|
Autobiografisches
![[Markus Kolbeck]](../mako_lb.jpg)
Ich bin
Markus Kolbeck
und wurde im April 1966 in
Leipzig
geboren, wohne und arbeite auch hier. Nach
der
Polytechnischen Oberschule
1972-82, meiner zweijährigen Lehre als Koch
und nachfolgender Gesellenzeit bis 1986,
holte ich zwischen 1986 und 1989 das
Abitur in dem kirchlichen Spätberufenenseminar
"Norbertinum"
in Magdeburg nach, dessen Existenzgrund
es gewesen war, Katholiken die Hochschulreife
zu verschaffen, die sie aus politischen oder
gesellschaftlichen Gründen nicht erlangen konnten.
Das Ziel, danach als Priesteramtskandidat
Theologie zu studieren, gab ich jedoch auf und
begann, im berühmten Herbst 1989 als Krankenpfleger
zu arbeiten, erst 1 Jahr lang in Mittweida, seit
1990 in Leipzig.
1994 absolvierte ich nach dreijähriger Ausbildung
das Krankenpflegeexamen. Bis 2004 im Stadtkrankenhaus
in Lindenau (Innere Station, Diabetologie), von
2004 bis 2020 in der Robert-Koch-Klinik in Grünau
(Gastroenterologie, Diabetologie, Rheuma, Onkologie
& Akutgeriatrie), seit April 2020 im St. Georg
in Eutritzsch (Gastroenterologie und Diabetologie).
Bis 2015 führte ich ein Bücherleben und zelebrierte
es im Internet, teilte Lesefrüchte, kommunizierte
gerne. Diese Webseite ist ein Relikt davon. Nunmehr
versuche ich mich über Wasser und am Leben zu erhalten
und kämpfe gegen mich, meine Depression und ihre
psychosomatischen Emanationen.
^
Wieviele Großeltern hast du noch?
Der Mann meiner Oma, von der ich schrieb, blieb im
Zweiten Weltkrieg und war Pole; denn meine Großeltern
kamen aus
Zagórze/Galizien
(nahe
Lemberg,
unter polnischer Ägide Lwow, unter ukrainischer heute
Lwiw), das ehemals zum Königreich Österreich/Ungarn
gehörte; dorthin wanderten im 19. Jahrhundert einige
Schwaben aus, von denen ich väterlicherseits also
abstamme. Meine Ururgroßmutter hieß Deutschmann und
liegt auf dem
Großwölkauer
Friedhof
begraben,
30 m von dem Hause entfernt, in dem meine Oma wohnte.
Es ist ein 250-jähriges
Pfarrhaus,
umgeben von
Gellertkirche
und
Friedhof.
Dort verbrachte ich als Kind freie Minute meiner Ferien
und sehr viel Zeit als Jugendlicher. Getrost darf ich
das als meine Heimat bezeichnen, als den Ort, der mich
am intensivsten prägte. 1945 wurden meine Oma und deren
ihre Oma = meine Ururgroßmutter Elisabeth Deutschmann
infolge der Flucht aus Galizien nach einem Schwenk über
Hamburg in diesem Pfarrhaus einquartiert. Die Eltern
und
Geschwister
meiner Oma blieben in
Opole
hängen, wohin ich als Baby, Kind und Jugendlicher
dreimal (1967, 1972 und 1983) reiste, das letzte Mal,
als über Polen schon das
Kriegsrecht
verhängt worden war. ^
Der mütterliche Zweig der Familie war mir immer
fremd. Die Oma starb 1987 mit 66 Jahren an Krebs,
mein Opa 1993 mit 72 Jahren im Pflegeheim nach
diversen Schlaganfällen und mehreren Jahren
Demenz. Zu diesen Großeltern hatte ich wenig bis
keinen Kontakt. Interessant, daß diese
Vorfahren mit dem Zweiten Weltkrieg nach
Deutschland zurückgespült wurden. Mein Opa hatte
sich seinen wundervollen bayrischen Dialekt bewahrt,
was stets Anlaß zur Heiterkeit für uns Kinder
gewesen war. Und zwar geriet der Vater dieses
Opas im Ersten Weltkrieg in russische Kriegsgefangenschaft;
schließlich wurde ihm angeboten, seine Familie
nachzuholen und (im heutigen Moldawien) anzusiedeln.
