Thome: Fliehkräfte).


Wenn Du meine brieflichen Notschreie dem Mond vorlesen würdest, würde er weinend vom Himmel fallen. (Irmgard Keun: Kind aller Länder)


... war ein zu ausgelernter Selbstpeiniger. (Wilhelm Raabe: Abu Telfan)


Ich bin ich, und das ist das Leiden. (Wilhelm Raabe: Abu Telfan)


Was den Menschen vom Tier unterschied, war die Fähigkeit, im Angesicht der Katastrophe "Siehste!" zu denken. (Juli Zeh: Unterleuten)


... dann treten wir mal wieder mit dem Vollgewicht unserer Persönlichkeit in die Scheiße. (Hans Fallada: Bauern, Bonzen und Bomben)


Retweet: Der sicherste Weg zur Depression ist übrigens eine hohe Menschenkenntnis.


Wir lieben diejenigen, die das Schlimmste von uns wissen und das Gesicht nicht abwenden. (Laszlo Nemeth: Abscheu)


... ungebrochenen Mutes und hellen Geistes bei aller Veränderung ihrer Daseinsumstände. (Heimito von Doderer: Ein Mord den jeder begeht)


Der Mensch in seinem blinden Tasten weiß nie, wo er auf das Verhängnis trifft. (Laszlo Nemeth: Abscheu)


Tja, schön wär's: "... ungebrochenen Mutes und hellen Geistes bei aller Veränderung ihrer Daseinsumstände." (Heimito von Doderer: Ein Mord den jeder begeht)


Und so wird dem, den das Leben von der Liebe ausgeschlossen hat, langsam zum Vergnügen, seinen Haß öffentlich zu zeigen. (Laszlo Nemeth: Abscheu)


Gegen Roys Leben war die spanische Inquisition eine Bachblütentherapie. (Tatort: Der treue Roy)


Wenn ich auch nur einem einzigen Anzeichen wirklichen Verständnisses begegnen würde, ich glaube, ich bräche zusammen. (Edward Morgan Forster: Der lilafarbene Brief. Erzählungen)


"Ich erlaube mir, mich nach dem werten Befinden zu erkundigen?" "Ach, Herr Winkler, ich sage immer: zur Notschlachtung reicht es noch nicht. (Herbert Rosendorfer: Die Nacht der Amazonen)


Schon eilt mir zum Unglück das nötige Pech zu Hilfe. (Peter Wawerzinek: Schluckspecht)


Die Menschen, die in unserem Leben wirklich etwas bedeutet haben, können wir an den Fingern einer Hand abzählen und sehr oft sträubt sich sogar diese eine Hand gegen die Perversität, in welcher wir glauben, eine ganze Hand zum Abzählen dieser Menschen heranziehen zu müssen, wo wir doch, wenn wir ehrlich sind, wahrscheinlich ohne einen einzigen Finger auskommen. (Thomas Bernhard: Wittgensteins Neffe)


Meine an sich ja nicht unglückliche, aber doch die meiste Zeit mühevolle Existenz... (Thomas Bernhard: Wittgensteins Neffe)


Denn tatsächlich hatte ich in jener Periode, bevor ich meinen Freund kennengelernt habe, schon jahrelang mit einer krankhaften Melancholie, wenn nicht gar Depression zu kämpfen gehabt und mich in Wahrheit damals selbst für verloren gehalten, jahrlang nichts Wesentliches mehr gearbeitet und die meiste Zeit die Tage nur mit einem völligen Desinteresse an ihnen angefangen und aufgehört. Und ich war damals sehr oft nahe daran gewesen, meinem Leben überhaupt einen eigenhändigen Schluß zu machen. Jahrelang war ich in nichts anderes als in eine fürchterliche geisttötende Selbstmordspekulation hineingeflüchtet gewesen, die mir alles unerträglich gemacht hat, mich selbst am unerträglichsten, gegen die tagtägliche Sinnlosigkeit, die mich umgeben hat und in welche ich selbst mich wahrscheinlich aus meiner Allgemeinschwäche heraus, vor allem aber aus meiner Charkterschwäche heraus, gestürzt hatte. Ich hatte mir ja schon lange Zeit nicht mehr vorstellen wollen, weiterleben zu können, nicht einmal weiterexistieren zu können, ich hatte keinen Lebenszweck mehr in mich aufnehmen und mich dadurch nicht mehr beherrschen können und war, wenn ich in der Frühe aufwachte, unweigerlich diesem Selbstmorddenkmechanismus unterworfen gewesen, aus welchem ich den ganzen Tag nicht mehr herausgekommen bin. Ich war damals auch von allen verlassen gewesen, weil ich sie alle verlassen hatte. (Thomas Bernhard: Wittgensteins Neffe)


Ich werde ungeduldig, wenn ich junge Leute sehe, die sich treiben lassen. Ich wünschte mir, ich könnte ihr Leben für sie leben; ich wüßte schon, wie! Aber das ist es ja; wenn man endlich alle Abkürzungen kennt, sind die Füße so angeschwollen, daß man nicht einmal mehr auf die Straße gehen kann. (Willa Cather: Mein ärgster Feind)


Die Menschen sollten besser sterben, als geboren zu werden, Geburten sind unwürdig, es ist niedrig, im Erscheinen auf der Welt die eigene Existenz einzufordern. Der Tod ist eine hochmütige, doch stolze Tat - indem wir uns der Nichtexistenz zuwenden, wählen wir das Würdigere. Denn dem Leben wohnt etwas Beschämendes inne, Dasein, das ist wie beim Abendessen laut Darmwinde zu lassen, Sein ist jämmerlich, Sein ist lächerlich, ungut. Nichtsein - das ist das Raffinierte. Nichtsein ist elegant. Ich schäme mich dafür, dass die Verantwortung für den Missgriff, ich selbst zu sein, auf mir lastet, für die Taktlosigkeit meiner Geburt, die Peinlichkeit, dass ich immer noch lebe, statt mich selbst zu erschießen oder mich von den Deutschen erschießen zu lassen und durch den Tod ein eleganter Mensch zu werden. (Szczepan Twardoch: Morphin)


Er besaß die Tugend, seine Pläne mit der gleichen Begeisterung zu vergessen, die er gebraucht hatte, um sie zu ersinnen. (Gabriel Garcia Marquez: Die Nacht der Rohrdommeln. Erzählungen)


Meine mit meiner Genialität einhergehende Ungeschicklichkeit im Umgang mit dem profanen Alltag macht mir manchmal wirklich zu schaffen. (Verena Roßbacher: Schwätzen und Schlachten)


Er hatte einen schwierigen familiären Hintergrund und der sorgte für die, zweifellos, schlechte Beleuchtung in seinem Leben. (Verena Roßbacher: Schwätzen und Schlachten)


Leute mit schwierigem familiären Hintergrund werden im Leben eigentlich immer klatschnass. (Verena Roßbacher: Schwätzen und Schlachten)


Und konnte man in der Zwischenzeit nicht irgendetwas tun, um jene Gaben zu retten und dem Mann selbst wieder auf die Beine zu helfen? Würde das Talent sich noch einmal behaupten und den Mann beflügeln, oder würde es unter immer mehr Alkohol verschwinden? Obwohl er ihn nicht kannte und nie kennen lernen würde, sorgte er sich persönlich um sein Wohlergehen, bangte um ihn wie um einen geliebten Freund, der sich selbst in Not gebracht hatte. Der bloße Gedanke an ihn erfüllte ihn mit solcher Traurigkeit, dass er hätte weinen mögen. Nichts schmerzt mehr, als einen hochfliegenden Geist am Boden zu sehen. (Charles Jackson: Das verlorene Wochenende)


... weil lebendig sein so unerhört anstrengend war. (Verena Roßbacher: Schwätzen und Schlachten)


... daß mich tausend Rücksichten einklemmen; wenn ich sterbe, werde ich noch auf meinen Lebensanfang warten! (Achim von Arnim: Neun Novellen)


... das Erlöschen des himmlischen Feuers unter irdischem Drucke... (Achim von Arnim: Neun Novellen)


Ich habe jeden Tag das Gefühl, alle Menschen leben richtig, nur ich nicht. (Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal)


Im Druck des Alltags verliere ich meine Zartheit. (Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal)


Wieder hatte ich das Gefühl, dass sich die Wirklichkeit zu stark an mir verausgabte. (Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal)


Ich war seit langer Zeit daran gewöhnt, von einer Problemlage in die nächste zu rutschen. (Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal)


... weil die wirkliche Wirklichkeit nur mit der Hoffnung ihres baldigen Verschwindens zu ertragen war. (Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal)


Einsam ist man nicht, weil sich niemand mehr um einen kümmert, sondern weil man sich plötzlich wieder derer erinnert, von denen man sich innerlich verabschiedet hatte. (Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal)


Ich hatte es satt, dass aus meinem Leben eine einzige lange Bedenkzeit wurde. (Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal)


... war mir unklar, was ich inmitten der schnellverderblichen Welt noch anfangen sollte. (Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal)


Ich brauchte nur kurz in den Spiegel zu schauen, dann waren alle Fragen gestellt und gleichzeitig beantwortet. (Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal)


Die Anstrengung stand in keinem Verhältnis zu dem erreichten Resultat. Die leuchtenden Hoffnungen der Jugend mussten mit bitterer Ernüchterung bezahlt werden. Schmerz, Krankheit und Unglück lasteten schwer auf der Waagschale des Lebens. Was bedeutete es alles? (W. Somerset Maugham: Der Menschen Hörigkeit)


"Manchmal glaube ich, dein Lebenszweck ist es, merkwürdig zu sein, Harold." (John Irving: In einer Person)


Ich, dessen Weg sich seit der Geburt immer weiter vom Ziel entfernt hat... (Petra Morsbach: Dichterliebe)


...wenn dir also das Leben so richtig in den Hintern tritt, dass du aufs Gesicht fliegst und obendrauf gibt's noch Diabetes... (Sasa Stanisic: Vor dem Fest)


... beschloss ich kurz darauf, mir sogenannte professionelle Hilfe zu suchen. Aber wo? Die Stadt, insbesondere mein Viertel, war vollgepackt mit hochsensiblen Psychotherapeuten. Doch mich um einen von ihnen zu bemühen, schien mir so aufdringlich und hoffnungslos wie an einer der Fachwerkvillen in der Nachbarschaft zu klingeln, um ein Gästebett zu fordern. (...) - "Was ist mit Ihnen?", fragte sie irgendwann. "Na ja, ich fühle mich irgendwie so leer", sagte ich schließlich verzagt, fast abwiegelnd, "orientierungslos. Ich weiß nichts mit mir anzufangen." "Das Übliche also." Wie bitte? Keine zwei Minuten in professionellen Händen und schon die Gewissheit, dass es doch noch schlimmer ging. (Per Leo: Flut und Boden)


Diese vergebliche Sehnsucht der menschlichen Seele nach dem Andersartigen, wo doch in den menschlichen Beziehungen alles ewig gleich ist, unverändert und unveränderlich! (Edith Wharton: Ein altes Haus am Hudson River)


Wenn man allein ist, dann sind schon ein paar Wunder nötig, damit alles gut wird. (Navy CIS S09E14)


Was quälen sich nicht die Menschen mit dem beschämenden Gefühl, als des eigenen Glückes Schmied immer kurz vorm Totalversagen zu stehen! (Die ZEIT 13/14: Verdammte Zeitgenossen)


"Der Gedanke an diesen Funken Verständnis, der in einem anderen Geist brannte wie ein kleines Licht in einem abgelegenen Haus, machte ihre Welt weniger einsam." (Edith Wharton: Ein altes Haus am Hudson River)


"Heute wäre es ein Traum für mich, wenn ich in den Träumen von wem anders vorkomme. Daß es einen Menschen gibt auf der Welt, der manchmal die Augen zumacht und denkt: "Ach, Mensch, der Bernd!" (Stromberg)


Auf welch niedrigem Niveau konnte ein Tag bisweilen aus den Fugen geraten. (Hans Pleschinski: Königsallee)


Was kann man tun mit dieser Traurigkeit im Bauch, die jeden Tag mit einem spazierengeht. (Sibylle Berg: Wie halte ich das nur alles aus?)