Mein Opa, noch in Deutschland geboren, wuchs in
Rußland auf, heiratete meine Großmutter, deren
Eltern nach Rußland regelhaft ausgewandert
waren. Durch den Zweiten Weltkrieg mußten sie
ebenfalls flüchten und gelangten über Braunschweig,
wo meine Mutter geboren wurde, nach
Kletzen.
Mein Vater aus Großwölkau lernte meine Mutter
aus Kletzen beim Tanz kennen. Selbstverständlich
war man katholisch: die Bayrischstämmigen aus
Moldawien und die Deutschstämmigen aus dem
erst habsburgerischen, dann ostpolnischen Galizien.
Die Vorfahren meiner Familie waren
also alles Ausgewanderte. Wenn meine Wölkauer Oma
von der Zeit nach 1945 berichtet, kann einem
schlecht werden. Wie unwillig der Pastor die
Einquartierten behandelte und überhaupt die
Flüchtlinge viele, viele Jahre als Polaken
beschimpft wurden, welch schweren Start und
Stand sie in dem Dorf hatten. Allerdings ist
das wohl in allen ländlichen, traditionsverhafteten
Gegenden so, daß man generationenlang als Fremder
gilt und nicht als Ansässiger, besonders in Bayern.
Nur ist es eben ein Unterschied, ob man Flüchtling
ist oder vielleicht in eine Familie einheiratet
oder sich in einem bayrischen Dorf ein Haus baut.
^
Wie gut und sorgenfrei dagegen durfte ich aufwachsen!
Im anonymen Leipzig war die Abstammung kein Thema.
Wir waren Deutsche und Sachsen, was will man mehr.
Unbeschwerte Kindheit, eingebettet in die katholische
Gemeinde, was im Falle einer Diaspora wie Sachsen
Behütung und Nestwärme bedeutete. Man war unter
Gleichgesinnten UND man war als Katholik imprägniert
gegen die Kommunisten. Das Leben in der DDR war
demnach in diesem Sonderstatus als Christ auch
verschieden von dem der Atheisten, die sich weniger
zu wehren vermochten und die es, so sehe ich das,
schwerer hatten, insofern sie nicht ihrerseits in
einem gesonderte Kreis so etwas wie Beheimatung fanden.
Meine Kindheit war bis zu meinem 12./13. Lebensjahr
recht unbeschwert und sorgenfrei. Die Familie für
uns Kindern noch intakt. Natürlich brodelte es
zwischen den Eltern bereits, was uns mangels
Vergleichsmöglichkeit normal erschien, solange
ein gewisses Level nicht überschritten wurde.
[wird fortgesetzt...] ^
Glücklicherweise bin ich als Bausoldat zwar
gemustert, aber nicht gezogen worden.
Wolfgang Tiefensee, unser ehemaliger OBM,
erzählt
von seiner Wehrdienstverweigerung.
Gemustert wurde ich 1984. Was Tiefensee
anfangs erwähnt, stimmt auch für mich: in
Leipzig bekamen wir katholischen Jugendlichen
Schützenhilfe von den Pfarrern, die uns
mit hieb-und stichfesten Begründungen und
Argumenten versahen, damit wir dem
nachhaltigen Gespräch mit den Stasileuten
und dem Militär standhalten konnten.
Weil ich so doof war, unbedingt eigene
Formulierungen nehmen zu wollen und dabei
das Wort "aufdoktrinieren" anstatt
"aufoktroyieren" bzw. "indoktinieren"
einsetzte, kam ich in den Genuß, die
Begründung meiner Verweigerung des
Waffendienstes zweimal neu schreiben zu
müssen; da jeweils 2 Durchschläge vonnöten
waren, aus Schikane allerdings kein Blaupapier
ausgeteilt worden war, schrieb ich den
Text insgesamt 9 Mal. Als ich schließlich
den Raum verließ, nachdem ich das Geschwätz
und die Drohungen hatte über mich ergehen
lassen, hörte ich zwei Jugendliche ob
meiner ungewöhnlich langen Musterung
flüstern: "Das ist bestimmt ein 25-Ender".