Preising fand immer Gründe, nicht zu handeln. (Jonas Lüscher: Frühling der Barbaren)


Merkwürdig, wie wenig Möglichkeiten du hast, etwas zu machen, was nicht zum Ablauf deines Lebens gehört, ohne das, was zum Ablauf deines Lebens gehört, zum Entgleisen zu bringen. (Olga Martynova: Mörikes Schlüsselbein)


Das war merkwürdig in meinem Leben: Fühlte ich Glück, so genügte es, daran zu denken, dass es nicht von Dauer war - da endete es auch schon. (M. Agejew: Roman mit Kokain)


Ein unerträgliches Gemisch aus körperlicher Müdigkeit und inneren immerwährendem Verzehrtsein von irgend etwas, für das er keinen Namen wußte, hielt sie in ihrem Sessel gebannt. (Gustav Meyrink: Walpurgisnacht)


"Ich bin kein gläubiger Christ mehr... für mich gibt es keinen Himmel und keine Hölle... und wenn es eine gibt, so fürchte ich sie nicht, denn sie kann nicht ärger sein als jene Stunden, die ich von vormittags bis abends erlebte. (Stefan Zweig: Der Amokläufer. Erzählungen)


Stark sein zu müssen, machte die Sache nicht leichter. (Ursula Krechel)


Mit mir und Alkohol verhält es sich ungefähr so wie mit Katzen und Laserpointern.


Einmal fragte sie ihn, wie es geschehen war, dass er, bei seinem Geist und seinen Fähigkeiten, er, der zweifellos höher stand als alle, die sie kannte, in einen derart hoffnungslosen Zustand geraten konnte. (Gaito Gasdanow: Das Phantom des Alexander Wolf)


Ich lege mir jetzt oft mein Leben zurecht, wie es hätte geführt werden müssen, damit es auch mir wohl darin geworden wäre. (Wilhelm Raabe: Der Schüdderump)


Ich bin zu dumm, um die Welt zu verstehen, und ein Tag wirft mich dem andern wie einen Ball zu. (...) Alles, was mir das Frölen und der Ritter in der Jugend an Weltkenntnis und Verständnis und Feinheit beigebracht haben, geht unter und verloren in dem Tumult um mich her. Alles ist ganz anders, als ich es mir einbildete, und alle Augenblicke hüpfe ich mit dem Schienbein in beiden Fäusten wie wahnsinnig im Kreis herum, weil ich mich mit dem Knie an irgendeinem unbekannten Gegenstand gestoßen habe. (Wilhelm Raabe: Der Schüdderump)


Er forderte Gott auf, ohne Ausflüchte zu sagen, warum er ein Leben, das sinnlos genannt werden mußte, überhaupt zuließ, und warum er ihn, ja immer nur ihn, der wie kein anderer darum bemüht gewesen war, dem Himmel ähnlich zu sein, gehindert hatte, die kleinste Seligkeit einen kurzen Augenblick lang zu egreifen und bei sich zu behalten. (Hartmut Lange: Die Waldsteinsonate. Novellen, S. 75)


... Beginn meines eigenen Niedergangs, meiner im Laufe der Zeit immer krankhafter werdenden Verschließung in mich selber. (W. G. Sebald: Austerlitz, S. 169)


... so sehr bin ich am Abend heimgesucht worden von den grauenvollsten, manchmal Stunden um Stunden anhaltenden und immer weiter sich steigernden Angstzuständen. Es nutzte mir offenbar wenig, daß ich die Quellen meiner Verstörung entdeckt hatte, mich selber, über all die vergangenen Jahre hinweg, mit größter Deutlichkeit sehen konnte als das von seinem vertrauten Leben von einem Tag auf den anderen abgesonderte Kind: die Vernunft kam nicht an gegen das seit jeher von mir unterdrückte und jetzt gewaltsam aus mir hervorbrechende Gefühl des Verstoßen- und Ausgelöschtseins. Inmitten der einfachsten Verrichtungen, beim Schnüren der Schubänder, beim Abwaschen des Teegeschirrs oder beim Warten auf das Sieden des Wassers im Kessel, überfiel mich diese schreckliche Angst. In kürzester Frist trocknete die Zunge und der Gaumen mir aus, so als läge ich seit Tagen schon in der Wüste, mußte ich schneller und schneller um Atem ringen, begann mein Herz zu flattern und zu klopfen bis unter den Hals, brach mir der kalte Schweiß aus am ganzen Leib, sogar auf dem Rücken meiner zitternden Hand, und war alles, was ich anblickte, verschleiert von einer schwarzen Schraffur. (W. G. Sebald: Austerlitz, S. 326)


Irgendwann in der Vergangenheit, dachte ich, habe ich einen Fehler gemacht und bin jetzt in einem falschen Leben. (W. G. Sebald: Austerlitz, S. 302)


Es ist nicht wahr, sagte Marie, daß wir die Abwesenheit und die Einsamkeit brauchen. Es ist nicht wahr. Nur du bist es, der sich ängstigt, ich weiß nicht, vor was. Immer hast du dich ja ein wenig entfernt gehalten, ich habe es wohl gesehen, aber nun ist es, als stündest du vor einer Schwelle, über die du nicht zu treten wagst. (...) Heute, sagte Austerlitz, weiß ich, warum ich mich abwenden mußte, wenn mir jemand zu nahe kam, und daß ich in diesem Michabwenden mich gerettet wähnte und zugleich mir vorkam wie ein zum Fürchten häßlicher, unberührbarer Mensch. (W. G. Sebald: Austerlitz)


Irgendwie besaß Lowborough die Gabe der Mäßigung nicht. Geriet er ein wenig nach der einen Seite ins Stolpern, so mußte er erst ganz zu Boden, bevor er sich wieder erheben konnte. Schoß er in einer Nacht übers Ziel hinaus, machten ihn am nächsten Tag die Auswirkungen davon so elend, daß er die Übertretung wiederholen mußte, um den Schaden zu heilen- und so ging es weiter von Tag zu Tag. (Anne Brontë: Die Herrin von Wildfell Hall, S. 291)


Meine mich immerzu verwandelnde Hemmung... (Wilhelm Genazino: Mittelmäßiges Heimweh)


Das Deprimierende ist, daß ich nicht angeben kann, was sich ändern müßte, damit ich mich wohl fühle, ich kann immer nur denken, daß alles unzureichend ist und daß ich mich von allem, was es gibt, entfernen möchte, und zwar sofort und ohne Umkehr. Ich müßte jetzt zugeben und gebe es zu (für mich), daß ich ein gespensterartiges Wesen geworden bin, das für seinen Unglücksnebel im Kopf selbst verantwortlich ist. (Wilhelm Genazino: Mittelmäßiges Heimweh)


Meine gute Stimmung verfestigt sich zum Abend hin. (Wilhelm Genazino: Mittelmäßiges Heimweh)


Es beschleicht mich wieder das Gefühl einer kurz bevorstehenden Abtrennung von der Welt. (Wilhelm Genazino: Mittelmäßiges Heimweh)


Einmal im Leben möchte ich alle Mängel nacheinander aussprechen. (Wilhelm Genazino: Mittelmäßiges Heimweh)


... daß ich (...) zu den Menschen mit einem Seltsamkeitszeichen gehöre. (Wilhelm Genazino: Mittelmäßiges Heimweh)


Die Scham, der zu sein, der ich bin. (Hans-Ulrich Treichel: Anatolin)


Obwohl ich mir mit meinen dreiundvierzig Jahren dafür noch zu jung vorkomme, betrete ich jetzt schon das weite Feld der vorzeitigen Ermüdungen. (Wilhelm Genazino: Mittelmäßiges Heimweh)


Ich muß etwas tun, sonst werden sich bald die Motten auf mir niederlassen. (Wilhelm Genazino: Mittelmäßiges Heimweh)


Es folgte jener Mangel an Worten, der immer dann auftritt, wenn Menschen, die sich Freunde nennen, feststellen, daß sie in Wirklichkeit keine mehr sind, ohne schon auf die Ebene bloßer Bekanntschaft herabgesunken zu sein. (Thomas Hardy: Blaue Augen)


... daß Ihr Wissen in bestimmten Dingen einhergeht mit Ihrer Unwissenheit in bestimmten anderen Dingen. (Thomas Hardy: Blaue Augen)


Sie ist keine glückliche Seele, es ist viel Widerstreit in ihrem Kopf. (Knut Hamsun: Pan)


Ist es nicht kindisch, die Einförmigkeit äußerer Abläufe verantwortlich zu machen für die Blässe des Privatlebens? (Markus Werner: Die kalte Schulter, S. 67)


Manchmal wünsche ich mir einen Zusammenbruch, der mir vielleicht eine Pause von ein paar Wochen beschaffen könnte. Aber ich bin inzwischen so gefestigt, daß ich sehr lange am Rande meiner Kraft leben kann. (Christa Wolf: Ein Tag im Jahr. 1960-2000, S. 224)


"Warum soll das heute ausgerechnet gut ausgehen?" War bisher nicht immer alles schlecht ausgegangen? Warum sollte ausgerechnet ich einmal recht oder auch nur Glück haben? Ich war doch daran gewöhnt, daß immer alles schiefging in meinem Leben. Leben und Schieflage waren eine Einheit, etwas, das bei mir zusammengehörte, das sich zu meinem Ich fügte. (Arnold Stadler: Der Tod und ich, wie zwei, S. 188)


"Morgens fühle ich mich oft wie eine fluglahme Rohrdommel, die nur mit Mühe etwas krächzen kann. Dafür komme ich mir an sehr gelungenen Abenden wie eine unvergleichlich schöne Raubkatze vor. An den Tagen dazwischen fühle ich mich am ehesten wie irgendein Nutztier." (Jakob Hein: Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht, S. 38)


Wenn ich auch zuweylen schwermüthig werde, und, mit dem Strumpfband in der Hand, mich nach einem tauglichen Nagel umzusehen anfange, so besinne ich mich doch allemal so lange, bis wieder nichts daraus wird. (Christoph Martin Wieland)


Die muß mich kennen: "Der bewußt zelebrierte Ich-Zerfall." (Maike Albath: Der Seelenbegleiter)


Nachts heule ich und bin am Sterben - und des Morgens erhebe ich mich mutig und stark. Bis zur nächsten Nacht, zur nächsten Angst. Alleinsein ist nichts für mich. Plötzlich übermannt mich Sehnsucht, so eine Gier nach Liebe, Zuwendung, daß ich fürchte, dem Erstbesten zu erliegen, der mich zärtlich lockt. (Michail Schischkin: Venushaar)