Gemeint war, ich hätte mich wohl zu 25
Jahren in der
NVA
verpflichten lassen, was ich, milde lächelnd,
verneinen konnte. Der Musterung 1984 - ich war
18 Jahre alt - folgte kein
Wehrersatzdienst,
weil, wie Tiefensee richtig bemerkte, man
aus Schikane meist erst mit 26 Jahren gezogen
wurde. Davor bewahrte mich die Wende, zu deren
Zeitpunkt ich 23 und noch jung und tauffrisch
war. Zwar wurde ich zum Zivieldienstleistenden
umgemustert, hatte jedoch irgendwie Glück,
durch Umzug kurze Zeit von Mittweida nach
Leipzig dafür zu sorgen, daß sich meine Spuren
verwischten. Rechnet man die Wendewirren dazu,
war es wohl ganz einfach so, daß meine Papiere
in Mittweida blieben, ich aber in Leipzig gelandet
war und nie in den Genuß eines wie auch immer
gearteten Wehrdienstes kam. ^
Unglaublich, es sind immer noch
Schallplattenhüllen im Schaufenster.
Das
Musikhaus Hans Tappert
war zu DDR-Zeiten eine Anlaufstelle
für Musikfans. Und wenn man wie
ich einen Freund mit einem heißen
Draht zu Herrn Tappert hatte, bekam
man auch hin und wieder eine Lizenzplatte,
auf die man sonst vergebens gehofft
hätte und die durch bloßes Anstehen
unerreichbar gewesen wäre. Keine
Ahnung, wann Herr Tappert seinen
schloß. Nach der Wende sicherlich.
Ich war zu der Zeit woanders und
bekam später nur mit, daß ich Laufe
der Jahre immer mehr Plattenhüllen
aus dem Schaufenster verschwanden.
Daß aber nun, 19 Jahre nach der Wende,
immer noch Relikte unseres einstigen
Mekkas für Rock- und Bluesplatten
bestehen, erfüllt mich angesichts
des unendlich langsamen Zerfalls,
gepaart mit der Erinnerung an Jugendzeiten,
mit ein bißchen Wehmut, die immer
dann aufkommt, wenn man an früher
denkt. Die Formel würde lauten: Je
älter, desto früher, desto heul.
^
Als Kinder haben wir diese Hochsommertage
geliebt. Sie kamen uns endlos vor. 8
Wochen Ferien - der gesamte Juli und
August standen uns zur Verfügung.
Wir waren mehr im Wasser als an Land.
Im schlammigen Dorfteich, aber egal!
Durch die Felder gestreift, zwischen
das gereifte Getreide hindurch, Ende
August uns an Maiskolben satt gegessen.
Am Lagerfeuer Kartoffeln geröstet.
Kirschbäume geplündert, an den vielen
kleinen Chaussen die Äpfel- und
Birnbäume inspiziert. Wenn nicht im
Wasser, dann auf dem Fahrrad durch
die umliegenden Dörfer. Feriensport
auch: Zigaretten im Dorfkonsum klauen.
Ich Stadtmensch war in den Ferien,
in JEDEN Ferien, bei meiner Oma auf
dem
Dorf.
Im uns endlos vorkommenden Sommer war
das Paradies jedoch besonders vollkommen.
Die Tage lang. Von morgens um 9 Uhr
bis abends 19 oder 20 Uhr draußen.
Die Geräusche, die Gerüche des Sommers
habe ich unvergeßlich in Ohr und Nase.
Das Zirpen der Grillen, das Getöse
der Mähdrescher, das Plätschern der
Wasser in den diversen Teichen, das
wütende Gekläff der Hofhunde in den
Gehöften. Das Blöken der Schafe, wenn
der Schäfer über den Anger zog, die
Hunde sie nervös umtänzelten und sich
hintendrein ein Spur mit Schafskötteln
über den Boden zeichnete. Die gackernden
Hühner, denen Aufregung zu verschaffen
zur Ehre jedes Jungen gehörte. Dabei
aber gehörigen Respekt vor erregten
Gänsen. Schlachten in den haushoch
getürmten Bergen mit gebündelten
Strohballen. Am Sonntag freilich war
alles anders. Ein Tag, der der Kirche
und der Familie gehörte. Vormittags
geschniegelt und gebügelt in den
Gottesdienst. Mit dem Fahrrad in die
einige Kilometer entfernt liegende
Kirche in Lehelitz (Ortsteil von
Krostitz), die inzwischen nicht mehr existiert.