Hat ein intelligenter Mensch die Chance, viel mehr zu sein als ein Wesen, das in großem Stil Mißverständnisse produziert? (Philip Roth: Gegenleben)


Manchmal, wenn ich mir meine Dummheiten, mein Mißgeschick und das ganze Durcheinander in meinem Innern vergegenwärtigte, überkam mich ein niederdrückender Unmut. Allein und ungestört wollte ich sein, aber alles stürzte sich jede Stunde, jede Minute förmlich zerreißend auf mich. (Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene)


Gestern noch ein Tropfen Schleim, morgen wirst du Asche sein. (Michail Schischkin: Venushaar)


Wir gehen einfach vor uns hin und hoffen, daß uns etwas widerfährt. Da das Glück nun mal nicht zu uns kommt, müssen wir ihm entgegengehen. Was bleibt Unglücklichen wie uns anderes übrig, als voranzugehen in der Hoffnung, daß uns etwas Neues passiert? Wir gehen, solange die Kräfte reichen, bis wir nicht mehr können, und dann wird man weitersehen, uns kann ja nichts Schlimmeres mehr passieren. Sind wir denn nicht das Mittelmäßige, das Kranke, das Schwache dieser Welt? (Emmanuel Bove: Schuld)


Bert ist nicht froh mit seinem Job, doch nach etwas anderem zu verlangen verbietet ihm sein Gefühl der Minderwertigkeit. (Sibylle Berg: Amerika)


"Wenn es Hermann Arbogast Brenner auch fernliegt, den geneigten Leser im Rahmen dieser Aufzeichnungen mit dem Schicksal Depressionsgeplagter zu verdüstern, o ja, diese Lektion habe ich begriffen, daß es eine Taktlosigkeit ist, von seinen gesammelten Leiden zu reden und die Unheilbar Gesunden im Ernst des Lebensgenusses zu behindern, so muß er doch auf eine Eigentümlichkeit im Existenzvollzug dieser Schwerinvaliden hinweisen, nämlich darauf, daß unsereins gezwungen ist, in drei, vier Monaten das zu vollbringen, wozu psychisch Stabile, von den Göttern Verwöhnte ein ganzes Jahr lang Zeit haben." (Gerrit Bartels: Runtergeraucht. Hermann Burgers unvollendet gebliebenes Romanwerk 'Brenner')


Du benutzt dein Hirn nicht, dein Herz nicht, du bist ein nörgelnder Zombie, ein quengelndes Kind. (Sibylle Berg: Amerika, S. 32)


So gut möchtes ich auch einmal haben: "Seit ihrer letzten Therapie vor anderthalb Jahren war sie trocken und durch eine differenziert auf sie abgestimmte Medikation so gut eingestellt, daß keiner ihrer kleineren oder größeren depressiven Schübe sie wieder ans Spirituosenregal im Supermarkt getrieben hatte." (Georg M. Oswald: Vom Geist der Gesetze, S. 98)


... in einem Leben, in dem die spektakuläreren Freuden eingeebnet sind... (John Updike: Die Tränen meines Vaters)


"Der Ärger mit dir", sagte Lucy, "ist, daß du dich vor dem fürchtest, was dir gefällt." (Ian McEwan: Zwischen den Laken. Erzählungen, S. 25)


Ich esse grundsätzlich zu viel. Es ist sozusagen der Versuch von Sinngebung im Sinnlosen. (Robert Menasse: Ich kann jeder sagen, S. 134)


Du hast dich im Nötigsten verkrochen, weil du Angst hast vor dem Möglichen. (Ralf Rothmann: Feuer brennt nicht, S. 263)


Mein Leben läßt sich in beschämend wenigen Worten vollständig beschreiben. (Robert Menasse: Ich kann jeder sagen))


Manchmal, wenn ich mir meine Dummheiten, mein Mißgeschick und das ganze Durcheinander in meinem Innern vergegenwärtigte, überkam mich ein niederdrückender Unmut. Allein und ungestört wollte ich sein, aber alles stürzte sich jede Stunde, jede Minute förmlich zerreißend auf mich. (Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene, S. 330)


Die Welt war voll von Leuten, die ihren Weg wußten, die einen hierhin, die andern dorthin. Wo, in diesem System aus Sorgen und Freuden, war mein Platz? Ich empfand mich als das reichste und zugleich nutzloseste der Wesen. Wie war es nur möglich, daß Menschen bereit waren, zum Beispiel stundenlang die leeren Säle des Luxembourg zu bewachen, oder im Senat vor sich hin zu dösen, oder in einem Ladenkontor Rechnungen zu schreiben? Was besagte diese Ordnung, die das Leben abtötete? Denn allein die Tatsache "Leben" ist bedrückend, und man gewöhnt sich daran wohl nur, indem man sich mit idiotischen Beschäftigungen überhäuft. Ich aber war von meinem bloßen Dasein erschöpft. (Julien Green: Der andere Schlaf, S. 79)


Ich tat nichts, es sei denn, man ließe das Erlernen des Glücklich-Seins als Tätigkeit gelten. (Heimito von Doderer: Die Dämonen)


Nicht alle, welche die Fallsucht haben, sind medizinisch Epileptiker; das gilt auch für jenen Herrn Diplom-Ingenieur Riedener aus Troppau. Mehr als das: nur das Fallen ist eigentlich normal: als wehte es die Menschen schräg durch's Gesichtsfeld wie die Blätter. Der Fall ist meistens sanft. Mancher vermeint, er brauche nur einen Zug an den imaginären Hebeln seines Willens zu tun, und der leise Fall würde angehalten. Aber es macht ihn keineswegs, diesen Zug. Warum soll er abends nicht an seinen Stammtisch gehen? Freilich, er kann längst nicht mehr einschlafen, ohne vorher zu trinken. Eines Tages mischt sich dann die Leber in's innere Gespräch. Es gibt indessen gleichwohl solche, die nicht fallen, die nie gefallen sind, die auch keine internen Gespräche führen. (...) Es gibt welche, die immer unten gesessen sind, auf dem festen Grunde, dem Felsgrunde. (Heimito von Doderer: Die Dämonen)


Ich hatte doch eine freundliche Jugend: und dann diese Finsternis! (Heimito von Doderer: Die Dämonen)


Ihm schien in diesem Augenblicken, als sei bis jetzt nur der kleinste Teil von dem, was er bisher erlebt hatte - sein Eigen geworden. (Heimito von Doderer: Die Dämonen)


Er leitet jedes Wässerchen auf seine Mühle, dachte ich, und sammelt Belege für das Unglück der Welt, besessen wie jeder Sammler. (Markus Werner: Am Hang)


Wenn wir ganz vertieft sind, vergessen wir unseren Körper möglicherweise total. Vielleicht denken wir noch nicht einmal mehr über das ödestes Thema überhaupt nach, nämlich uns selbst. Das ist das wahre Geheimnis des Glücks. (Eknath Easwaran: Nimm dir Zeit. Ruhe finden in einer hektischen Welt)


Sie sehen lauter Gesunde um sich und fühlen sich von ihrer vermeintlichen Intaktheit in Frage gestellt. (Hermann Burger: Schilten)


Werft nicht ein Leben weg, das man gar nicht wegwerfen kann, weil es nie eines war! Schluß mit dem Windschattendasein, hinaus an die frische Lebensluft! (Hermann Burger: Schilten)


!Gäbe Man mir nur ein Mal Die-Chance zu zeigen, !Was ich kann. !Ein Mal nur. (Reinhard Jirgl: Die Stille, S. 384)


Ich erzählte von allem was mir zuviel war, also erzählte ich von Allem. (Reinhard Jirgl: Die Stille)


Aber ich hielt meinen Leib nicht in Ehren, !was auch ?ehren an diesem dreckigen müdgebeugten, zerschundenen Fleisch-& suchte, wie viele meiner Kollegen den flüssigen Selbstmord-in-Raten, den-Suff... (Reinhard Jirgl: Die Stille)


Bedenke nur eines, Mama: Das Leben ist schonungslos und ist nach seiner inneren Anlage tragisch: Wir bedeuten nichts in dem großen Plan, und die Gesundheit kann uns jeden Augenblick durch die gleichen blinden, zugreifenden Finger zerquetscht werden, die vor uns Billionen Menschen in die Erde stampften, wo sie modern. (Thomas Wolfe)


Wie zerbrechlich wir sind, habe ich gedacht, wir führen alle so große Wörter im Mund und pochen tagtäglich und fortwährend auf unsere Härte und auf unseren Verstand und kippen von einem Augenblick auf den andern um und müssen ein Weinen in uns erdrücken. (Thomas Bernhard: Beton, S. 110)


Was würde ich tun, wenn ich an meiner Stelle wäre? (Antonio Lobo Antunes: Elefantengedächtnis, S. 198)


Sein Egoismus maß das Pulsieren der Welt anhand der Aufmerksamkeit, die er erhielt. (Antonio Lobo Antunes: Elefantengedächtnis, S. 112)


Er hatte aus seinem Leben eine Zwangsjacke gemacht, in der er sich nicht bewegen konnte, gefesselt von den Bändern der Enttäuschung über sich selbst und der Isolation, die ihn mit bitterer Traurigkeit ohne Morgen erfüllte. (Antonio Lobo Antunes: Elefantengedächtnis, S. 110)


Was mich an meinem Leben stutzig macht, ist die fortschreitende gegraphische Einengung. (Amelie Nothomb: Quecksilber, S. 23)


Ich habe immer nur getrunken, um die Bildkraft der Seele zu steigern; dem geschundenen Geist die irdenen Bremsklötze wegzunehmen; die Peripherie des Einheitskreises zu weiten. (Arno Schmidt: Schwarze Spiegel)


Folgender Satz erinnert mich an mich selbst, der sich sofort verkrampft, wenn ihm Ähnliches widerfährt: "Immer wenn mein Vater das Mitleid bekam, das er suchte, wurde er schroff und bizarr." (John Updike: Der Zentaur,S. 56)


'Es gibt Menschen', sprach er, 'denen die Natur oder ein besonders Verhängnis die Decke wegzog, unter der wir andern unser tolles Wesen unbemerkter treiben. Sie gleichen dünngehäuteten Insekten, die im regen, sichtbaren Muskelspiel mißgestaltet erscheinen, ungeachtet sich alles bald wieder in die gehörige Form fügt. (E.T.A Hoffmann: Die Serapionsbrüder, S. 54)


Das Mißverhältnis des innern Gemüts mit dem äußern Leben, welches der reizbare Mensch fühlt, treibt ihn wohl zu besonderen Grimassen, die die ruhigen Gesichter, über die der Schmerz so wenig Gewalt hat als die Lust, nicht begreifen können, sondern sich nur darüber ärgern. (E.T.A Hoffmann: Die Serapionsbrüder, S. 38)


Meine Faulheit, meine Leidenschaft und meine leeren Phantasien hatten mich in einen hypnotischen Gedächtnisschwund fallen lassen. Jetzt hörte ich die Stimme meiner Mutter sagen: 'Kein Feind kann einem Mann das antun, was er sich selbst antut.' (Isaac Bashevis Singer: Schoscha, S. 24)


... überkam mich eine große Trauer, wenn ich bedachte, wie brüchig das ist, was wir unter "das Leben im Griff haben" verstehen. (David Lodge: Wie bitte? S. 356)


Jeder Mensch hat mit sich zu tun. Was besitzt man, wenn man eine Frau besitzt? Nichts. Man kann keinen Menschen besitzen. Man besitzt nur sich selbst. Auch wenn ich liebe, überschreite ich diese Grenze nicht. Auch die Liebe ist mein Werk. Ich kann mir kein Leben borgen. Man lebt nicht weiter in seinen Kindern. Man lebt nur sich. Jeder muß allein fertig werden mit seinem Leben. Menschen, die Angst davor haben, allein zu sein, haben Angst vor sich selbst. Ihnen graust vor ihrer inneren Leere. Erleben kann man nur aktiv. Je größer der Erlebnisverschleiß, desto kleiner der Mensch. Jeder muß allein dieses ungeheuere Loch ausfüllen, das entstanden ist, als wir Gott begruben. Es war schwer, ihn zu töten. Aber die Kraft aufzubringen, sich an seine Stelle zu setzen, ist ungleich schwerer. Wer nicht stark genug ist, das Leck zu stopfen, dessen Kahn säuft ab. (Irmtraud Morgner: Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura, S. 115)


Trotzdem kann Isidor es nicht lassen, das ihn umgebende Leben ständig nach Wert und Würde abzufragen. Dahinter steht ein philosophisches Privatprogramm, das ungefähr so lautet: Wahrheit und Lüge, Ehrlichkeit und Heuchelei, Moral und Egoismus sind unlösbar miteinander verklumpt; wir reiben uns zwischen spirituellen Sehnsüchten und unspirituellen Tatsachen auf; und geklärt wird nichts, nicht mal im letzten Augenblick. Die Zeit geht über alles hinweg und löscht das Bewußtsein aus, bevor auch nur die Fragen richtig gestellt wurden. (Petra Morsbach: Gottesdiener, S. 38)


Wahrscheinlich sollte man dieses liebevolle, leidenschaftslose Gleichgewicht als das Glück betrachten. (Benoite Groult: Salz auf unserer Haut, S. 161)


Meine Eltern gehörten zu der Art von Eltern, die immer leise unzufrieden wirkten mit allem, was man so tat, als würde man sie in kleinen Dingen permanent enttäuschen. Ich glaube, deshalb ist meine Schwester auch weggezogen, in den Norden hoch., Andererseits konnte ich den Standpunkt meiner Eltern nachvollziehen. Ich war tatsächlich etwas enttäuschend. Ich war auch für mich etwas etwas enttäuschend. Ich hab ja bereits versucht zu erklären, daß ich bei Leuten, die ich mochte, nicht richtig locker sein konnte, daß ich sie nicht dazu bringen konnte, meine Vorzüge zu sehen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war mein Leben die meiste Zeit so. Ich habe andere Leute nicht dazu bringen können, daß sie sehen, was an mir ist. (Julian Barnes: Darüber reden, S. 53)


Ich weiß, daß mein Charakter eine dunkle Seite hat, einen mürrischen Grundton, mit Galle getränkt, der mein Gesichtsfeld eng und meine Zunge schwer und mißtönend werden läßt; es ist die äußere Erscheinungsform meiner Neigung zur Depression. (John Updike: Das Gottesprogramm. Rogers Version, S. 16)


Vor ihrer Abreise würde sie den Kühlschrank mit reichlich Fleisch, Käse und Eiern auffüllen. Es war die einzige Möglichkeit, sicherzugehen, daß Jorge in ihrer Abwesenheit nicht nur von Resten lebte. Sie mußte ihn zwingen, nicht immer das gleiche zu essen, genauso wie sie ihn zwingen mußte, sich den Menschen um ihn herum nicht völlig zu verschließen. Jorge reagierte immer nur auf Zwang. Es machte sie traurig, daß sie so berechnend sein mußte, um auf Jorges Leben Einfluß zu nehmen, das sonst auf seiner einsamen Bahn um immer diesselben Fixpunkte gekreist wäre. Sie kannte Jorge als einen Mann, der keine Vorstellung davon hatte, was ihm fehlte. (John von Düffel: Houwelandt, S. 50)


... dabei das deutliche Gefühl auf seiten Richards, daß ihm, gleichgültig, was er macht, die Gabe, von sich zu überzeugen, abhanden gekommen ist, daß er nicht mehr zu den Menschen gehört, bei denen sich das Blatt schlagartig zum Guten wendet. (Arno Geiger: Es geht uns gut, S. 223)


Einen Moment lang sieht Richard das Gerüst der Welt wie bei einem mageren Menschen die Knochen. Er spürt, wie sinnlos, wie unmöglich alles ist und daß er irgendwann sterben wird. Ein Gedanke wie ein Spreißel im Kopf. (Arno Geiger: Es geht uns gut, S. 84)


Deine Klugheit ist dein bevorzugtes Mittel, dich vor dem zu drücken, wofür du deine Klugheit eigentlich verwenden solltest. Du läßt dich mit Vorliebe auf Dinge ein, die harmlos sind und ungefährlich - auf all das, was sich nicht lohnt. Auf all das, was außerhalb deiner Selbst liegt. Du bist ein Feigling. Feiger als ein Stallhase. Und weiter: Alles, was du machst, ist ein Versuch, Kontrolle zu bewahren. Deine Passivität ist eine strategische Passivität, die dich vor der Gefahr bewahren soll, dich Dingen auszusetzen, die nicht angenehm sind. Dein Vater hat sich die Aufgabe zum Beruf gemacht, die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen zu minimieren, und du versuchst dasselbe in deinem Privatleben. Du glaubst, du kannst den Katastrophen ausweichen oder wenigstens deine Probleme vereinfachen, indem du dich sowenig wie möglich bewegst. Deine Strategie ist es, drei Meter neben der Straße zu stehen, um den Preis, daß das Leben an dir vorbeigeht. Es ist alle nur, damit die Katastrophe ausbleibt. (Arno Geiger: Es geht uns gut, S. 187)


Man wünscht sich ein glückliches Leben, und es ist doch das unglückliches Leben, das einen anzieht. (Norbert Gstrein: Selbstportrait mit einer Toten, S. 8)


Welch ein unglückliches, elendes Geschöpf ist doch der Mensch, der mit seinem Bedürfnis nach positiven Lösungen in diesen ewig wogenden, uferlosen Ozean von Gut und Böse, von Tatsachen, Erwägungen und Widersprüchen hineingeworfen ist! Die Menschen mühen sich seit Jahrhunderten ab, um Gut und Böse voneinander zu scheiden. Die Jahrhunderte kommen und gehen, und was auch ein vorurteilsloser Geist auf die Waage von Gut und Böse werfen mag - die Waagschalen schwanken nie, und auf jeder Seite bleibt ebensoviel Gutes wie Böses. Wenn der Mensch nur endlich gelernt hätte, nicht so scharf und entscheidend zu urteilen und zu denken und nicht immer Antworten auf Fragen zu geben, die ihm nur darum gegeben sind, damit sie ewig Fragen bleiben! Wollte er doch begreifen, daß jeder Gedanke zugleich falsch und richtig ist! Er ist falsch, weil der Mensch einseitig ist und unmöglich die ganze Wahrheit in ihrer Gesamtheit erfassen kann; er ist richtig, weil durch ihn immer eine Seite des menschlichen Strebens ausgedrückt wird. Die Menschen haben sich in diesem ewig wogenden, uferlosen, unendlich durcheinandergemischten Chaos von Gut und Böse verschiedene Abteilungen geschaffen, haben in diesem Meer imaginäre Grenzlinien gezogen, und sie erwarten, daß das Meer sich nach diesen Linien teile. (Lew Tolstoj: Sämtliche Erzählungen, Bd 2., S. 115)


... die Gefahr des Existierens, diese entsetzliche Anstrengung. (Gert Hofmann: Die Fistelstimme, S. 89)


Es war äußerst bemerkenswert, mit welcher Disziplin sie das Bild einer Frau aufrechterhielt, die allein am glücklichsten war. (...) Sie fand keine Lücke in der Lebenslüge ihrer Unabhängigkeit. (...) Mit der Zeit wurde sie ungeduldig und hätte Beate am liebsten die Maske der Genügsamkeit vom Gesicht gerissen, bis sie auf einmal begriff, daß es ebendiese Ausgeglichenheit und Glätte war, der sie mißtraute. Das Leben war nicht so. (...) (...) Im Gegensatz zu Beates konstanter Gemütsverfassung unterlag sie erheblichen Stimmungschwankungen, die sie nur mit Mühe in den Griff bekam und vermutlich noch schlechter verbergen konnte, als sie glaubte. (John von Düffel: Houwelandt, S. 236)


... wenn mich die Schwermut in Dunkelhaft nimmt. (Markus Werner: Der ägyptische Heinrich, S. 190)


Warum? Warum geschieht so viel? Wozu drängt sich uns, selbst wo wir uns ganz still verhalten, immer ein Geschehen auf, so frech? (Helmut Krausser: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini, S. 189)


Ein Wunsch, den ich beim Lesen dieses Satzes, als meinen eigenen erkannte: “In mein eigenes Leben zurückzukehren…” (Walter Kappacher: Der Fliegenpalast, S. 122)


Der Dichter, nach den ersten Begrüßungsworten, hatte wie gewöhnlich nur von sich geredet, und zwar in den Tönen tiefster Selbstverachtung. Er war endlich darauf gekommen, daß er eigentlich kein Talent besäße, sondern nur Verstand, den allerdings in enormem Maße. Was er aber an sich am heftigsten verdammte, das waren die Disharmonien seines Wesens, unter denen, wie er wohl wußte, nicht nur er zu leiden hatte, sondern alle, die in seine Nähe gerieten. Er war herzlos und sentimental, leichtfertig und schwerblütig, empfindlich und rücksichtslos, unverträglich und doch auf Menschen angewiesen... zuzeiten wenigstens. Ein Subjekt mit solchen Eigenschaften konnte nun seine Daseinsberechtigung nur durch eine ungeheure Leistung erweisen, und wenn das Meisterwerk, zu dem er verpflichtet war, nicht bald, sehr bald in die Erscheinung träte, so war er als anständiger Mensch verpflichtet sich totzuschießen. (Arthur Schnitzler: Der Weg ins Freie)


Du hast mich buchstäblich zerstört. Ich bin bis auf die Grundmauern abgebrannt. (Rebecca West an H.G. Wells)


... ein schwieriger Mensch war - mit den Höhenflügen und Bruchlandungen einer gefühlvollen Natur. (John Cheever: Die Geschichte der Wapshots, S. 334)


Sein Wirklichkeitssinn schien ins Wanken zu geraten, seine Zuversicht schien beschädigt oder zerstört zu sein. Mit manchen Schicksalsschlägen geht eine Beschränkung einher, eine räumliche Absonderung wie im Leben eines Schrankenwärters, eine Phase, in der man sein Leben mit einem Minimum an Energie und Wahrnehmungsvermögen lebt oder erträgt und fast alles auf der Welt so rasch an einem vorbeizieht wie die Fahrgäste in einem Schnellzug. Ein solchews Leben hat auch seine Vorteile - Patiencen und Sternschnuppenwünsche -, aber es ist ein Leben ohne Freundschaft, Gemeinschaft, Liebe oder auch nur die begründete Hoffnung auf einen Ausweg. (John Cheever: Die Geschichte der Wapshots, S. 307)