Nachmittags kam der Vater mit der Jawa aus
Leipzig angeknattert. Omas Garten wurde
geplündert: Kirschen, Wochenlang Erdbeeren, bis sie einem
zu den Ohrern wieder herauskamen,
Stachel-, rote und schwarze Johannisbeeren
und die so geliebten Himbeeren.
Die Tomaten, obgleich nicht formschön,
im Geschmack unvergleichlich mit den
heutigen, die nur noch den Namen
tragen. Schwerbeladen rauschte Vater
wieder heim. Der Rest wurde eingemacht.
Das Scheppern der Einweckgläser, die
herumliegenden Verschlußgummis gehören
ebenso zu den Sinneseindrücken dieser
Sommertage. Am Montagmorgen begann
für uns Jungs wieder der geliebte
Alltag: heraus in die Wälder und
Felder. Auf Bäume klettern, Buden bauen,
sich mit den Kerlen vom Unterdorf
anlegen. Ausflüge in die ungefähr
gleichweit entfernt liegenden
Kleinstädte
Delitzsch
und
Eilenburg
sorgten für Abwechslung und waren
aufregend. Denn dort konnten wir in
der Menge relativ unbeobachtet quarzen
(rauchen) und Leute ärgern. Die
Eisdielen gehörten uns. Rote Faßbrause
für 13 Pfenning der halbe Liter abends
in der Dorfkneipe inmitten der Bauern
und Suffköppe, denen die Kneipe die
zweite Heimat darstellte. Etwas
Verwegenheit umwehte uns dann jedesmal,
wenn wir Knirpse im Dunst der
Rauchschwaden hockten und uns
furchtbar erwachsen vorkamen. Das
war der Sommer, einige Eindrücke,
die eben hochkamen, als ich darüber
nachdachte, was diese Hitze so anderes
macht zu der, die wir damals NIE als
Belastung erlebten! Hier in der Stadt
ist der Sommer nur halb so eindrucksvoll.
Das Dorfleben meiner Kindheit zudem
Vergangenheit; außer Hunden und Katzen
kaum noch Tiere. Der Zauber der Natur
ist nur Kindern so unmittelbar zugänglich
und - verwertbar!
^
Seit 25 Jahren trinke ich
Schwarztee.
Als Jugendlicher in der DDR hatte man mit sowjetischen
Mischungen vorlieb zu nehmen. Ich sage nur
"grusinische Mischung" (georgischer Schwarztee).
War man dieses nicht eben abwechslungsreichen
Sortiments leid, wich man auf den
Delikatladen
aus, wo eine Büchse
Darjeeling
13 Mark kostete. Man setze dies in Beziehung
zu 108 bis 130 Mark Lehrlingsgeld bzw. 550
Mark Lohn als Koch, worüber ich verfügen
konnte. Heute trinke ich meist
Ostfriesentee,
weil ich starke Tees ihrer fulminanten
Wirkung wegen bevorzuge. Bei einem
Blatttee habe ich den Eindruck, mit
angezogener Handbremse zu trinken.
Tee genoß ich ausschließlich pur. Zucker
natürlich nicht, Kandiszucker damals in
der DDR ja, weil er für 20 Pfenning in
jedem
Konsum
zu haben war. Milch komischerweise nie,
was mich jetzt wundert. Habe ich das
als Snobismus empfunden, den ich mich
nicht an den Tag zu legen traute? Ich
bedauere das zutiefst, weil ich in diesen
Tagen erst Milch zu schätzen lerne, was
beim ostfriesischen Broken-Tee keine
schlechte Idee ist. Lecker. Mir egal,
ob MIF oder TIF.