Sie fragte sich, warum sich ein Mensch in der Welt, in der er leben soll, so elend und erschöpft fühlen müsse. (John Cheever: Die Geschichte der Wapshots, S. 60)


Alles in allem: ich klage nicht. Wenn ich mir auch keinen Begriff davon gemacht habe, die meiste Zeit war ich: glücklich. Abgesehen von den Rissen - ich weiß nicht, kann man sagen: in der Zeit? -, wenn es plötzlich unerträglich wurde, weder Leben noch Tod, sondern etwas Drittes, wofür der Mensch nicht gemacht ist, wenn die Flutwelle des Ekels, der Furcht sich über einen ergießt und einen fortreißt, noch nicht einmal in den Schmerz, noch nicht einmal das, sondern ins Nichts, Nichts, Nichts, bis es irgendwann, wie Wasser, langsamer wird und mit einem idyllischen Plätschern vergeht, und ich, Treibgut, auf dem Ufer übrig bleibe. (Terezia Mora: Alle Tage, S. 404)


... daß du außerhalb deines üblichen Alltagsradiusses vollkommen verloren bist. (Terezia Mora: Alle Tage, S. 280)


Fremd über jede Vorstellung! Fremdheit, das Erzgefühl meines Lebens, auf ihren Grund nun konnte ich tauchen! (Franz Werfel: Die tanzenden Derwische. Erzählungen, S. 98)


All seine geistigen Anstrengungen waren vom Scheitern bedroht. Es war, als baute er, watend im Schlamm, suchend nach festem Grund, Luftschlösser auf. Ach, könnte Reue die Zeit zurückdrehen! (Nagib Machfus: Zuckergäßchen)


Ein freiwilliges, vollkommen bewußtes, durch niemand und nichts erzwungenes Opfer seiner selbst zugunsten aller - ist meiner Ansicht nach das Anzeichen der höchsten Entwicklung der Persönlichkeit, ihrer höchsten Macht, ihrer größten Selbstbeherrschung, ist das Anzeichen der größten Freiheit des persönlichen Willens. (Fedor M. Dostoevskij: Winteraufzeichnungen über Sommereindrücke)


Die Situation wird immer weniger steuerbar. Mein Leben, für das ich nie einen Plan entwickelt hatte, völlig entbeint zu sehen hat etwas sehr Jämmerliches. All die Dekoration, die wir um unsere Grundbedürfnisse errichten, das Sich-Gepflegt- Ankleiden, der Sport... (Sibylle Berg: Der Mann schläft, S. 265)


Ich schlich durch mein Leben, dem es auffallend an Harmonie gebrach, und füllte meine Tage, wie mir schien, mit Unsinnigkeiten. Es war neu, daß ich die kleine Melancholie, die oft bei mir zu Besuch war, einem klaren Ursprung zuordnen konnte. Der bedauernswerte Zufall, der Menschen geschaffen hat, ohne sie mit einer klaren Aufgabe auszustatten, war ohne jemanden, den man gerne berühren wollte, schwer zu ertragen. (Sibylle Berg: Der Mann schläft, S. 102)


... daß sie nicht mehr waren als eine Zellanhäufung, die aus Versehen ein Mensch geworden war, der nicht damit zurechtkam, daß er denken konnte und fühlen. Es ist alles Zufall. Nichts hat man sich verdient, gutes Benehmen garantiert kein langes Leben, es gibt weder Gerechtigkeit noch Vernunft, es gibt keine göttliche Weltordnung oder was auch immer wir herbeisehnen, um uns nicht ausgeliefert zu fühlen. Es kann alles vorbei sein in der nächsten Sekunde, oder noch schlimmer: Es kann alles genauso weitergehen. (Sibylle Berg: Der Mann schläft, S. 80)


Manchmal ist der Gedanke erschreckend, welch ein Kampf das Leben ist, wenn man es ernst nimmt. (John Fowles: Der Sammler, S. 220)


Gibt es einen größeren Witz als den Menschen? Emotionale Krüppel in abstoßenden Hüllen, der Welt, dem Rudel, dem Wetter, den Gewalten hilflos ausgeliefert, torkeln wir durch ein Dasein, das an Lächerlichkeit nicht zu überbieten ist. All unsere ernsthaften Versuche, die Welt zu verstehen, charakterlich integre Personen zu werden, Besitz anzuhäufen, die Umwelt zu retten, Doktortitel zu erwerben, enden mit verschissenen Winden im Altersheim. (Sibylle Berg: Der Mann schläft, S. 63)


Wer Anlagen dazu hat und seine Sensibilität wie einen Seismographen den Erschütterungen des Lebens aussetzt, erfährt früher oder später jenes Gefühl von Ermüdung, das es ihm immer schwerer macht, seinem Dasein lebenswerte Aspekte abzugewinnen. Man hat alle Horizonte, die die Hoffnung uns vorgaukelt, umschritten und merkt nun, daß man im Kreis geht und daß diese Kreise, da man der Hoffnung nicht mehr vertrauen kann, immer enger werden, und zuletzt kann es vorkommen, daß jedes Interesse am Leben, da es in seinem Wiederholungen schal geworden ist, erlischt. (Hartmut Lange: Die Ermüdung, S. 97)


Ich war zu jung, um zu begreifen, daß es den meisten von uns niemals wirklich gelingt, die Schranken niederzureißen, die uns vom Rest der Menschheit trennen. Sicher, es gibt vielfältige Begegnungen, und ständig werden Worte und Gedanken ausgetauscht, doch wer auch nur ein klein wenig nachdenklich und empfindsam ist, muß feststellen, wie unvollkommen die Kommunikation zwischen den Menschen ist. So viel bleibt unausgesprochen, so wenig wird gesagt. Wenn wir bereit sind zu sprechen und etwas von unserem Inneleben preiszugeben, wer ist in der Stimmung, uns zuzuhören? (Julien Green: Erinnerungen an glückliche Tage, S. 250)


An seine Internatsjahre habe er zwar ungute Erinnerungen, redete er unablässig weiter, während ich immer noch in der Karte blätterte, aber seit langem fürchte er, bloß eine fremdbestimmte Ordnung könne ihn noch retten, gleichgültig, auf welche Regeln sie baue und welches Credo er dabei nachbeten müsse. (Karl-Heinz Ott: Endlich Stille, S. 16)


Die Intensität, mit der er sich in diesem Augenblick der Zwecklosigkeit des Lebens, der Eitelkeit allen Bemühens bewußt wurde, rief in ihm sogar eine lustvolle Exaltation hervor. Warum wollen? Was hoffen? Kein Menschendasein ist ernst zu nehmen. Nichts, absolut nichts ist der Mühe wert - sobald man den Tod begreift! Diesmal fühlte er sich im Innersten berührt. Kein Ehrgeiz mehr, keine Herrschsucht, kein Verlangen, irgend etwas zu verwirklichen. Er konnte sich nicht denken, daß er jemals von dieser Angst genesen, je wieder Ruhe finden würde, er hatte nicht einmal mehr die Bereitschaft in sich, zu glauben, daß, wenn das Leben auch kurz ist, der Mensch gleichwohl manchmal Zeit findet, ein wenig von sich vor der Vernichtung zu schützen, daß ihm zuweilen gewährt wird, etwas von seinem Traum über die Flut zu erheben, die ihn hinwegreißt, damit etwas von ihm noch in der Höhe schwebt, wenn er selber hinabgestürzt ist. Mit raschen, kurzen Schritten ging er vor sich hin, in der starren Haltung eines Menschen, der flieht und etwas Zerbrechliches an seine Brust gedrückt trägt. Ach, allem entrinnen können! Nicht nur der Gesellschaft und ihre Bindungen, nicht nur der Familie, der Freundschaft und der Liebe, nicht nur sich selbst, der Tyrannei des Atavismus und der Gewohnheit, sondern auch seinem geheimsten Wesen, dem absurden Lebensinstinkt, der noch der Existenz des elendsten menschlichen Wracks anhaftet. Von neuem suchte ihn in ihrer abstraktesten Form die so logische Idee des Selbstmordes heim, des freiwilligen und völligen Verschwinden. (Roger Martin DuGard: Die Thibaults, S. 634)


... entwickle ich mich mehr und mehr zu einem Einzelgänger, der zwar nicht zufrieden zu Hause sitzt, dem es aber noch anstrengender erscheint, Einladungen nachzukommen oder Bekannte anzurufen. (Karl-Heinz Ott: Endlich Stille, S. 84)


Ein Mensch von meiner Art, der im Grunde an den Wert des Menschenlebens nicht glauben kann, dem aber auch die gewohnten Auswege der Naiven, in den Selbstmord und in den Wahnsinn, verbaut und unmöglich sind, der also eigens von der Natur dazu erfunden zu sein scheint, sich und den anderen an seinem Beispiel die Unsinnigkeit und Aussichtsloigkeit dessen zu erweisen, was die Natur unternahm, als sie sich auf das Experiment "Mensch" einließ, ein solcher Mensch hat natürlich ein etwas schwieriges Leben und fühlt daher von Zeit zu Zeit das Bedürfnis, ein andres Register zu ziehen und dies oder jenes an seinem Leben zu verändern, damit es vielleicht etwas erträglicher und hübscher werde. (Hermann Hesse: Sämtliche Werke, Bd. 13: Betrachtungen und Berichte. 1899-1926, S. 28)


Der Grund aller Weisheit ist: Glück kommt nur durch Liebe. Sage ich nun "Liebe deinen Nächsten!" so ist das schon eine verfälschte Lehre. Es wäre vielleicht viel richtiger zu sagen: "Liebe dich selbst so wie deinen Nächsten!" Und es war vielleicht der Urfehler, daß man immer beim Nächsten anfangen wollte... Jedenfalls: das Innerste in uns begehrt Glück, begehrt einen wohltuenden Zusammenklang mit dem, was außer uns ist. Dieser Klang wird gestört, sobald unser Verhältnis zu irgendeinem Ding ein andres ist als Liebe. Es gibt keine Pflicht des Liebens, es gibt nur eine Pflicht des Glücklichseins. Dazu allein sind wir auf der Welt. Und mit aller Pflicht und aller Moral und allen Geboten macht man einander selten glücklich, weil man sich selbst damit nicht glücklich macht. Wenn der Mensch "gut" sein kann, so kann er es nur, wenn er glücklich ist, wenn er Harmonie in sich hat. Also wenn er liebt. (Hermann Hesse: Sämtliche Werke, Bd. 13: Betrachtungen und Berichte. 1899-1926, S. 386)


Wenn man zusieht, wie zwei moderne Durschnittsmenschen, die sich eben erst durch Zufall kennenlernen und eigentlich gar nichts Materielles voneinander begehren - wie diese zwei sich gegeneinander benehmen, dann fühlt man es beinahe sinnlich, wie dicht jeder Mensch von einer zwingenden Atmossphäre, von einer Schutzkruste und Abwehrschicht umgeben ist, von einem Netz, gewoben aus lauter Ablenkungen von Seelischen, aus Absichten, Ängsten und Wünschen, die alle auf unwesentliche Ziele gerichtet sind, die ihn von allen anderen trennen. Es ist, als dürfe die Seele nur ja nicht zu Wort kommen, als sei es notwendig, sie ganz mit hohen Zäunen zu umgeben, mit Zäunen der Angst und der Scham. Nur die wunschlose Liebe vermag dies Netz zu durchbrechen. Und überall, wo es durchbrochen wird, blickt Seele uns an. (Hermann Hesse: Sämtliche Werke, Bd. 13: Betrachtungen und Berichte. 1899-1926, S. 372)


Jetzt versteht er plötzlich seine immerwährende Müdigkeit. Ein Vergleich fällt ihm ein: Eine Maschine, die auf höchste Touren gebracht und zugleich gebremst wird. Der Verschleiß muß erheblich sein, sogar berechenbar. Es ist, sagt er, höchst merkwürdig, wie man einer Denkart, die man für verkehrt erkannt, doch immer wieder unterliegt und die Gewalt nicht aufbringt, den Karren aus der gewohnten Bahn zu reißen, Manchmal komme eine äußere Erschütterung dem festgefahrenden Kopf zu Hilfe. (Christa Wolf: Kein Ort. Nirgends, S. 112)


Manchmal verstand ich nicht, warum das Vernünftige, das jedem einleuchten mußte, so schwer durchzusetzen war. (Christa Wolf: Die Dimension des Autors, S. 11)


Kleist, stark erregt durch das Gespräch - wie schnell sein Gleichmut zusammenbricht! -, sagt dem Hofrat; indem er sich mit beiden Fäusten gegen den Schädel hämmert: Ja, ja, ja! Mag sein, daß der Fehler hier drinnen steckt. Daß die Natur grausam genug war, mein Gehirn falsch anzulegen, so daß auf jedem Weg, den mein Geist einschlägt, der Aberwitz ihm entgegengrinst. Wedekind, wenn Sie ein Arzt wären: Öffnen Sie diesen Schädel! Sehn Sie nach, wo der Fehler sitzt. Nehmen Sie Ihr Skalpell und schneiden Sie, ohne zu zittern, die verkehrte Stelle heraus. Es mag ja wahr sein, was ich in den Gesichtern meiner Familie lese: daß ich ein verunglücktes Genie, eine Art Monstrum bin. Doktor, ich flehe Sie an: Operieren Sie das Unglück aus mir heraus. Sie werden keinen dankbareren Geheilten haben als mich. (Christa Wolf: Kein Ort. Nirgends, S. 102/03)


... stellte mit Verblüffung fest, daß Menschen nicht zusammenarbeiten können, ohne einander zu hassen. (Daniel Kehlmann: Ruhm, S. 161)


Man läßt mich jetzt, duldet meine Entfernung, als Grille, verlangt nichts weiter, als daß ich mich grillenhaft zeige, von Zeit zu Zeit. Doch zu Verstellung und Entgegenkommen fehlt mir ein für allemal die Lust. Ich fühle zu nichts Neigung, was die Welt behauptet. Ihre Forderungen, ihre Gesetze und Zwecke kommen mir allesamt so verkehrt vor. (Christa Wolf: Kein Ort. Nirgends, S. 8)


Wenn man einsam ist, hilft es, ein wenig verrückt zu sein, solange man es nicht übertreibt. (Sam Savage: Firmin. Ein Rattenleben, S. 159)


Warum bin ich eigentlich nicht ein bißchen dankbar? Ich habe keinen Krieg miterleben müssen, ich habe nie gehungert, ich habe nie Gewalt kennengelernt, ich habe einen von mir geschätzten Beruf, ich liebe zwei Frauen, von denen die eine jetzt in eindeutiger Weise um mich herumschwirrt, aber warum leide ich fast immer an inneren idiosynkratischen Hysterien, das heißt, warum brauche ich gar keine wirkliche Not, um mich fast immer in Not zu befinden? Mir fehlt eigentlich nur... ja, was eigentlich? (Wilhelm Genazino: Die Liebesblödigkeit, S. 127)


Schlag dir alles Grübeln aus dem Kopf, vertreibe alle Leidenschaft aus deiner Seele, und lebe statt dessen mit ganzem Bewußtsein dem Augenblick. Bedeutet er nicht das ganze Leben, die, die Ewigkeit? (Nagib Machfus: Palast der Sehnsucht)


Eine fatalistische Einstellung paßte wunderbar zu meiner trägen Natur, meiner Neigung, mich in der Welt zu ducken, immer und überall den Schwanz einzuziehen... Ich ließ die Ereignisse auf mich zukommen und über mich hinwegspülen. Sie schliffen mich schön glatt und rund, ich rollte einfach ein wenig mit... Erst wenn mir infolge düsterer Gründe das Unglück unwiderruflich widerfahren was, begann ich, wie ein Schwarfrichter Sündenböcke zu bestimmen. Elig, auf gut Glück. (A.F.Th. van der Heijden: Die Schlacht um die Blaubrücke, S. 130)


Es heißt, der Überdruß sei eine Krankheit der Trägen. Diese Plage der Seele aber ist subtiler: Sie sucht all jene heim, die dafür anfällig sind, verschont weniger die Arbeitsamen als die wirklich Untätigen. Nichts ist schlimmer als der Gegensatz zwischen dem natürlichen Glanz des inneren Lebens und dem Schmutz der Alltäglichkeit des Lebens. Der Überdruß wiegt schwerer, wenn es keine Entschuldigung für die Trägheit gibt. Überdruß ist nicht etwa der krankhafte Ärger über mangelndes Tun, sondern das sehr viel krankhaftere Gefühl, dass es sich nicht lohnt, auch nur irgend etwas zu tun. (Ferdinand Pessoa: Das Buch der Unruhe, No. 445)


Die Berührung der Seele mit dem Leben verursacht mehr und mehr Schmerz. (Ferdinand Pessoa)


Für die Gesellschaft tauge ich nicht. Es gibt Ideen, hohe Ideen, von denen ich nicht zu reden anfangen darf. Ich besitze kein schickliches Benehmen, und meine Gefühle sind maßlos; meine Worte entsprechen meinen Gedanken nicht, sondern kommen anders heraus; darin aber liegt eine Herabwürdigung dieser Gedanken. (Fedor M. Dostoevskij: Der Idiot, S. 529)


Es durfte ihm in Zukunft nicht mehr passieren, daß ihm einfach alles so passierte. (Wilhelm Genazino: Die Vernichtung der Sorgen)


Die Hauptsache ist immer, daß man das herausfindet, was wirklich der eigenen Natur entspricht, und daß man nicht das Glück anderer Leute einfach nachahmen will. (Eugène Fromentin: Dominique, S. 231)


Was ich bezwecke - begreifst du das nicht? - ist, dich aus deinem Bau hervorzulocken, du Ritter von der traurigen Gestalt, du Märtyrer des gebrochenen Herzens. Du bildest dir ein, daß die Erde Trauer trägt, alle Schönheit sich schwarz verschleiert hat, alle Menschen in Tränen zerfließen und Hoffnung, Freude, glückliche Erfüllung von Wünschen abgeschafft sind - bloß weil dir das Schicksal zeitweilig einmal härter zusetzt. Schau dich doch ein wenig um und halte dich zu den vielen Leuten, die glücklich sind oder es zu sein glauben. (Eugène Fromentin: Dominique, S. 149)


Ich möchte Ihnen ein Heilmittel empfehlen, das für jedes Übel in Betracht kommt, auch für Leiden der Selbstbeobachtung, die ich aus eigener Erfahrung zu wenig kenne. Ich meine einfach eine Art von geistiger Hygiene: gute, richtige Gedanken, vernünftige Anschauungen, Zuneigungen, die nicht den Boden der Wirklichkeit verlassen - mit einem Wort: die weise Ausnützung aller Kräfte und Tatmöglichkeiten unseres Lebens. Das Leben - glauben Sie mir! - das Leben ist die große Antithese und das große Heilmittel für alle Leiden, die einem Irrtum entspringen. Tun Sie nur erst einmal einen Schritt ins Leben - wohlverstanden ins wirkliche Leben; erkennen Sie es in seinen Gesetzen, Notwendigkeiten, Härten, mit all seinen Pflichten und Fesseln, Plagen und Mühen, seinen wahren Schmerzen und seinen Freuden - dann werden Sie alsbald auch sehen, wie wohltuend gesund es ist, wie schön und stark und fruchtbar gerade in seiner Gebundenheit an feste Regeln und Ordnungen; und an dem Tag, an dem Ihnen das aufgegangen ist, werden Sie wissen, daß alles übrige Künstelei ist, daß sich keine Dichtung ersinnen läßt, die größer ist als das wirkliche Leben, daß seine Höhe von keiner Begeisterung überflogen werden können, daß seine Grenzen weit genug sind für jede Phantasie, daß es die gierigsten Herzen zu sättigen und die anspruchsvollsten zu entzücken vermag. (Eugène Fromentin: Dominique, S. 126)


"Das Schrecklichste, was einem Mann passieren kann, ist, daß er in seinen Augen lächerlich wird im Hinblick auf etwas grundlegend Wichtiges - daß er zum Beispiel entdecken muß, daß die Summe und die Substanz seines Lebens Blödsinn ist." (David Lodge: Therapie, S. 158)


Ich habe auch ständig das Gefühl, daß früher alles besser war, daß ich irgendwann mal glücklich gewesen sein muß, sonst wüßte ich ja jetzt nicht, daß ich unglücklich bin. Irgendwann und irgendwie ist mir das Glücklichsein abhanden gekommen. (David Lodge: Therapie, S. 130)


Der ungeheure Witz, daß ich auf der Welt bin, wird doch eine Pointe haben. Also warte ich. (Christoph Hein: Der fremde Freund, S. 23)


Manchmal glaubte sie, es läge in ihrem Wesen ein Mangel, der sie hinderte, Glück oder Freude ebenso stark zu empfinden wie Schmerz. Aber war es nicht ein Mangel, den sie mit fast allen Menschen, die sie kannte, teilte, ein Mangel also in der menschlichen Natur oder in der Art zu leben, wie sie üblich war. Oder was hatte es mit dem Glück auf sich, daß es als Existenzbeweis nicht taugte. Einmal, wußte sie, hatte das Glück von ihr Besitz ergriffen wie später die Trauer, einmal nur. Und selbst für dieses eine Mal war sie nicht sicher, ob nicht in der Erinnerung das Maß für einmaliges Glück von dem anschließenden Schmerz bestimmt wurde, der dem Glücklichsein gefolgt war wie eine überdimensionale Nachgeburt dem Kind. Seitdem blieb jedes Glücksgefühl verbunden mit dem Wissen um seine Endlichkeit, schlimmer: mit dem panischen Warten auf sein Ende. Die Trauer blieb, der Verlust war nicht umkehrbar, das Leid gehörte ihr, unteilbar und abhängig. (Monika Maron: Das Mißverständnis. Vier Erzählungen und ein Stück, S. 36f.)