Der Tee schmeckt nun sahnig, man
kann ihm somit, ist der Aufguß etwas
stark und bitter geraten, die Schwere
nehmen. (November 2006)
^
Nachtrag: Noch im November freute ich
mich, daß ich nach 25 Jahren Schwarzteetrinkens
endlich auf den Trichter gekommen bin, Milch
reinzutun. Im Deutschlandfunk hörte ich durch
Udo Pollmer, daß nur purer Tee seine
gesunde Wirkung
entfaltet. Fügt man dem Tee aber Milch zu,
verbinden sich die Polyphenole mit ihr - und
beides wird für den Körper ungenießbar. Daß
Schwarztee die Insulinausschüttung forciert,
war mir unbekannt - das als jemand, dessen
zweiter Vorname quasi Insulin lautet...
(April 2007)
Der Deutsche trinkt im Jahr durchschnittlich 20 Liter
Schwarztee.
Der Ostfriese das Zehnfache! Hätten wir
die Ostfriesen nicht, sähen wir alt aus.
Das heißt, alt sehen wir laut demografischer
Entwicklung ohnehin aus, aber ohne Tee
würde wir uns auch so fühlen. Ich kippe
täglich mindestens 1 Liter Schwarztee
in mich hinein, komme damit, rechne
ich den Verbrauch an freien Tagen dazu,
an denen meist 2 Liter-Kannen zum
Einsatz kommen, auf mindestens 400
Liter pro Jahr. Interessante Fakten und
Zahlen zum Teekonsum finden sich
hier.
150 g, beim Teehändler gekauften Schwarztee
süffle ich in zwei bis drei Wochen weg; der
Billigtee von Aldi - Typ 'Ostfriesische
Mischung' für 1,39 Euro - reicht bedeutend
länger, wird mir jedoch nun, da ich mich
an den aromatisierten zu gewöhnen beginne,
nicht mehr schmecken. An freien Tagen koche
ich 2 Kannen Tee, was knapp 2 Litern entspricht.
An Arbeitstagen vertilge ich "lediglich" 1
Liter Schwarztee. Mit der Queen oder selbst
einem durchschnittlichen Engländer werde
ich sicherlich kaum mithalten können. Oder?
^
Blues ist meine Musik. Mit ihm wurde ich
als 13- jähriger konfrontiert und bin ihm
zeitlebens treu geblieben. Speziell war
der Blues in der DDR eine Sub- bzw. Anti-
Kultur. Gruppen wie
Freygang,
Zenit, Monokel, Jürgen Kerth, Hansi Biebl,
Mama Basuto,
Engerling
und für mich besonders
Stefan Diestelmann
versorgten uns
Kunden
regelmäßig mit Stoff. Das Referenzbuch
ist übrigens
'Bye bye, Lübben City.
Bluesfreaks, Tramps und Hippies in der DDR'.
Der Blues gelangte durch das
American Folk Blues Festival
(1963 bis 66) in die DDR, wodurch
amerikanische Haudegen schnell bekannt
wurden und die Nachahmung durch einheimische
Musiker generierten, die mich dann als
Jugendlichen fesselten. Nach der Wende
versorgte ich mich dank Zweitausendeins
mit Nachschub und lernte durch Bluessendungen
im Radio (zunächst DT64) mit Leo Gehl
immer mehr Interpreten kennen. Heutzutage
ist es mittels YouTube einfacher, wie
auch immer geartete Musik zu hören,
reinzuschnuppern und kennenzulernen. -
Als 1966 Geborener müßte ich musikalisch
eigentlich die Eighties bevorzugen, weil in
ihnen meine Jugend stattfand. Irgendwie
kam es anders. Ich bin in der Rockmusik
der 60er und vor allem der 70er zuhause.
The Doors, The Who, Deep Purple, Led
Zeppelin, Uriah Heep, Black Sabbath,
Jethro Tull, AC/DC, Procul Harum, Bob
Dylan. Beim Deutschrock ist es so,
daß ich von einigen wenigen sehr viel
kenne und schätze, vornehmlich
BAP,
Wolf Maahn, Stoppok und Heinz Rudolf Kunze.
Obzwar ich seit meiner Jugend dem Blues
zugeneigt war, beschränkten sich meine
Neigungen und Kenntnisse doch eher auf
die Altmeister des Blues. Der Tod
John Lee Hookers
markierte sozusagen den Endpunkt. Um
so schöner, wenn man moderne Bluesbands
entdeckt.
^
Hanjo griff den
kürzlich hier im Blog geposteten Link zur dieser Kassettensache
auf, was mich bei ihm in Erinnerungen schwelgen ließ:
Ich bin sehr gespannt, wie die Sache Medien vs Internet
weitergeht. Wie arrangieren sich Papierbuch und eBook,
wie sehr wird Self-Marketing eines Autors eine Rolle
spielen usw. Ich habe noch gar nicht mal so kleine
Restbestände an Schallplatten und Kassetten. Als
Jugendlicher saß ich mit einem
Geracord
da und habe aus DDR-Radiosendungen (z.B. DT64) heftig
mitgeschnitten. Irgendwie war es wie ein eigenes Werk,
das man kreierte, selbst das Überspielen von Platten.
Bis heute zucke ich bei einem Lied von Dire Straits an
einer bestimmten Stelle zusammen, weil ich es damals
nämlich nicht ganz draufbekam und das abrupte Ende ein
Leben lang "mithören" werde. Damals beeinträchtigten
sich Platten und Kassetten nicht. Wenn man bedenkt, daß
eine Amiga-Schallplatte 16,10 Mark kostete und ich
anfangs nur ein Lehrlingsgeld von 108 Mark bekam, als
Kochgeselle dann 550 Mark und mir noch nebenbei eine
Stereoanlage für über 2000.- zusammensparte... Ich
hatte bestimmt 150 bis 200 Platten. Ok, ich hatte eine
zweite Einnahmequelle. Ich sammelte Flaschen auf dem
Hauptbahnhof in Leipzig aus den ankommenden Zügen. Eine
Goldgrube, die als zweites Standbein wohl erklärt, wie
ich mir das leisten konnte, denn geraucht wurde ja auch
noch täglich eine Schachtel (Alte Juwel - 2,50 Mark).
Erinnerungsschübe werden ausgelöst, was gewiß das
Anheimelnde an solchen Bildern und Berichten ist. Bei
Sendungen wie "Tagesschau vor 20 Jahren" geht es mir
oft ähnlich. Und bei alter Werbung - dank YouTube
reichlich vorhanden - ebenso...
^
In meiner Jugend hörte ich Dixieland. Beim Ansehen einer frühen Star-Trek-Folge, in der Riker auf dem Holodeck in einen Jazzclub gerät, kam mir meine frühe Liebe wieder in den Sinn. Ich setze es auf die Agenda, mal wieder danach zu gucken. In Dresden findet alljährlich das weltgrößte Dixielandfestival statt. So lernte ich diese Musik schließlich auch kennen - dadurch daß nämlich Amiga Schallplatten davon veröffentlichte. Neben dem Blues, der mich von frühester Jugend an fesselte, waren es neben dem Dixieland noch der Gospel bzw. das Spiritual. Man sollte vielleicht niemals von dem abweichen, was man als junger Mensch als bestaunens- und achtenswert erkannt hat.
^
Als Jugendlicher versüßte uns die NDW das Leben wie Musik
sowieso. 1979, mit 13, die erste Schallplatte, später,
vom eigenen Geld als Kochlehrling zusammengespart, den
Mono-Kassettenrekorder
Geracord GC6010
für über 605.- M, noch später, zirka 1987, die
Stereoanlage S 3000
(Verstärker, Boxen, Tuner + Kassettendeck) für die ich
jahrelang 2600.- M zusammengespart hatte. Nach der Wende
den Kassettenrekorder
EAW Audio 145,
welcher mir mehr als 20 Jahre lang treue Dienste leistete.
Mein Bruder mußte vor der Wende noch den DDR-Preis von
2100.- M für das wirklich tolle und leistungsstarke
Gerät löhnen und war entsprechend sauer, als ich es in
den Wendewirren gebraucht, aber neu, für 100.- M abstaubte. -
Als Jugendlicher also Schallplatten und Kassetten.