"Meiner Ansicht nach müßten Sie mit Ihrer Einsamkeit brechen. Sie ist eine schlechte Ratgeberin. Sie brauchten jemand, damit Sie sich nicht in Ihrem eigenen Denken verirren. Selbst richtige Gedanken können uns zerstören, wenn wir nur eine Mauer vor uns haben. Ganz allein recht zu haben ist Wahnsinn. Wie Kierkegaard sagte, die Tür des Glücks geht nicht nach innen auf. Sie brauchen etwas, das Sie wieder mit der wirklichen Welt verbindet." (Henri-Frederic Blanc: Im Reich des Schlafes, S. 147)


Die Welt ist nicht aus meinem Hintern gekrochen! Die Leute wollen schlafen, ich produziere Schlafmittel. Wenn sie sich Federn zwischen die Hinterbacken stecken wollten, würde ich Strauße züchten. Sie sind ein Träumer, Doktor Cavalcanti, Sie verstehen nichts von Menschen. Die wollen weder Himbeeren pflücken, noch Nachtigallen hören, sie wollen vor dem Fernseher verblöden, an stinkenden Stränden braten, mit ihren Autos herumgurken und hübsche kleine Pillen schlucken. Warum? Weil sie von Natur aus bescheuert sind. Über ein Glühwürmchen staunen sie mehr als über einen Stern. Die Menschen sind Kinder, die man spielen lassen muß. Sie lieben alles, was glänzt, was neu ist, was zu nichts nutze ist. Schenken Sie ihnen die Maximen von Konfuzius, wischen sie sich damit den Hintern ab. Geben Sie ihnen irgendeinen bunten Scheißdreck, setzen sie ihn unter Glas. (Henri-Frederic Blanc: Im Reich des Schlafes, S. 86)


Seine Illusionen behutsam zu verlieren, ohne der Verzweiflung anheimzufallen, das ist die Hauptaufgabe im Leben. (Henri-Frederic Blanc: Im Reich des Schlafes, S. 93)


Seine einzigen Freuden im Leben hatte er, wenn er das Leben vergaß. Wenn er voll war wie eine Strandhaubitze oder schlief wie ein Klotz. Er fühlte sich allem gegenüber fremd wie ein Außerirdischer. Dabei hatte er reichlich Liebe zu geben, aber diese Liebe schleuderte man ihm wieder ins Gesicht. Tatsächlich liebte er zu sehr, deshalb wurde er ungesellig und einsam. Er mußte sich vorsehen. (Henri-Frederic Blanc: Im Reich des Schlafes, S. 43)


Er begann an seine Einsamkeit zu denken. Seine angeblich geliebte, selbst gewählte Einsamkeit, die sich, langsam, aber sicher, im Laufe der Jahre bei ihm eingenistet hatte. Die Freunde hatten sich zurückgezogen, sich in ihren trüben, nur durch das Fernsehen erleuchteten kleinen Existenzen eingerichtet. Stolz auf ihre Kinder und ihre Autors, befriedigt von einem Leben mit dem einzigen Credo bald ist Wochenende, bald ist Urlaub, bald kommt der Ruhestand, träumten sie davon, sich inmitten einer Welt, mit der es bergab ging, eine grüne Insel ganz für sich allein zu schaffen. (Henri-Frederic Blanc: Im Reich des Schlafes, S. 42)


Mich ekelte vor meiner Erschöpfung und Blässe, dem Aufgefressensein von einem Beruf, der mich zerstörte, mir die Knochen auflöste, mich in ein Figürchen auf einer Spieluhr verwandelte, das zu zwei oder drei immer gleichen Bewegungen, zum Rhythmus zögerlichen, schematischen Geklingels verdammt war. (Antonio Lobo Antunes: Einblick in die Hölle, S. 155)


Die Hölle, dachte er, das sind die Lehrbücher der Psychiatrie, die Hölle ist die Erfindung der Verrücktheit durch die Ärzte, die Hölle ist diese Dummheit der Tabletten, diese Unfähigkeit zu lieben, dieses Fehlen von Hoffnung, dieser japanische Armreif, der den Rheumatismus der Seele mit einer Kapsel zur Nacht beschwört, einer Trinkampulle zum Frühstück, und das vollkommene Unverständnis für die Bitterkeit und das Delirium. (Antonio Lobo Antunes: Einblick in die Hölle, S. 60)


Wie gut und glücklich hätte ich sein können, wenn ich den Weg gegangen wäre, den mir mein heller Verstand, mein kindliches, tiefes Gefühl beim Eintritt ins Leben zeigten! Ich habe mehr als einmal versucht, aus dem Schmutz, in dem ich lebte, auf einen lichten Weg zu gelangen. Ich sagte mir: ich will alle Willenskraft, die in mir ist, einsetzen - und vermochte es nicht. Wenn ich mit allein war, wurde mir angst und bang vor mir selber. Wenn ich mit anderen zusammen war, vergaß ich 'unwillkürlich' meine Überzeugungen, hörte die innere Stimme nicht mehr und sank tiefer und tiefer. (Lew Tolstoj: Aufzeichnungen eines Marqueurs)


Ich entsetzte mich, als ich sah, welch ein unergründlicher Abgrund mich von dem trennte, was ich sein wollte und sein konnte. In meiner Phantasie tauchten Hoffnungen, Träume und Gedanken aus meiner Jugend auf. Wo sind jene lichten Gedanken über das Leben, über die Ewigkeit, über Gott, die meine Seele mit so viel Kraft und Klarheit erfüllten? Wo ist die gegenstandslose Macht der Liebe, die mein Herz mit beseligender Glut erwärmte? Wo ist die Hoffnung auf Entwicklung, das Empfinden für alles Schöne, die Liebe zu den Angehörigen, zu den Nächsten, zur Arbeit, zum Ruhm? Wo ist das Pflichtgefühl? (Lew Tolstoj: Aufzeichnungen eines Marqueurs)


Ich bin nicht entehrt, nicht unglücklich, ich habe kein Verbrechen begangen. Aber ich habe Schlimmeres getan: ich habe meine Gefühle, meinen Verstand, meine Jugend gemordet. Ich bin in ein schmutziges Netz verstrickt, aus dem ich mich nicht losmachen und an das ich mich nicht gewöhnen kann. Ich sinke unaufhörlich, ich fühle, wie ich falle, aber ich kann es nicht aufhalten. (Lew Tolstoj: Aufzeichnungen eines Marqueurs)


Wenn mir an unseren Lebensumständen etwas angst machen würde, dann wäre es diese schreckliche Vereinsamung, in der wir uns alle befinden. Es ist nahezu unmöglich, miteinander zu sprechen, sobald man den materiellen Bereich verläßt und sich einer höheren Region zuwendet. Manchmal scheint mir, nur das Schweigen kann bestimmte Dinge ausdrücken. (Julien Green: Varuna, S. 285)


Das Leben verrinnt, und die Stunden gehen nicht weiter, Langsam bringt uns das Nichtstun um, doch wir wissen nicht, wann wir tot sind. Damals, als ich mein Buch schrieb, mein einziges Buch, denn die anderen... also gut, damals, als ich schrieb, glaubte ich zu leben, aber ich sog bereits die tödliche Luft ein, die allmählich den Rhythmus unseres Atems und unserer Pulsschläge herabsetzt. Wir sollte einem da allein der Wunsch zu existieren nicht vergeblich erscheinen? Noch fünfzehn oder dreißig Jahre lang schlechte Mahlzeiten verdauen, enttäuschende Briefe erhalten, dieselben Spaziergänge mit immer größeren, durch rheumatische Beschwerden raffiniert gesteigerten Schwierigkeiten machen, nein, daran will ich mich nicht festklammern. (Julien Green: Varuna, S. 256)


Raul legte sich auf seine Matratze und fand, wie an jedem Abend, nicht in den Schlaf. So unruhige Gedanken, Panik, sobald das Licht gelöscht, kamen sie, füllten den Raum, hockten sich auf seine Brust. Die Zeit, die ihm davonlief, bald schon wurde er vierzig, das Leben vorbei und jeder Tag vertan. Und wider besseren Wissens schwor Raul sich, den morgigen Tag zu nutzen, doch wenigstens zu versuchen, etwas Vernünftiges zu machen. (Sibylle Berg: Amerika, S. 15)


Wenn man nicht imstande war, in eine Kirche zu gehen, bliebe nur dieser schreckliche Basar. Er wußte, daß er ganz sicher nichts kaufen werde. Er brauchte nichts, wollte nichts. Wenn man nichts braucht und nichts will, bewirkt dieses Warengeschrei Ekelempfindungen. (Martin Walser: Jagd, S. 101)


Ich frage mich kaum noch, was das Schicksal sich dabei gedacht hat, aus mir einen knurrigen Eremiten zu machen. Menschen kommen mir zu nah, Menschen gehen mir auf die Nerven - und sei es nur, weil sie mich permanent und penetrant daran erinnern, daß ich auch nur einer bin. Deswegen ist mein Liebesvermögen vermutlich etwas unterentwickelt. Gewiß, das Lachen kleiner Kinder hebt mir das Herz, und angesichts hilfloser alter Menschen kann ich eine Ritterlichkeit entwickeln, die mich selbst erstaunt. Aber so ein richtiger Seelenbrand, etwa die Liebe zu einer Frau, ist mir, ich gebe es zu, im Leben nicht oft geglückt. (Ralf Rothmann: Ein Winter unter Hirschen, S. 165)


Das gab es nun mal, daß einem das Schicksal nur Menschen zuführte, die über Dinge Bescheid wußten, die einen nicht interessieren. (Heinrich Steinfest: Der Umfang der Hölle, S. 263)


Nur ein- oder zweimal im Leben gewährt man dir einen einzigen Augenblick, von dem alles abhängt, einen Augenblick, auf den hin du die gesamten Jahre des Umherrennens und der List geübt und geplant hast, einen Augenblick, in dem du - hättest du ihn ergriffen - vielleicht etwas über die Sache erfahren hättest, ohne deren Kenntnis dein Leben nur eine ermüdende Folge von Erledigungen, Alltagsplanung, Ausweichmanövern und Problembeseitigung ist. (Amos Oz: Eine Frau erkennen, S. 299)


Eine Häuslichkeit, spricht er zu sich selbst auf dem Heimweg, macht, so klein sie auch sein mag, daß ein Mann wie ich sich einsam fühlt. Aber es ist gut, daß ich das Manöver des Heiratens nie ausgeführt habe. Ich hätte nicht dafür gepaßt. (Charles Dickens: Bleakhaus, S. 463)


Das irritierte Bewußtsein hält ständig Ausschau, um sich beruhigen. Aber es sieht nur sich selbst. (Hartmut Lange: Tagebuch eines Melancholikers, S. 123)


"Wir führen unser Leben, verrichten unsere Tätigkeiten, und dann schlafen wir — so einfach und so gewöhnlich ist das. Ein paar springen aus dem Fenster, ertränken sich oder nehmen Tabletten; ein paar mehr sterben bei Unfällen; und die meisten von uns, die breite Masse, werden langsam von irgendeiner Krankheit verzehrt oder, wenn wir großes Glück haben, vom Zahn der Zeit. Und es gibt nur diesen einen Trost: eine Stunde hie und da, in der es uns wider alle Wahrscheinlichkeit und Erwartung so vorkommt, als schäume unser Leben über und schenke uns alles, was wir uns je vorgestellt haben, obgleich jeder (...) weiß, daß auf diese Stunden unausweichlich andere folgen werden, die weitaus dunkler sind und schwerer." (Michael Cunningham, Die Stunden, S. 217)


Die bitterste Niederlage in einem Menschenleben wird durch die Spanne gekennzeichnet zwischen dem, wozu er in der Lage gewesen wäre, und dem, was tatsächlich aus ihm geworden ist. (Henry David Thoreau)