Die Sammlung wuchs, aber ich hörte die Platten immer wieder
komplett durch. Noch heute "sitzt" dieses Liedgut, so
intensiv war die Begegnung mit Musik damals und bestimmte
den Alltag. Nena kam 1982 mit "Nur geträumt" und wirbelte
mächtig durchs Teenagergehirn bzw. durch weiter südlich
gelegene Areale. Später nahm ich Nena wahr, als sie in
den beginnenden 00er-Jahren die alten Songs nochmals
aufpoliert brachte, durchaus passabel, aber meine
Jugendzeit war längst passe. Gestern stieß ich auf eine
Version von "Nur geträumt",
die beweist, wie wandelbar Musik sein kann. Gefiel mir
ausnahmend gut. (3. Mai 2018)
In den Konsumhimmel katapultiert wurde ich nach der Wende in Leipzig-Grünau, wo auf freiem Feld ein Massa-Zelt aufgestellt wurde. Was war das überhaupt für eine Supermarktkette und wohin ist sie entschwunden oder umbenannt worden? Leider konnte man die phänomenalen Geruchs- und Geschmackserlebnisse der Anfangszeit als neugebackener Westbürger nicht erhalten. Die Gewöhnung verwischte sie. Als Kinder stürmten wir immer wieder auf dem Leipziger Hauptbahnhof in den Intershop, nicht nur um unserem Auge visuelle Üppigkeiten zu gönnen, sondern auch um zu riechen, den Westen zu riechen. Seife, Parfüm etc. Es roch so gut. Fulminante explosive Geschmackserlebnisse hat man heute selten, bezogen auf im Laden kaufbare Produkte. Die Industrie weiß darum; denn sie kreiert immer neue Mischungen und Varianten. Den Reiz des Neuen, den wir 1989/1990 auskosteten, werden wir leider nur durch unsere Erinnerung heraufbeschwören können. Immerhin etwas.
^
Wußtet ihr, daß mein Abitur in der DDR nicht anerkannt
war, sondern in der BRD? Dieses Kuriosum verdankt sich
der Tatsache, daß wir nach der Preußischen Schulordnung
von 1923 (Revision 1951) im Prinzip ein Humanistisches
Abitur mit den Altsprachen Griechisch und Latein
erhielten. Das innerkirchlich erworbene Abitur diente
der Zulassung zum Theologiestudium an der einzigen
katholischen
Fakultät
der DDR in Erfurt. Wer damit in den Westen ausreiste,
durfte an allen Universitäten der BRD studieren. Das
"Norbertinum"
(oder Norbertuswerk) ermöglichte so genannten Spätberufenen
die Hochschulreife. Junge katholische Männer, die meist
schon einen erlernten Beruf hatten, die aber die
Berufung zum Priester spürten. Der oft auch politisch
reglementierte Zugang zur höheren Schule in der DDR
ließ die Notwendigkeit eines katholischen Proseminars
entstehen. Das Norbertinum bestand von 1952 bis 1999,
wobei es sich ab 1990 nicht mehr auf
Priesteramtskandiaten beschränkte. Wir, die wir 1986
bis 1989 im Norbertuswerk lebten, waren somit die
letzten “Regulären”. Der berühmteste Norbertiner ist
übrigens der ehemalige Kölner Kardinal Joachim Meisner.
Weitere Einlassungen hier.
Im Konsum in
Kleinwölkau
bekam man einmal wöchentlich am Liefertag
Ur-Krostitzer
Helles, nach dem man in Leipzig, wenn man keine Beziehungen
hatte, vergeblich dürsten mußte. Krostitz ist nur wenige
Kilometer von Wölkau entfernt und war sozusagen natürliches
Habitat der Ur-Krostitz-Biertrinker. Freilich mußte man
am Liefertag beizeiten Schlange stehen, denn die Einwohner
kamen mit ihren Wagen an, um kästenweise ihren Wochenvorrat
abzuholen. Doch meiner Oma mangelte es nie an ihrem Bier.
Da sie durch einen Klumpfuß körperlich gehandicapt war,
halfen ihr oft andere, vorzüglich die evangelische Katechetin,
die im selben Jahrhunderte alten
Pfarrhaus
lebte und über Jahrzehnte hinweg quasi eine Art Lebensgemeinschaft
mit ihr hatte; denn man sah sich zigmal am Tag, betete zuweilen sogar
zusammen, half sich, tauschte sich aus. Diese motorisierte
Katechetin besorgte immer wieder Einkäufe. Vor ihr wirkte
noch ein Pastor im Ort, der mit seiner Familie im Pfarrhaus
wohnte. Dessen Klo im Haus war uns verwehrt; wir mußten quer
über den Hof ins Gartenplumpsklo gehen, eine Herausforderung
für mich als Kleinkind, wenn man sich mit Taschenlampe
behelfen mußte und sowieso Angst vor allen Geräuschen und
noch viel mehr vor den Spinnen hatte. Fließend Wasser
gab es erst Mitte der 80er! Bis dahin wurde mit Wassereimer
hantiert und Wasser von einer
Pumpe im Hof
geholt. In den Abwassereimer pinkelte man des Nachts.
Nach dem Pastor kam, wie gesagt die Katechetin, und
Wölkau gehörte fortan zur Kirchgemeinde Krippehna,
wo Pfarrer
Friedemann Steiger
wirkte, den ich als imposanten Mann in Erinnerung habe;
man begegnete sich logischerweise regelmäßig, wenn man
in einem
Pfarrhaus
lebte und die Kirche nur 20 Schritte entfernt ist.
Bei dieser handelt es sich um die so genannte
Gellertkirche,
die aus dem 12. Jahrhundert
stammt.
"Hier hatten die
Superintendenten des Kirchenkreises Eilenburg über
Jahrzehnte ihren Sitz, da es hier das
meiste Pfarrland
und somit das beste Gehalt gab. Der Dichter Christian
Fürchtegott Gellert hielt sich einige Male im Pfarrgarten
Großwölkau auf." Der Pfarrgarten, das große Grundstück,
war bis in mein Erwachsenenleben hinein ein Ort der
Freude, der Erholung, der Entspannung. 1994 verbrachte
ich als 28-Jähriger einen schier nie enden wollenden
Urlaub dort und las rund ein Dutzend Bücher im Garten,
der mir als Kind auch durch Himbeerorgien zusagte
und heute leider
verwildert
ist.
Meine halbe Kindheit verbrachte ich bei meiner Oma
auf dem Dorf.
An ein Detail erinnerte ich mich eben. Zum Frühstück
gab es für mich
Muckefuck
(im nu)
und zwei Brötchen. Selbstgemachte Marmelade gab es zwei
Sorten. Obst aus dem Garten wurde eingekocht und zu
Marmelade verarbeitet. Stachelbeeren, Erdbeeren, rote
und schwarze Johannesbeeren, Kirschen, Aprikosen.
Die Besonderheit bestand darin, daß meine Oma als
mittleren Aufstrich keine Butter oder Margarine
nahm, sondern Quark. Meine gesamte Kindheit hindurch
genoß ich also die spezielle Frische eines Quark-Marmelade-
Brötchens. Daß man zum Frühstück auch anderes essen
kann als Süßes, lernte ich erst als Jugendlicher,
wenn wir mit der "Jugend" (Kirche) auf Reisen waren.
Die Brötchen waren nicht täglich frisch, sondern
entweder aus dem Dorfkonsum oder vom Bäcker, die sich
beiden im entfernteren Dorfteil (Kleinwölkau) befanden
und erradelt werden mußten. In
Großwölkau
selbst gab es zu meiner Zeit nur, als ich Kleinkind
war, ein Tante-Emma-Laden bei einem Bauern, der von
zwei Frauen geführt wurden. Das wirkte heute wohl
allzu klischeehaft: winziger Verkaufsraum, die
Frauen mit dem Bleistift hinter dem Ohr, die Rechnung
auf dem Zettel geführt, Bonbons aus dem Glas, Enten
und Hühner auf dem Hof. Kurzum, herrliche Erinnerungen.
Erinnerung auch an Momente der eigenen Kindheit:
"Als Kind hat er kleine Mutproben durchgeführt, nur für sich und
in Gedanken. Hat den Kopf in den Nacken gelegt und gedacht:
Es gibt keinen Gott. Danach wartete er jedes Mal mit angehaltenem
Atem darauf, dass ein Gewitter ausbrach oder die Erde sich unter
ihm auftat." UND: "Ein anderer Sinn (...) nimmt die sakrale Aura
auf. Sie ruft das kindliche Gefühl zurück, beobachtet zu werden
von jemandem, der zu mächtig ist, als dass auf seine Güte Verlass
wäre." (Stephan Thome: Fliehkräfte)
[^^]
|