Er begann prompt, über seine eigene Isolation nachzudenken. Diese Menschen waren glücklich, und einerseits verachtete er sie dafür, daß sie auf so simple Weise glücklich zu machen waren, andererseits beneidete er sie. Er war zwar ein weitaus bemerkenswerterer Mensch als sie, doch er war nicht glücklich. Niemals mochte ihn jemand; manchmal bezweifelte er sogar, daß Helen ihn mochte. Geradlinig sein zu können, einfach ganz offen sagen zu können, was man empfand, ohne dies schreckliche Bewußtsein seiner selbst, in dem er befangen war und das seinem Gesicht und seinen Worten unablässig den Spiegel vorhielt, das war etwas, gegen das sich fast jede andere Begabung einzutauschen lohnen würde, denn es machte einen glücklich. Glück, Glück, was war das: Glück? Er war nie glücklich. Er sah die kleinen Schwächen und Täuschungen und Mängel des Lebens allzu deutlich, und da er sie nun einmal erkannte, glaubte er, es sich schuldig zu sein, davor nicht einfach die Augen zu verschließen. Das war zweifellos der Grund, weshalb die Menschen ihn im allgemeinen nicht leiden konnten und ihm vorwarfen, er sei herzlos und bitter. Es stimmte, daß sie ihm niemals die Dinge sagten, die er gern hören wollte - daß er nett und liebenswert sei und daß sie ihn mochten. Doch es stimmte auch, daß er die bissigen Dinge, die er über sie sagte, zur Hälfte nur deshalb sagte, weil er selbst unglücklich oder verletzt war. Er mußte jedoch zugeben, daß er nur sehr selten jemandem gesagt hatte, daß er ihn gern hatte, und wenn er seine Gefühle gezeigt hatte, dann hatte er es im allgemeinen hinterher bereut. (Virginia Woolf: Die Fahrt hinaus, S. 368)


Selig ist der, welchem ein Gott eine große Idee beschert, für die allein er lebt und handelt, die er höher achtet als seine Freuden, die immer jung und wachsend ihm die abmattende Eintönigkeit des Lebens verbirgt! (Jean Paul: Dr. Katzenbergers Badereise)


Mein Problem war alles andere als "Schwierigkeiten mit Frauen", sondern es war die vollkommende seelische Impotenz. Ich war nicht "früher oft unglücklich" oder "manchmal unglücklich" gewesen, sondern es verhielt sich so, daß ich seit mindestens fünfzehn Jahren, vielleicht auch noch länger, ohne Unterbrechung unter Depression gelitten hatte. Es stellte sich heraus, daß meine sogenannte "glückliche Jugend" eine Erfindung meinerseits gewesen war, an die ich zum Teil sogar geglaubt hatte. Es erwies sich, daß auch mein letzter Trumpf eine Niete gewesen war: ich war nicht "normal", wie ich es mir ja immer eingeredet hatte, wenn mir die Summe der Unstimmigkeiten meines Lebens über den Kopf zu wachsen drohten. Meine Leiden waren nicht die normalen Steine im Lebensweg jedes jungen Menschen gewesen, sondern eben - anormale, was "anormal" nun auch immer heißen mochte. Mit anderen Worten: Es stellte sich heraus, daß es mir nicht nur miserabel ging, sondern daß es mir schon immer miserabel gegangen war, und daß ich alle Voraussetzungen dafür erfüllte, daß es mir auch in Zukunft miserabel gehen würde. Ich sah mich also vor die Tatsache gestellt, daß ich nicht "normal" war, wenngleich sich beim Begriff "normal" sofort die Frage stellte, was "normal" denn überhaupt sei, und vor allem, was denn "anormal" sei. Es bedeutet zunächst einmal, daß mein Leben schon sehr früh, vermutlich schon von früher Kindheit an, eine Bahn eingeschlagen hatte, die eben nicht die normale war. Das Resultat dieser Verirrung oder Verkrümmung war dann, daß ich die Entwicklungen, die ein Kind oder ein junger Mensch macht oder machen sollte, überhaupt nicht oder nur sehr unvollständig gemacht hatte und in mancher Hinsicht verkümmert war. Diese Verkümmerungen oder Verkrüppelungen waren dann eben meine Anormalität. (Fritz Zorn: Mars, S. 138)


Liefert das Leben von unsern idealen Hoffnungen und Vorsätzen etwas anderes als eine prosaische, unmetrische, ungereimte Übersetzung? (Jean Paul)


Auch einen anderen Aspekt meiner selbst lernte ich würdigen, nämlich den lustigen. Ich bin zeit meines Lebens die traditionell lustige Person gewesen, und die Lustigkeit war denn oft auch meine Etikette, die an mir klebte, oder die Flagge, unter der ich segelte. Ich begriff nun, daß meine Lustigkeit in vielen Fällen nichts anderes gewesen war als die Hülle, mit der ich meine Traurigkeit bedeckte. Ich hatte nie von traurigen und auch nie von ernsten Dingen reden können, denn die Trauer, die ich in mir trug, war ja immer so groß gewesen, daß sie den Rahmen jedes konventionellen Gespräches gesprengt hätte, wenn ich die Schleusen einmal geöffnet hätte, die den Wasserfall von Verzweiflung zurückhielten, der in mir drängte. Deshalb hatte ich automatisch immer alles ins Lustige oder gar ins Lächerliche gezogen, um dem in mir drohenden Unheil so gut wie möglich auszuweichen. Meine ewige Lustigkeit war also meist nicht spontan gewesen, sondern das Ergebnis einer verzweifelten, immer wieder verlängerten Anstrengung, die bevorstehende Katastrophe noch ein bißchen hinauszuschieben. ich hatte mich also immer bemüßigt, Lustigkeit um mich zu verbreiten. (Fritz Zorn: Mars, S. 147)


Was sind denn Berge und Lichter und Fluren ohne ein liebendes Herz und ein geliebtes? Nur wir beseelen und entseelen den Leib der Welt. Ist ein Garten eine engere Landschaft, so ist die Liebe nur ein verkleinertes All; in jeder Freudenträne wohnt die große Sonne rund und licht und in Farben eingefaßt. (Jean Paul: Dr. Katzenberges Badereise)


Eben wieder gelesen und mit der Faust auf dem Tisch gehauen: "Ich bin eigentlich ganz anders, ich komm' nur nicht dazu." (Kurt Tucholsky) Ich neige dazu, Dinge auf später zu vertagen. Im Großen wäre zu fragen, wie lange man eigentlich noch warten will, bis man gewisse Träume zu verwirklichen sucht. Wann, wenn nicht jetzt? Sich vergegenwärtigen, daß das Leben nicht nur nicht schon begonnen hat, sondern daß gut die Hälfte vorbei ist. Dabei keine Panik bekommen.


Wo fänden Sie auch nicht Stoff, sich zu quälen. (Johann Wolfgang von Goethe: Stella)


Ich will hier keine neue Beschreibung des Phänomens liefern, denn es ist genugsam beschrieben worden, und jedermann weiß, was Depression ist: Alles ist grau und kalt und leer. Nichts macht einem Freude, und alles Schmerzliche wird übertrieben schmerzlich empfunden. Man hat keine Hoffnung mehr und sieht nicht mehr über die unglückliche und sinnlose Gegenwart hinaus. Alle sogenannten fröhlichen Dinge machen nicht froh; in Gesellschaft ist man noch mehr allein als sonst; alle Belustigungen lassen einen kalt; die Ferien bringen keine Abwechslung, sondern sind viel schwerer zu ertragen als die Nicht-Ferien; alle Pläne, die man schmiedet, um aus der Depression herauszukommen, läßt man wieder fallen, "weil es ja doch nichts nützt". Die beiden hervorstechenden Eigenschaften der Depression sind Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit. (Fritz Zorn: Mars, S. 87)


Wenn man schon auf der Welt sein müsse, gefragt habe einen ja keiner, könne man auch versuchen, etwas zustande zu bringen. (Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt)


Der Alp, das Leben wie einen Versuch zu leben, den man glaubt, im Falle des Scheiterns, wiederholen zu können, Irrtum, mein Bester, du bist vierzig Jahre auf Sendung, live und einmalig. (Steffen Mensching: Jacobs Leiter, S. 117)


Und soll ich euch sagen, warum? Weil ich seelisch krank bin, das sieht man mir nur nicht an. Weil ich, seit ich mich erinnern kann, nichts anderes tue, als seelische Gesundheit zu simulieren, jeden Augenblick; und darauf verschwende ich meine ganzen Kräfte (restlos alle), die geistigen, die physischen und alle sonstigen. Daher kommt es, daß ich langweilig bin. Alles, worüber ihr redet, alles, was euch täglich beschäftigt, ist mir unendlich fremd. Ja, und darüber, was mich beschäftigt, darüber werde ich nie und niemanden ein einziges Wort sagen. Vielleicht aus Angst, für verrückt erklärt zu werden, vielleicht aus sonst einem Grund, jedenfalls - kein Wort. (Wenedikt Jerofejew: Die Reise nach Petuschki)


Im Grunde habe ich mein Leben vertan und damit auch den Humor. Und jetzt, wo ich eigentlich alles verloren habe und im abgewetzten Jackett eines heruntergekommenen Philosophen rumlaufe, kann ich's ja sagen: Es gibt einfach nichts Besseres als das Leben. Humor ist Leben. Humor ist ein Zustand. Humor hat überhaupt nichts mit Witzen zu tun. Humor ist das Aufleuchten in den Augen, die Verliebtheit in den Gesprächspartner und die Bereitschaft, so lange zu lachen, bis einem die Tränen aus den Augen schießen. (...) Humor hilft uns zu überleben. Er bringt uns einander näher. Ein guter Witz ist wie eine Bescherung. Man sollte auch humoristische Autoren nicht unterschätzen. Für einen einzigen Satz von Ilf und Petrow, wie etwa "Die Hunde kletterten mit der Wendigkeit von Bootsmännern hinaus", würde ich die ganze Seite einer griechischen Tragödie hergeben, wo sich die Helden mit unglaublicher Leidenschaft in die Brust werfen. Ein Meer von Tränen, in dem vier alte Weiber ertrinken, wiegt leichter als eine Lachsalve, die einen Schuß Wahrheit auslöst. (Michael Schwanetzkij: Wir brauchen Helden!)


Alle Reibungen unter den Menschen sollen durch Mißverständnisse entstehen, eine Theorie, an die ich felsenfest glaube, da ich die Welt selbst für ein Mißverständnis halte. (Albert Vigoleis Thelen: Die Insel des zweiten Gesichts, S. 125)


Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht. Und in Wahrheit stimmt es auch nicht: Wollen wir irgend sein - es liegt ganz an uns -, was wir als "Mensch" bezeichnen, kommen wir nicht aus ohne die Bücher, wichtiger: ohne das Lesen. (Jorge Luis Borges)


Plötzlich überfällt mich die nackte Verzweiflung über die Ohnmacht des Geistes. Daß ein Mensch überhaupt sein Leben lang glaubt und hofft und liebt und daß nichts dabei herauskommt als Parteigezänk, als Kriege, als Ausbeutung der Schwachen, als Haß... (Luise Rinser: Kriegsspielzeug. Tagebuch 1972-1978, S. 131)


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